Robeco SI-Debatte: Beim Netto-Null-Ziel Kurs halten

Robeco SI-Debatte: Beim Netto-Null-Ziel Kurs halten
Nachhaltigkeit

Seit Dezember sind mehrere nordamerikanische Banken und Assetmanager aus Bündnissen für Klimaneutralität ausgestiegen. Darauf reagierte die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM) damit, ihre Arbeit vorübergehend einzustellen.

27.02.2025 | 09:54 Uhr

Sie will überprüfen, ob die Initiative „im neuen globalen Kontext weiterhin zweckmäßig ist“. Anleger fragen sich nun, welche weiteren Veränderungen zu erwarten sind und was die Zukunft für sie bereithält. Unserer Einschätzung nach verschreibt sich die Finanzbranche weiterhin Netto-Null-Zielen, allerdings mit einer kurzfristig erhöhten politischen Unsicherheit.

Der Auslöser

Ein wesentlicher Auslöser für die Entwicklungen der vergangenen Wochen war ein Schreiben, das am 20. Dezember an 60 Assetmanager in den USA verschickt wurde. Das Schreiben wurde vom Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses verschickt. Die Empfänger sollten über ihre Beteiligung an der Net Zero Asset Managers Initiative und die Zusammenarbeit im Rahmen von Climate Action 100+ aufklären.

Der Ausschuss betrachtet eine solche Beteiligung als mögliche Verletzung des Kartellrechts und der treuhänderischen Pflicht.1 In der laufenden Untersuchung des Ausschusses werden NZAM und Climate Action100+ als „Klimakartell linker Umweltaktivisten und großer Finanzinstitute“ bewertet, das „Absprachen getroffen hat, um amerikanische Unternehmen zur Dekarbonisierung und zu Netto-Null-Zielen zu zwingen“.2

Ein ähnlicher politischer Druck steckt hinter dem Rückzug der sechs größten Banken an der Wall Street aus einer Netto-Null-Initiative für Banken sowie hinter der jüngsten Entscheidung der Federal Reserve, ihre Mitgliedschaft im Network for Greening the Financial System (NGFS), dem globalen Netzwerk von Zentralbanken, das sich mit dem Klimawandel befasst, zu beenden.

Verändertes Umfeld

Bei Robeco begrüßen wir die von NZAM angekündigte Überprüfung, da die Gruppe ihre Strategie für 2030 dadurch stärken kann. Nicht nur in den USA, sondern auch weltweit ist das politische Umfeld ganz anders als in den Jahren 2020-2021, als sich Anleger, Unternehmen und Regierungen massiv für das Netto-Null-Ziel einsetzten. Diese Verpflichtungen belaufen sich auf 93 % des globalen BIP und 88 % der weltweiten Emissionen.3

Im Großen und Ganzen sind Regierungen ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Trotz bemerkenswerter Fortschritte in Ländern wie dem Vereinigten Königreich liegt die Welt durch die Politik der Regierungen auf Kurs zu einem Temperaturanstieg von 2,9 Grad. Die jüngsten Klimakonferenzen haben keine nennenswerten Fortschritte gebracht, führende Regionen wie die EU verringern ihre Umweltziele, und der stark zunehmende Handelsprotektionismus schränkt die Verbreitung grüner Technologien ein.4

Es ist bemerkenswert, dass Anleger mit Netto-Null-Zielen im selben Zeitraum gute Fortschritte erzielen konnten. Die meisten Anleger, darunter auch Robeco, melden beeindruckende Zahlen zur Dekarbonisierung ihrer Portfolios in der Größenordnung von 40 % oder mehr.5 Dies ging eindeutig weder mit einer Emissionssenkung in der Realwirtschaft noch mit einer ehrgeizigeren Klimapolitik einher.

Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, kurz innezuhalten und über die Rolle der Anleger auf dem Weg der Gesellschaft zum Netto-Null-Ziel nachzudenken.

Übersteigerte Erwartungen

Wir glauben, dass Netto-Null-Initiativen einen schlechten Start hatten. Die Gründung der Glasgow Finance Alliance for Net Zero (GFANZ) auf der dortigen Klimakonferenz COP26 im Jahr 2021 wurde als Wendepunkt gefeiert, da 130 Billionen USD an privatem Kapital darauf warten, für den Übergang zu netto null CO2-Emissionen eingesetzt zu werden. Es handelte sich um übersteigerte Erwartungen von Anlegern, die den Fortschritt der Gesellschaft in Richtung 1,5 Grad vorantreiben sollten. Der entscheidenden Rolle der Regierungen wurde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Eine wirksame Eindämmung des Klimawandels erfordert eine aufgabenorientierte Regierung, die sich der Herausforderung stellt.6 Die Aufgabe, den ersten Menschen auf den Mond zu bringen, der sich John F. Kennedy stellte, schuf Technologien, die jahrzehntelang den Wettbewerbsvorteil von US-Unternehmen begründeten. Das Internet und die Digitalisierung – sowie der Erfolg der Glorreichen Sieben – beruhen unmittelbar auf Erfindungen des US-Verteidigungsministeriums. In jüngster Zeit hat China staatliche Unternehmen eingesetzt, um eine globale Vormachtstellung bei erneuerbaren Technologien und Elektrofahrzeugen zu erreichen.

Wenn die Regierung die richtigen Anreize setzt, zeigt der Markt praktisch unbegrenzten Einfallsreichtum bei der Schaffung von Innovationen und skalierbaren Lösungen. Der Übergang zu netto null CO2-Emissionen ist Sache des Marktes. Anleger und Industrie müssen Lösungen entwickeln, umsetzen und skalieren. Doch die Regierungen müssen den Weg ebnen. So bildet beispielsweise die Grüne Agenda der EU mit Vorschriften wie der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten und der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen7 eine wichtige Grundlage für die Netto-Null-Pläne von Anlegern und Unternehmen.

Lernkurve

Für die Zukunft erwarten wir, dass Netto-Null-Initiativen demselben Muster folgen werden wie die meisten Lernkurven: ein anfänglicher Höhepunkt übersteigerter Erwartungen, gefolgt von Ernüchterung, bevor ein Pfad der Erleuchtung in Richtung Produktivität weist.8

Unser Research und unsere Interaktionen mit Kunden belegen, dass Anleger mit Netto-Null-Zielen – etwa 40 % des Marktes9 – eine langfristige Perspektive einnehmen und sich weiterhin engagieren. Die wissenschaftlichen Einschätzungen haben sich nicht geändert, also bleiben sie auf Kurs. Was sich ändert und weiterentwickelt, sind die Taktiken und Instrumente – auf dem Pfad der Erleuchtung in der Lernkurve. So wurden beispielsweise der anfänglichen Konzentration auf Dekarbonisierung der Portfolios klare Grenzen aufgezeigt. Sie wird inzwischen durch Konzepte zur Übergangsfinanzierung erweitert und verstärkt, die auf vorausschauenden Klimaanalysen beruhen.

Wir können nur hoffen, dass die Phase der Ernüchterung nicht zu lange andauert. Der Boom der erneuerbaren Energien verdeutlicht, dass Klimaneutralität funktionieren kann. Immer mehr Länder entkoppeln das Wirtschaftswachstum vom Emissionsanstieg,10 wodurch sich die Weltwirtschaft dem Punkt nähert, an dem die absoluten Gesamtemissionen zu sinken beginnen. Leider ist die globale geopolitische Lage nach dem Superzyklus der Wahlen 2024 von Fragmentierung und Nationalismus geprägt, was für die Eindämmung des Klimawandels ein ungünstiges Szenario darstellt.

Die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen wird immer deutlicher. Die globalen Temperaturen steigen weiter – 2024 wurde die Schwelle von 1,5 Grad überschritten – und immer mehr Menschen leiden unter den physischen Auswirkungen des Klimawandels. Die Einbeziehung dieser Klimarisiken führt zu besser begründeten Anlageentscheidungen.

Bei Robeco sind wir weiterhin bestrebt, den Übergang zu netto null CO2-Emissionen sorgfältig zu steuern und dabei sowohl Risiken als auch Chancen zu meistern, was unseren Kunden und der langfristigen Wertschöpfung zugute kommt.


Fußnoten

1 https://judiciary.house.gov/media/press-releases/judiciary-committee-probes-60-companies-over-esg-ties
2 Justizausschuss, US-Repräsentantenhaus (2024), „Climate control: exposing the decarbonization collusion in ESG investing“, Seite I.
3 https://zerotracker.net/
4 UNEP Emissions Gap Report 2024
5 Zum Jahresende 2023 hatten von Robeco verwaltete Vermögenswerte eine Dekarbonisierung von 43,7 % gegenüber dem Ausgangsjahr 2020 geschafft.
6 Vgl. Die Arbeit von Mariana Mazzucato über den unternehmerischen Staat
7 Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten (SFDR) und Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD).
8 Zum Beispiel https://de.wikipedia.org/wiki/Hype-Zyklus
9Robeco Annual Global Climate Survey 2024. In wenigen Monaten werden wir die Ausgabe 2025 veröffentlichen.
10 Vgl.: https://ourworldindata.org/co2-gdp-decoupling


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