Wir haben den Wettbewerb und die Interaktion zwischen E und S in dieser Kolumne bereits besprochen, nicht aber das G in ESG. Bei Betrachtung des Angebots an nachhaltigen Anlagestrategien auf dem Markt, könnte die Ansicht aufkommen, dass das G oft vernachlässigt wird!
29.04.2024 | 08:46 Uhr
Umweltstrategien
gibt es im Überfluss, soziale Strategien sind seltener, aber
Governance-Strategien absolut selten. Dies könnte daran liegen, dass
Unternehmensführung für jede Strategie wichtig ist und daher nicht als
potenziell wertsteigerndes Thema erachtet wird. Es
gibt drei gängige Möglichkeiten, sich mit Unternehmensführung zu
befassen: als aktive Eigentümer, die sich für besser geführte
Unternehmen einsetzen; bei der ESG-Integration aus finanzieller Sicht;
und als nachhaltige Anleger aus der Perspektive der Wesentlichkeit der
Auswirkungen. Ein
Ansatz mit Mindeststandards kann dazu beitragen, die schlimmsten Formen
der Unternehmensführung zu vermeiden, die das Risiko erheblicher Fehler
– sogar als vorsätzliche Kapitalmaßnahmen – mit sich bringen, die die
Zukunft des Unternehmens gefährden. Wir sollten realistischerweise von
allen Investitionen erwarten, Mindeststandards zu erfüllen. Aus Sicht einer finanziellen Wesentlichkeit
gibt es mehr Übereinstimmung. Wissenschaftlich wird auf positive
Zusammenhänge zwischen Praktiken der guten Unternehmensführung und
verschiedenen Formen der Wertschöpfung hingewiesen. Untersuchungen, die
vom Berater für Stimmrechtsvertretung Institutional Shareholder Services
unterstützt werden, haben eine direkte Korrelation zwischen einer
starken Unternehmensführung und hohen Aktionärsrenditen, Rentabilität,
Dividendenausschüttungen und -renditen sowie einem geringen Risiko
festgestellt. Bei
der Bewertung des Einflusses von Unternehmen auf Nachhaltigkeit liegt
der Schwerpunkt in der Regel auf Produkten und Betrieb, weniger auf
Managementpraktiken. Bislang gibt es kaum Belege dafür, dass bewährte
Praktiken in der Unternehmensführung zu mehr positiven Auswirkungen
führt, als dies sonst der Fall wäre. Die Ansicht, dass eine schlechte
Unternehmensführung negative Auswirkungen haben könnte, ist weiter
verbreitet, obwohl keine klare Einigung über den Mechanismus zu deren
Bewertung besteht. Auch hier ist das Urteilsvermögen der Anleger
gefragt.
Es ist in der Tat so, dass Unternehmensführung
wahrscheinlich das am wenigsten umstrittene aller ESG-Themen
hinsichtlich der Relevanz für Anleger ist. Es ist aber schwierig, eine
SI-Strategie zu finden, in der Unternehmensführung nicht in irgendeiner
Form vorkommt.
Nur wenige
Anleger würden behaupten, dass die Bewertung der Unternehmensführung und
der Qualität des Managements bei der Anlageentscheidung in jeder
Anlageklasse keine Rolle spielen sollte. Dennoch ist die Bedeutung, die
wir einer guten Unternehmensführung beimessen sollten, oft umstritten
oder uneinheitlich, und es herrscht keine Einigkeit darüber, ob eine
schlechte Unternehmensführung direkte negative Auswirkungen auf die
Nachhaltigkeit hat.
Unterschiedliche Perspektiven
Als aktive
Eigentümer setzen wir uns bei den Unternehmen, in die wir investieren,
routinemäßig für eine gute Unternehmensführung ein. Hier gibt es zwei
Blickwinkel. Zunächst müssen wir herausfinden, ob die Unternehmen
Mindeststandards der Unternehmensführung erfüllen. Dann können wir
feststellen, welche Unternehmen bewährte Praktiken aufweisen, die wir
idealerweise in unsere Portfolios aufnehmen möchten, oder die unserer
Meinung nach die zukünftigen finanziellen Erträge der Unternehmen
tatsächlich unterstützen würden.
Mindeststandards oder bewährte Praktiken
Bewährte
Praktiken sind viel seltener. Viele Unternehmen in allen Regionen und
Sektoren entsprechen nicht dem „Goldstandard“, haben aber einen Ansatz,
der gut genug ist, um ein akzeptables Anlagerisiko darzustellen oder
nicht von einer positiven Auswirkung auf die Nachhaltigkeit oder einer
profitablen Anlagemöglichkeit abzuhalten.
Dennoch
gilt es hier einige Nuancen zu beachten. Es ist Urteilsvermögen
gefragt. In einigen Sektoren und Ländern ist es zum Beispiel üblich,
dass Unternehmen in Familienbesitz sind, und die Unabhängigkeit der
Vorstände kann geringer erscheinen, als normalerweise als optimal gilt.
Die Forschung legt jedoch nahe, dass Familienbesitz auch Vorteile birgt
und mit höheren Aktionärsrenditen korreliert sein kann, jedoch auf einem
höheren Niveau negativ werden könnte.
Die Nuance liegt darin, das optimale
Niveau des Familienbesitzes zu bestimmen. Letztendlich müssen Anleger
ihre eigenen Risikoeinschätzungen vornehmen, und eine Anlage, die für
ein Portfolio geeignet ist, muss es nicht für ein anderes sein.
Positive Korrelation für Unternehmensführung und finanzielle Wesentlichkeit
Bilanzskandale,
Bestechungsfälle und Machtmissbrauch durch das Management lassen sich
häufig auf schlechte Praktiken in der Unternehmensführung zurückführen,
was zu erhöhter Unsicherheit und suboptimalen finanziellen Ergebnissen
führt. Auch wenn wir nicht behaupten können, dass ein Unternehmen mit
einer starken Unternehmensführung immer besser abschneidet, gibt es gute
Gründe für alle Anleger, darauf zu achten.
Auswirkungen der Unternehmensführung auf die Nachhaltigkeit sind kaum erforscht
Tesla zum Beispiel
ist ein oft diskutiertes Beispiel für ein Unternehmen, das die
allgemein anerkannten Standards der Unternehmensführung nicht erfüllt,
obwohl seine Produkte eine Rolle beim Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft
spielen. Wir haben (noch) keine allgemein anerkannte Methode, um zu
bewerten, ob eine schlechte Unternehmensführung die positiven
Auswirkungen von Produkten beeinträchtigt. Daher wird Tesla in einige
nachhaltige Portfolios aufgenommen, aus anderen jedoch ausgeschlossen.
Das macht es nicht falsch – es handelt sich lediglich um eine andere
Interpretation oder Philosophie.
Im SI-Bereich wird Nachhaltigkeit oft als Indikator für gutes Management angesehen. Auch das Gegenteil könnte zutreffen – eine gute Unternehmensführung könnte darauf hindeuten, dass ein Unternehmen in der Lage ist, alle Bereiche gut zu bewältigen, einschließlich der ESG-Faktoren.
In der Tat könnte eine gute Unternehmensführung als die notwendige Grundlage für alle nachhaltigen Unternehmen sowie für alle nachhaltigen Anlagestrategien angesehen werden. Das G mag oft vernachlässigt werden, aber in der Praxis ist es überall zu finden.
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