Mikroben sind unerlässlich für die Nahrungsmittelproduktion. Und sie können dazu beitragen, sie klimafreundlicher zu machen.
05.12.2023 | 07:01 Uhr
Die globale Milchwirtschaft hat viel einer kleinen Stadt in Dänemark zu verdanken. Denn sie beherbergt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Mikrobenstämmen – etwa 50.000. Die Sammlung gehört dem Biowissenschaftsunternehmen Chr. Hansen und ist die Quelle der Kulturen, die die Basis für jedes zweite Käse- und Joghurterzeugnis auf dem Markt sind, das tagtäglich von mehr als einer Milliarde Menschen konsumiert wird.
Aber die Sammlung hat das Potenzial, noch mehr an Bedeutung zu gewinnen. Ein Grossteil der Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Chr. Hansen besteht darin, die Eigenschaften dieser Stämme zu verbessern, um spezifische Anforderungen zu erfüllen, oder sie auf neue Weise zu kombinieren, um die nächste Generation guter Mikroben zu entwickeln. So geht Chr. Hansen einige der grössten Herausforderungen der Welt an, wie zum Beispiel die Entwicklung „bioprotektiver Kulturen“, also natürlicher Kulturen, die Krankheitserreger in Lebensmitteln unschädlich machen und so zur Verlängerung der Produkthaltbarkeit beitragen.
„Für Pflanzen“, sagt Mauricio Graber, Geschäftsführer des Unternehmens, „können wir natürliche Lösungen für die Pflanzengesundheit anbieten, die den Einsatz von Pestiziden reduzieren. Für Tiere bieten wir Probiotika an, um den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren und so den übermässigen Einsatz von Antibiotika zu verhindern, der für den Menschen schädlich ist.“
Chr. Hansen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Kulturen, Enzymen und Probiotika für die Lebensmittel-, Ernährungs-, Pharma- und Agrarindustrie. Die Firmengeschichte des Unternehmens, das seinen Sitz in der Stadt Hørsholm nördlich von Kopenhagen hat, reicht bis ins Jahr 1874 zurück, als Christian Hansen in einer ehemaligen Metallwerkstatt in Kopenhagen eine Fabrik gründete. Damals gab es nur ein einziges Produkt: flüssiges tierisches Lab für die Käseherstellung.
Chr. Hansen hat zahlreiche probiotische Stämme zur Verbesserung und Erhaltung der Darmgesundheit entwickelt und investiert verstärkt in diesen Bereich. „Das menschliche Mikrobiom stellt eine sehr wichtige Chance für die Zukunft dar.“ Und obwohl Milchprodukte nach wie vor das Herzstück des Unternehmens sind, hat sich mit dem Vormarsch pflanzenbasierter Nahrungsmittel eine weitere Chance eröffnet. „Die Nachfrage der Verbraucher ist da“, sagt Graber. „Aber diese Produkte haben noch nicht das Geschmacksprofil, das die Verbraucher zu treuen Käufern werden lässt und zum Ausbau des Segments beiträgt.“ Er ist überzeugt, dass Chr. Hansen mit seiner mikrobiellen Fermentation in der Lage ist, in diesem Segment dieselben Massstäbe im Hinblick auf Geschmack und reichhaltige Zusammensetzung zu setzen, wie es dem Unternehmen zum Beispiel bei Milchprodukten gelungen ist.
Aber die Vision von Chr. Hansen geht weit über den einzelnen Verbraucher hinaus. Graber und sein Team haben errechnet, dass 80 Prozent der Produkte des Unternehmens zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) beitragen. Was die restlichen 20 Prozent betrifft, so gibt das Unternehmen an, dass diese Aktivitäten im Hinblick auf die SDGs nicht relevant sind. Zum Beispiel sagt Graber, dass Chr. Hansen Produkte herstellt, die dafür sorgen, dass ein Käse die charakteristischen, von den Konsumenten erwarteten Löcher hat. „Ein Käse ohne Löcher, das geht gar nicht“, sagt er. „Aber das macht den Planeten nicht nachhaltiger, oder? Und deshalb rechnen wir das nicht mit.“ Es handelt sich um eine Methodik, die von PwC geprüft und validiert wurde.
Hinzu kommen die Klimaverpflichtungen des Unternehmens. Im Jahr 2023 wurde Chr. Hansen im jährlichen Ranking von Corporate Knight von 6.000 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 1 Mrd. US-Dollar als das nachhaltigste Biotech-Unternehmen der Welt gewürdigt.
Das ist zu einem grossen Teil auf das klare Bekenntnis des Unternehmens zur Reduzierung seiner Emissionen zurückzuführen. Damit sind nicht nur die Scope-1- und Scope-2-Emissionen gemeint, also die direkten Emissionen aus dem eigenen Betrieb und dem Energieverbrauch, sondern auch die Scope-3-Emissionen, die mit den Aktivitäten in der gesamten Wertschöpfungskette zusammenhängen. Chr. Hansen strebt eine Reduzierung der Scope-1- und Scope-2-Treibhausgase um 42 Prozent bis 2030 und eine Reduzierung der Scope-3-Emissionen um 20 Prozent im gleichen Zeitraum an.
Jede noch so kleine Reduzierung der Scope-3-Emissionen hat eine grosse Wirkung. Chr. Hansen schätzt, dass diese rund 87 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen des Unternehmens ausmachen. „Entscheidend ist das Engagement der Lieferanten“, erklärt Graber. „Sie sind ein Multiplikator all unserer Aktivitäten, von der Beschaffung der Rohstoffe bis hin zu unseren Transportpartnern und der Logistik rund um den Globus.“
Den grossen Lieferanten des Unternehmens wurde gesagt, dass sie sich der Dekarbonisierung anschliessen müssen, wenn sie mit Chr. Hansen zusammenarbeiten wollen. Kleineren Lieferanten, die vielleicht nicht über die entsprechenden Ressourcen oder Fähigkeiten verfügen, bietet das Unternehmen Unterstützung und Toolkits an.
Chr. Hansen steht kurz vor der Fusionierung mit dem Enzymhersteller Novozymes. Das wäre – sofern die Aufsichtsbehörde ihre Zustimmung erteilt – die grösste Fusion zweier dänischer Unternehmen überhaupt. „Wir werden zwei Plattformen zusammenbringen, die sich sehr gut ergänzen: Chr. Hansen ist führend bei mikrobiellen Lösungen und Novozymes bei enzymatischen Lösungen“, sagt Graber. Dadurch werde ein „einzigartiges Biowissenschaftsunternehmen“ entstehen.
Eine weitere Synergie sieht Graber im gemeinsamen Engagement der beiden Unternehmen bei der Bewältigung der Klimakrise. „Wir befinden uns an einem entscheidenden Punkt in der Geschichte, an dem wir im Hinblick auf die Nachhaltigkeit Lösungen für die Zukunft entwickeln müssen, um ein nachhaltiges System vom Erzeuger zum Verbraucher zu schaffen, mit dem wir mehr produzieren können, um die Weltbevölkerung zu ernähren“, sagt er. „Aber wir müssen es auf nachhaltige Weise tun, auf natürliche Weise, und dem Planeten weniger Ressourcen entziehen.“
Eine Version dieses Interviews wurde ursprünglich im Pictet Report veröffentlicht.
Um im Jahr 2050 10 Milliarden Menschen ernähren zu können, muss der Agrarsektor seine Effizienz um 70 Prozent verbessern. Die Erträge müssen gesteigert werden, während gleichzeitig der Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und antimikrobiellen Mitteln zur Vorbeugung und Behandlung von Infektionen reduziert werden muss. Nach Angaben der UNO könnte die Zahl der durch Antibiotikaresistenz verursachten Todesfälle bis 2050 auf 10 Millionen ansteigen. Mikrobielle Lösungen für den natürlichen Pflanzenschutz, insbesondere Bionematizide, Biostimulanzien und Biofungizide, sind ein nachhaltiger und umweltfreundlicher Weg, um den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren und gleichzeitig die Produktivität und den Ernteertrag zu steigern. Es gibt bereits Produkte auf dem Markt, die bei Zuckerrohr, Mais und Soja eingesetzt werden und den Ertrag um mehr als 10 Prozent steigern können.
Nach Schätzungen der UNO wird ein Drittel der Nahrungsmittel verschwendet, und darauf entfallen 8% der weltweiten Treibhausgase. Die EU hat sich verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung pro Kopf bis 2030 zu halbieren. Bioprotection umfasst spezielle Kulturen, die durch Fermentation dazu beitragen, den Verderb zu verzögern und die Verschwendung bei Milch- und anderen Nahrungsmittelprodukten zu reduzieren. Chr. Hansen schätzt die langfristige Chance im Bereich Bioprotection auf 1 Mrd. Euro, mit einem Zielmarkt von 200 Mio. Euro im Jahr 2025.
Humane Milch-Oligosaccharide sind Präbiotika, die wichtige Gruppen von Milchzucker enthalten, die nur in der Muttermilch vorkommen. Sie sind als Inhaltsstoffe für Säuglingsnahrung zugelassen und haben eine positive Wirkung auf die Entwicklung eines gesunden Verdauungssystems sowie auf das Immunsystem und die Gehirnentwicklung.
Die Pictet Nutrition Strategie hält Aktien von Chr. Hansen.
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