Die 100-Tage-Marke gilt als bedeutender Zeitpunkt, um eine erste Bewertung der Regierungszeit neuer Präsidenten vorzunehmen. Emmanuel Macron zog als Frankreichs jüngster Staatenlenker seit Napoleon in den Elysée-Palast ein nach einer beeindruckenden Wahlkampagne, die ihm einen beachtlichen politischen Vertrauensvorschuss bescherte.
04.09.2017 | 09:43 Uhr
(Foto: Timothée Pubellier, Fixed Income Manager)
Die ersten Tage seiner Amtszeit verliefen ausgezeichnet, aber recht schnell verdichteten sich die Wolken um «Jupiter» (so lautet Macrons Spitzname, der an den König der römischen Götter erinnert und zudem schmeichelhafter klingt als «Flamby» oder «Sarko»).
Was ist also schiefgelaufen? Für erste Probleme sorgten die Skandale, die vier Minister der neuen Regierung unter fragwürdigen Umständen zum Rücktritt veranlassten. Justizminister Bayrou (wie auch Sylvie Goulard), der die politische Vetternwirtschaft bekämpfen sollte, wurde zum Rücktritt gezwungen. Ironischerweise wurde ihm Scheinbeschäftigung auf EU-Kosten vorgeworfen. Richard Ferrand wurde der übermäßigen Vorteilsbeschaffung beschuldigt und trat daraufhin zurück, während das Ansehen von Arbeitsministerin Muriel Pénicaud durch Vorwürfe ethischen Fehlverhaltens beschädigt wurde. Darauf folgte die durch Einsparungen im Verteidigungsbudget ausgelöste Krise, die zum Rücktritt von Generalstabschef Pierre de Villiers führte. Einen vergleichbaren Fall hatte es zuletzt im Jahr 1958 gegeben. Auch die mangelnde parlamentarische Erfahrung der Macron-Partei (La République en Marche) warf Schatten auf die Fähigkeit des Präsidenten, das Land grundlegend zu reformieren. Gekrönt wurde diese Negativserie dann zweifelsohne durch sein Vorgehen an der sozialen Front. So sanken die Zustimmungswerte für den Präsidenten spürbar, nachdem er bekannt gegeben hatte, dass er die anstehende Reform des Arbeitsmarktes eher per Verordnung als über den üblichen parlamentarischen Weg durchsetzen wolle und zudem eine Kürzung der Wohnungsbeihilfe plane.
Nach 100 Tagen Amtszeit ist lediglich ein Drittel der französischen Bevölkerung (36%) mit dem Handeln des Staatsoberhauptes zufrieden, bei François Hollande lag die Zufriedenheit 2012 bei 46%. Macron genießt damit die niedrigste Zustimmung, die ein französischer Präsident je erhalten hat. Zum Vergleich: Macron verfehlt damit sogar den Wert von Donald Trump, der (neben vielen anderen besorgniserregenden Aktionen) immerhin in einen Konflikt mit Nordkorea verwickelt ist, welcher den Einsatz von Atomwaffen nicht ausschließt! Hinzu kommt, dass lediglich 23% der Befragten glauben, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt, gegenüber 45% im August 2007, drei Monate nach der Wahl von Nicolas Sarkozy. Es gibt aber auch Positives zu vermelden. So erfüllte Emanuel Macron während der dreimonatigen «Gnadenfrist» einige seiner symbolträchtigsten Versprechen. Er überwand durch die Bildung einer fortschrittlichen Regierung und Erneuerung der Nationalversammlung auf bisher nicht gekannte Weise alte Parteigräben. Regierungssprecher Christophe Castaner bekräftigte erneut die politischen Prioritäten des Präsidenten, der «das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Institutionen des Landes wieder herstellen, das Sozialmodell erneuern, das Bildungssystem reformieren, den ökologischen Wandel erleichtern und zum Europäischen Versprechen zurückkehren möchte». Darüber hinaus lenkte der Präsident während der ersten drei Monate seiner Amtszeit auch die weltweite Aufmerksamkeit auf sich und das Land. So empfing er US-Präsident Donald Trump und seinen russischen Amtskollegen Vladimir Putin. Mit Macron, der sowohl auf nationaler als auch auf zwischenstaatlicher Ebene eine ehrgeizige und fortschrittliche politische Agenda verfolgt, meldet sich Frankreich auf der internationalen Bühne zurück.
Die nächste Hürde, die Macron zu nehmen hat, sind die für Herbst geplanten Aktionen der sozialen Bewegungen, die für die Autorität des Präsidenten eine beachtliche Herausforderung darstellen. Es wird spannend zu beobachten, wie energisch Macron auf die «Reaktion der Straße» reagiert, denn dieses Verhalten könnte bereits einen Meilenstein seiner fünfjährigen Amtszeit darstellen.
Seit der Wahl haben die politischen Entwicklungen in Frankreich die Renditen französischer Schuldverschreibungen (OAT) nicht wirklich beeinträchtigt. Vielmehr wurden letztere größtenteils durch die Anleihekäufe der EZB und BoJ getrieben. Vor den Wahlen zählten japanische Investoren zu den Netto- Verkäufern angesichts des gestiegenen Risikos einer befürchteten Stichwahl zwischen Le Pen und Mélanchon, woraufhin sich der Spread zwischen 10jährigen OATs und Bunds von 30 Bp auf 80 Bp ausweitete. Nach der Wahl kehrten Nippons Anleger dann langsam an den Markt zurück, so dass der Renditeabstand wieder schrittweise auf 30 Bp sank. Im Juni löste Draghis Rede in Sintra einen Ausverkauf aus, bei dem OATs besser als Bunds abschnitten, während die EZB verstärkt Anleihen aus Frankreich (und Italien) kaufte. Auf ihrem aktuellen Niveau stehe ich den Spreads von OATs vs. Bunds neutral gegenüber, da eine weitere Verengung wohl nicht möglich ist, und Bunds in einem durch Risikoscheue geprägten Umfeld eine Outperformance bieten würden.
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