Die Welt schaut derzeit nach Glasgow zur Weltklimakonferenz der UN (COP26). Dort diskutieren in einer fast zweiwöchigen Mammutveranstaltung führende Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusätzliche Maßnahmen.
08.11.2021 | 11:05 Uhr
Um die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens und des Rahmenabkommens der UN über Klimaänderungen – insbesondere die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C bis 2050 – tatsächlich verwirklichen zu können. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs brachte eine Reihe wichtiger Beschlüsse: Eine Verpflichtung zur Beendigung der Vernichtung der Wälder und zur Umkehrung dieser Entwicklung („Declaration on Forest and Land Use“) und zur Einschränkung der Methangas-Emissionen (Global Methane Pledge) sowie die „Glasgow Breakthrough Agenda“. Letztere sieht eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft bei der Entwicklung und für den beschleunigten Einsatz von grünen Technologien vor.
Die Maßnahmen werden durch eine Vielzahl staatlicher und privater Initiativen ergänzt. Eine besondere Chance für
Frankfurt ergibt sich daraus, dass das neue International Sustainability Standards Board (ISSB) – das Gremium,
das ähnlich wie bei den Bilanzierungsregeln (IASB) die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen
standardisieren soll – am hiesigen Finanzplatz seinen Sitz haben wird. Aus Sicht eines Vermögensverwalters
interessant ist die Verpflichtung von mehr als 30 großen internationalen Finanzdienstleistern (mit fast 9 Billionen
US-Dollar verwalteten Vermögenswerten), Investitionen in Aktivitäten zu eliminieren, die mit der Vernichtung von
Wäldern verbunden sind. Die von Mark Carney, dem ehemaligen Gouverneur der Bank of England, geleitete
„Glasgow Financial Alliance for Net Zero“ (450 Banken, Versicherer und Kapitalanlagegesellschaften) stellt sogar
in Aussicht, über die nächsten 30 Jahre bis zu 130 Billionen US-Dollar an privatem Kapital für das Ziel der
Klimaneutralität („Net zero“) zu mobilisieren.
Die Zusicherungen der Finanzindustrie unterstreichen den breiten Trend zu nachhaltigen Investitionen, der auch in Deutschland immer mehr Bedeutung gewinnt. Nach Angaben des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG Marktbericht 2021) wuchsen nachhaltige Geldanlagen in Deutschland mit einer Rate von rund 25 Prozent. Privatanleger und institutionellen Investoren in Deutschland waren 2020 mit rund 335 Mrd. Euro in nachhaltigen Anlagen investiert, insbesondere in Fonds und Vermögensverwaltungsmandaten (248 Mrd. Euro). Gerade Privatanlegern ist es ein zunehmend bedeutendes Anliegen, Nachhaltigkeitsanforderungen und andere ethische Aspekte bei ihren Vermögensentscheidungen explizit berücksichtigt zu sehen. Das ist bislang aber keine Selbstverständlichkeit: Nur 6,4 Prozent des Gesamtmarktes entfällt laut FNG bisher auf explizit nachhaltige Fonds oder Mandat.
Was bedeutet nachhaltiges Investieren? Im ersten Schritt ist zu klären, was Nachhaltigkeit bedeutet. Im Vordergrund steht dabei zunächst der Umweltaspekt, insbesondere die Emission von CO2 und anderen Treibhausgasen, aber natürlich auch Gefährdungen durch Umweltverschmutzung oder Abfall, die Implikationen der Rohstoffbeschaffung oder die Nutzung knapper Ressourcen wie Wasser. In der Investment-Praxis gehen die Anforderungen aber meist über die Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn hinaus und berücksichtigen auch ethische Aspekte, darunter beispielsweise die W ahrnehmung sozialer Verantwortung durch ein Unternehmen (u.a. Lieferketten, Arbeitsstandards, Produktsicherheit, Umgang mit Mitarbeitern, Förderung) und die Qualität der Führungsstrukturen und Unternehmenskultur. Auf diese Weise ergeben sich die sogenannten ESG-Kriterien, wobei E für Environment, S für Social und G für Governance steht.
Für die Anleger gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten nachhaltig zu investieren. Sie können Mittel direkt
oder indirekt in Projekte fließen lassen, die eine positive Wirkung im Hinblick auf Umweltziele wie die
Reduzierung der Treibhausgase entfalten („Impact Investing“). Das könnten beispielsweise
Kapitalbeteiligungen an Unternehmen sein, die Alternativen zu fossilen Brennstoffen oder Technologien zum
„Einfangen“ von Methangasen entwickeln. Eine andere Möglichkeit ist es, bei der Geldanlage
Nachhaltigkeitskriterien anzulegen. Die auf dieser Basis selektierten Unternehmen können einen positiven
„Impact“ anstreben, müssen es aber nicht. In jedem Fall geht es darum, Unternehmen mit negativem
„Impact“ zu meiden.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Nachhaltigkeit sollte für einen Vermögensverwalter oder eine Kapitalanlagegesellschaft aber nicht im Gutdünken des Portfoliomanagers liegen. Im Interesse von Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollte die Beurteilung der ESG-Konformität auf Basis eines anerkannten Systems erfolgen. Das lässt sich dadurch gewährleisten, dass auf die Beurteilungen von erfahrenen Analysediensten zurückgegriffen wird. Wir beispielsweise stützen uns bei der Titelselektion unter anderem auf das MSCI ESG Rating.
Grundsätzlich gibt es für die Integration von Nachhaltigkeits- oder ESG-Kriterien in den Investmentprozess mehrere Vorgehensweisen: Eine Variante ist, Ausschlusskriterien zu formulieren. Unter Umwelt- oder ethischen Gesichtspunkten problematische Sektoren würden damit aus dem Anlageuniversum „verbannt“. Bei ODDO BHF beispielsweise fallen Branchen wie Rüstung, Tabak, Pornografie, Glücksspiel oder Kohlebergbau und -verstromung unter die Ausschlusskriterien, ebenso Adressen, die den UN Global Compact (u.a. Arbeitsrechte, Kinderarbeit, Korruption, Umweltschutz) nicht einhalten. Generell schließen wir Unternehmen mit einem unterdurchschnittlichen ESG-Rating von B oder schwächer aus.
Eine andere Vorgehensweise ist es, ESG-Ratings in den Selektionsprozess von Unternehmen oder
Finanzinstrumenten einzubeziehen, so dass unter sonst gleichen Voraussetzungen die Adresse mit dem
besseren ESG-Rating bevorzugt wird. In unserem Haus beispielsweise ist die Überprüfung der Nachhaltigkeit
ein integraler Teil des Investmentprozesses: Neben den Anforderungen an die Kapitalrentabilität, die Stärke
der Wettbewerbsposition, die Partizipation an strukturellen Wachstumstrends und die Angemessenheit der
Bewertung muss ein Qualitätsunternehmen auch die Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Jeder
Portfoliomanager ist angehalten, die unterschiedlichen ESG-Kriterien umfassend im Auge zu behalten und
offene Fragen gegebenenfalls mit dem Management des geprüften Unternehmens zu diskutieren.
Ein Vermögensverwalter oder Asset Manager hat zuallererst die Vermögensinteressen seiner Kunden im Auge zu behalten. Wir sind aber überzeugt, dass die Beachtung von Nachhaltigkeitsstandards keinen Verzicht auf Rentabilität bedeuten muss. Das belegen die hohen Bewertungen, die beispielsweise unsere Polaris-Fonds von Morningstar erhalten. Umgekehrt aber kann die Nichtberücksichtigung dieser Standards mit schwer abschätzbaren wirtschaftlichen, rechtlichen und Reputationsrisiken verbunden sein. Nachhaltigkeit ist ein Aspekt von Qualität, kein Ballast.
Die jüngsten Forschungsergebnisse ermitteln einen weltweiten Temperaturanstieg bis 2050 um 2,7°C, die
Begrenzung auf 1,5°C ist bereits eine große Herausforderung. Die Beschlüsse der COP26 leisten hier
hoffentlich einen Beitrag. Aus deutscher Sicht wichtig ist neben einer guten Klima-Innenpolitik auch eine
erstklassige Klima-Außenpolitik: Insbesondere die großen Schwellenländer wie China und Indien müssen
mitziehen, wenn die Klimaziele realisierbar bleiben sollen. Ein erfreulicher Nebeneffekt wäre es, wenn
Deutschland dafür die Technologie liefern könnte.
Vergangene Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen sind kein zuverlässiger Indikator für die Zukunft. Die Rendite kann infolge von Währungsschwankungen steigen oder fallen. Etwaige Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung des Investment Office der ODDO BHF AG wieder, die sich insbesondere von der Hausmeinung innerhalb der ODDO BHF Gruppe unterscheiden und ohne vorherige Ankündigung ändern kann.
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