Seit Jahresanfang muss Kunden offengelegt werden, was ihr Finanzprodukt tatsächlich gekostet hat. Die Finanzbranche ist nicht glücklich damit. Der Verband der Finanzplaner moniert sogar, die Regelung führe zu Fehlallokationen.
11.04.2019 | 09:30 Uhr
Die neuen Regeln unter MiFID II bestimmen mittlerweile den Alltag der Finanzindustrie. Die Branche stöhnt unter den zahlreichen Auflagen. Kein Wunder: Das alles kostet Geld und Zeit. Am Ende steht auch die Frage: Wer bezahlt den Mehraufwand, der durch die Umsetzung von MiFID II entstanden ist? Vermutlich der Kunde. Doch wo bringt man als Finanzdienstleister den Posten „Mehrkosten durch Regulierung und Verbraucherschutz“ sinnvoll unter? Seit Januar ist das jedenfalls nicht mehr ohne weiteres möglich, ohne Kunden massiv zu verschrecken. Denn seit Jahresanfang müssen Finanzdienstleister ihren Kunden Ex-post-, also nachträgliche Kosteninformationen zur Verfügung stellen.
Die Idee dahinter: Während der Kunde Ex-ante-Kosteninformationen, die seit Anfang 2018 Pflicht sind, entnehmen kann, mit welchen Kosten beim Erwerb oder Verkauf eines Finanzinstruments zu rechnen ist, sollen die Ex-post-Kosteninformationen offenlegen, welche Kosten durch eine Finanzanlage tatsächlich entstanden sind. Laut BaFin gibt die Ex-post-Kosteninformation Kunden damit die Möglichkeit, die Aufstellung ihrer Kapitalanlagen zu überprüfen und daraus Handlungsoptionen abzuleiten.
Ob diese Idee in der Praxis funktioniert, sei jedoch fraglich, moniert etwa das Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB Deutschland). Das FPSB warnt in einer offiziellen Stellungnahme sogar: „Der Kostenausweis nach MiFID II begünstigt Anlage-Fehlentscheidung“. Das FPSB Deutschland leitet seine Meinung aus einer Befragung der an das FPSB angeschlossenen Finanzplaner ab, die ihre Erfahrungen mit MiFID II schildern sollten. „Soweit es die eingeführte Darstellung von Kosten beim Wertpapierkauf betrifft, ist ein Ergebnis der Umfrage unter unseren Zertifikatsträgern, dass diese bezweifeln, dass MiFID II tatsächlich zu mehr Transparenz führt“, resümiert der FPSB-Vorstandsvorsitzende Prof. Rolf Tilmes.
Dass die Kostentransparenz sogar zu Fehlentscheidungen der Anleger führen könne, begründen die CFP-Professionals mit einer Reihe von Argumenten. Ein erster Kritikpunkt betrifft die vorgeschriebene Ex-Ante-Kostendarstellung, bei der die Kosten einer Geldanlage über mehrere Jahre kumuliert als Gesamtsumme sowie als Prozentzahl ausgewiesen werden müssen. Das ist nach Erfahrung der befragten Finanzplaner für die meisten Kunden kaum verständlich. „Vielen ist nicht klar, was zum Beispiel 15 Prozent Gesamtkosten in fünf Jahren bedeutet“, sagt Tilmes. Zudem falle es den Kunden schwer, eine solche Zahl zu interpretieren und sie mit anderen Anlagemöglichkeiten zu vergleichen.
Besonders schwierig sei dadurch der Vergleich mit Produkten, die keine Gebühren ausweisen, sondern wie Sparbriefe und Tagesgeld die Kosten über den gebotenen Zins implizit berücksichtigen oder mit Anlagen wie Indexpolicen, die die Einnahmen des Anbieters in einem Algorithmus zur Renditeberechnung berücksichtigen. „Die Erfahrung ist, dass dies bei den Kunden zu Fehlentscheidungen führen kann“, warnt Tilmes. „Hier geht MiFID II am Ziel, den Anlegern auf Basis einer fairen Entscheidungsgrundlage zu der für sie passenden Anlageentscheidung zu verhelfen, vorbei.“
Zudem ergebe sich eine Divergenz zwischen den in den „Wesentlichen Anlegerinformationen“ ausgewiesenen laufenden Kosten und den Kosteninformationen im Kaufauftrag. Der Grund: Die Annahmen bezüglich der durchschnittlichen Transaktionskosten oder beispielsweise der erfolgsabhängigen Gebühren ist unterschiedlich. „Statt für Klarheit zu sorgen, verwirrt dies die Kunden“, so Tilmes.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Aufnahme der Performance Fee mit dem Wert des jeweils letzten Jahres. Ein erfolgreicher Fonds werde dadurch im Folgejahr als teuer dargestellt, wohingegen ein Produkt mit schlechter Leistung kostengünstig erscheint. „Bei der Kostenkumulation über mehrere Jahre wird damit unterstellt, dass der Fonds einerseits eine sehr hohe Wertentwicklung hat, da die Performance Fee eingerechnet wird, andererseits die Anlagesumme als Basis der unveränderten Kostenquote gleichbleibt“, so der FPSB-Vorstand. „Im Ergebnis ergibt das eine überhöhte und unrealistische Kostenquote, die ebenfalls Fehlentscheidungen begünstigt.“
Ein weiteres Problem ist, dass die fix vorgegebene recht kurze Haltedauer von Wertpapieren zu höheren ausgewiesenen Gesamtkosten pro Jahr führt. „Hier wünschen sich die Kunden ausdrücklich, dass auch die Annahme einer längeren Haltedauer möglich sein müsste“, informiert Tilmes. Ferner erweist sich die Zustellung der Kosteninformation bei telefonischen Orders in der Praxis als sehr aufwändig. Das gelte insbesondere für ältere Kunden, die keinen Mailzugang und kein elektronisches Postfach haben. Zu Lasten der Kunden geht schließlich auch die Bedingung, dass dem Kunden vor Ordererteilung diese Kosteninformationen zugehen müssen, was die Auftragserteilung verzögert. Insgesamt bringe die sehr umfangreiche Kosteninformation eine enorme Papierflut mit sich, die manche Kunden nicht bewältigen können, so eine weitere Erfahrung der Finanzberater.
Als Alternative zu der derzeitigen Praxis schlägt Tilmes vor, Kunden einmal jährlich oder bei Anpassung der Gebühren eine generelle Information über die Höhe der anfallenden Kosten mit einem konkreten Beispiel zukommen zu lassen. Zudem sei es besser, die Performance Fee in ihrer Höhe – ähnlich wie die Wertentwicklung – als Wert der vergangenen Kalenderjahre in den „Wesentlichen Anlegerinformationen“ auszuweisen. „Insgesamt“, so das Fazit des FPSB-Vorstands, „wäre es wünschenswert, die ganzheitliche Finanzberatung, die auf eine gut durchdachte und auf die lange Frist angelegte Geldanlage ausgerichtet ist, regulatorisch zu fördern und zu unterstützen. Leider aber wird dies bis heute zugunsten der Vermittlung von Finanzprodukten ignoriert.“
Fazit: Das FPSB spricht zu Recht problematische Punkte der Gesetzgebung an. So kann insbesondere die Versicherungsbranche mit Hinweis auf interne Berechnungsformeln eine Reihe von Kosten in ihren Produkten verstecken. Hier sollte der Gesetzgeber tatsächlich nachbessern. Denn diese immer noch erlaubte Kosten-Verschleierungstaktik ist ein massiver Wettbewerbsvorteil der Versicherungsbranche gegenüber der Fondsindustrie. Eine jährliche „generelle Information mit einem konkreten Beispiel“ ist jedoch ein zumindest fragwürdiger Vorschlag, der den Eindruck erweckt, dass die Branche Angst vor mehr Transparenz hat.
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