Pictet AM: Warum COP15 einen Wendepunkt für ökologische Investments markiert

Pictet AM: Warum COP15 einen Wendepunkt für ökologische Investments markiert
Nachhaltigkeit

Das wegweisende UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt weist den Unternehmen und Investoren eine besondere Rolle im Kampf um den Schutz der Natur zu.

01.03.2023 | 09:53 Uhr

Der UN-Biodiversitätsgipfel markierte einen Wendepunkt für den Erhalt der Natur und brachte ein internationales Übereinkommen hervor, das sich als genauso richtungsweisend für Umweltinvestitionen erweisen könnte wie das Pariser Klimaabkommen von 2015.

Das von knapp 200 Ländern unterzeichnete Global Biodiversity Framework (GBF) fördert Investitionen in Aktivitäten, die die Biosphäre schützen, und verlangt darüber hinaus von den Unternehmen, ihre naturbezogenen Risiken routinemässig zu bewerten und offenzulegen.

Das Übereinkommen ist mit ehrgeizigen Zielen unterlegt. Es zielt darauf ab, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2030 zu stoppen und bis 2050 eine Erholung und Wiederherstellung zu erreichen.

Aus diesen Gründen lässt es sich auf eine Stufe mit dem Pariser Klimaabkommen stellen. Auch wenn das Abkommen von 2015 noch nicht vollständig umgesetzt ist, weil dafür grosse Kraftanstrengungen nötig sind, ist es gelungen, die Finanzströme und Investmentportfolios an Klimazielen auszurichten und hunderte Milliarden US-Dollar für Investitionen freizusetzen. Wir sehen, dass das GBF einen vergleichbaren finanziellen Effekt hat.

Zu den Hauptmerkmalen des Biodiversitätspakts gehören Verpflichtungen zur Verbesserung des Schutzes der Land- und Wasserflächen, zur Verringerung der Umweltverschmutzung und zur Einbeziehung von Überlegungen zur biologischen Vielfalt in einer Vielzahl nationaler politischer Bereiche. Das Übereinkommen enthält auch Zusagen, schädliche Subventionen zu reduzieren und Mittel für nationale Biodiversitätspläne bis zum Ende dieses Jahrzehnts zu mobilisieren.

Mit anderen Worten: Es macht der Politik, den Unternehmen und den Investoren klar, dass es beim Schutz des Planeten um mehr geht als die Netto-Null. Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und die Wiederherstellung der Biosphäre sind Probleme, die gemeinsam angegangen werden müssen.

Das GBF ist natürlich nicht perfekt – es sieht zum Beispiel keine länderspezifischen Ziele vor und ist auch nicht rechtsverbindlich. Dennoch halten wir den Pakt für ein klares Signal an die Unternehmen und Investoren, diese wichtige Umweltdimension nicht länger zu ignorieren.

Das Ziel Nr. 15 des Abkommens ist für Unternehmen und Investoren vielleicht das relevanteste. Demnach müssen grosse Unternehmen und Finanzinstitute ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sowie die Risiken, denen sie durch den Verlust der biologischen Vielfalt ausgesetzt sind, überwachen und offenlegen.1

Entscheidend ist, dass diese Anforderung für die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens gilt – und bei Finanzinstituten bis auf Ebene der Portfolioanlagen.

Auch das Ziel Nr. 14 hat eine wichtige Bedeutung. Es sieht vor, dass öffentliche und private Finanzströme an den Zielen und Vorgaben des GBF ausgerichtet werden. Damit wird dem Finanzsektor eine aktive Rolle beim Schutz der Biodiversität zugewiesen.

Solche Ziele sind ein wichtiger Schritt zur Entwicklung einer globalen Umweltpolitik, da sie messbar sind und regelmässig überwacht, erfasst und überprüft werden sollen.

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Transparenz in Sachen biologischer Vielfalt: Die neue Norm

Die Offenlegung von Biodiversitätsrisiken durch Unternehmen könnte bald zur Norm in der Geschäftswelt werden.

Noch in diesem Jahr wird die Taskforce of Nature-related Financial Disclosures (TNFD) – ein Forum des privaten Sektors, das Finanzinstitute und Unternehmen mit einem Vermögen von über 20 Bio. US-Dollar repräsentiert – einen neuen Offenlegungsrahmen für Unternehmen veröffentlichen, in dem eine ganze Bandbreite von Aspekten, wie die Nutzung der Süsswasser-, Meeres- und terrestrischen Ökosysteme, Wasserverschmutzung und biologische Störungen, berücksichtigt wird.

Gleichzeitig plant das International Sustainability Standards Board, ein Gremium, das einen globalen Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen festlegt, die Vorschriften für die Berichterstattung über Klimarisiken Anfang 2023 um den Aspekt der biologischen Vielfalt zu erweitern. Mit einer besseren Berichterstattung können Investoren die naturbezogenen Risiken, denen Unternehmen ausgesetzt sind, besser beurteilen.

Diese Risiken lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:

  • Übergangsrisiken – Kosten, die sich aus Regulierung, gestrandeten Vermögenswerten und sich ändernden Verbraucherpräferenzen ergeben
  • Physische Risiken – finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen, die von einem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Funktionsverlust der Ökosysteme, auf die sie angewiesen sind, betroffen sind
  • Haftungsrisiken – Rechtsstreits und Haftungsansprüche im weiteren Sinne im Zusammenhang mit dem Verlust der biologischen Vielfalt und Rechtsverstössen

Finanzierungslücke muss geschlossen werden

Das GBF dürfte auch zu einer Umlenkung des Kapitals führen. Da der Schutz der biologischen Vielfalt an Bedeutung gewinnt, dürften sich dadurch neue Möglichkeiten für Investitionen in Ökosystemdienstleistungen und Naturkapital ergeben.

Es wird geschätzt, dass die Welt fast 1 Billion US-Dollar pro Jahr ausgeben muss, um positive Ergebnisse bei der biologischen Vielfalt zu erzielen, indem sie beispielsweise in nachhaltige Lieferketten, grüne Finanzprodukte, Biodiversitätsausgleich, CO2-Märkte und natürliche Klimalösungen investiert. Aktuell belaufen sich die Ausgaben auf nicht mehr als 143 Mrd. US-Dollar.2

Das GBF erwartet vom öffentlichen und privaten Sektor, dass jährlich mindestens 200 Mrd. US-Dollar für Erhaltungsinitiativen bereitgestellt werden – das ist deutlich mehr als die derzeitige Biodiversitätsfinanzierung, aber bei Weitem noch nicht genug, um die Lücke zu schliessen.

In den letzten Jahren haben Investitionen in Biodiversität und Naturkapital stetig zugenommen, z.B. durch die Emission von Anleihen von Unternehmen, die ausdrücklich darauf abzielen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu minimieren und das Potenzial für langfristiges Kapitalwachstum zu nutzen.

Fonds, die in Biodiversität und Naturkapital investieren, wollen dazu beitragen, dass nachhaltigere und regenerativere Geschäftspraktiken in der gesamten Wertschöpfungskette verankert werden, unter anderem in Branchen wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Grundstoffe, Immobilien, zyklische Konsumgüter und Basiskonsumgüter, IT, Versorger und Arzneimittel.

Die Food and Land Use Coalition schätzt, dass durch Bemühungen zur Umstellung der derzeitigen Nutzung von Erzeugnissen und Land auf regenerative und zirkuläre Praktiken bis 2030 ein Biodiversitätsmarkt im Wert von 4,5 Bio.US-Dollar entstehen könnte.3

Meinungsbeitrag von Prof. Garry Peterson, Stockholm Resilience Centre; Programme Director des Finance to Revive Biodiversity (FinBio)-Programms

Mit dem Kunming-Montreal GBF wurden zwei wesentliche indirekte Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt identifiziert, die es durch folgende Massnahmen zu beseitigen gilt: Abschaffung und Reformierung von Subventionen, die der Zerstörung der Natur Vorschub leisten, und Umlenkung der Finanzströme im globalen Finanz- und Unternehmenssektor weg von der Zerstörung der Natur hin zu naturpositiven Massnahmen, die inklusiven Wohlstand schaffen.

Für die Eindämmung des Verlusts an biologischer Vielfalt und die Wiederherstellung der lebendigen Natur ist mehr nötig als vom GBF vorgeschlagen.

Jahrzehntelange wissenschaftliche Forschung, wie sie im jüngsten globalen IPBES-Assessment zu Biodiversität und Ökosystemleistungen Eingang gefunden hat, zeigen, dass auch Strategien entwickelt werden müssen, um die indirekten sozialen Kräfte, die dem Verlust der biologischen Vielfalt Vorschub leisten, insbesondere die Zerstörung der lebendigen Welt durch Materialnutzung und -verbrauch, vor allem in den reichen Teilen der Welt, zu neutralisieren.

Das GBF-Abkommen enthält jedoch keine Ziele zur Bekämpfung der weltweit extrem ungleichen zerstörerischen Produktionspraktiken und Konsumgewohnheiten. Das ist eine monumentale, aber notwendige Herausforderung. Im ersten Schritt muss der Widerstand der vielen mächtigen Akteure, die vom Status quo profitieren, überwunden werden.

Insgesamt sieht das Abkommen mehr vor, als ich und viele andere erwartet haben, aber weniger als nötig ist. Es bietet einen Handlungsrahmen, und auch wenn die Massnahmen nicht gleichmässig verteilt sind, werden sie beschleunigt.


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