Schon bevor sich Covid-19 auf der ganzen Welt ausbreitete, stand die
Menschheit vor einer Reihe schwerwiegender Gesundheitsbedrohungen. Über
10 Millionen Menschen sterben jedes Jahr durch Umweltverschmutzung1 und Krebs ist ebenso tödlich.2 Gleichzeitig wird 2025 jeder Fünfte der Weltbevölkerung fettleibig sein.3 Auch die Zahl der gegen Antibiotika resistenten bakteriellen Infektionen nimmt mit alarmierender Geschwindigkeit zu.
Die Pandemie hat jedoch das Potenzial, grundlegend die Art und Weise
zu verändern, wie wir Krankheiten diagnostizieren und behandeln. Die
durch Covid-19 ausgelöste Disruption hat einen nachhaltigen
Innovationsschub gebracht, der dazu beitragen könnte, viele unserer
Gesundheitsthemen zu bewältigen. Das hat eindrucksvoll die rasante
Entwicklung des Covid-Impfstoffs gezeigt.
Wofür Virologen normalerweise zehn Jahre gebraucht hätten, das schafften
sie in weniger als einem Jahr. Es stehen uns noch viele andere
Veränderungen bevor. Im Kampf gegen das Coronavirus hat die
Gesundheitsbranche gelernt, sich wieder für Technologie zu begeistern.
Das bringt Vorteile für die Investoren, da sich mit der
Weiterentwicklung der Gesundheitsbranche neue Anlagemöglichkeiten
ergeben.
Das Investmentpotenzial erscheint umso grösser, wenn man bedenkt, wie
viel Geld Regierungen, Unternehmen und Bürger für die Verbesserung der
Gesundheit ausgeben. In den USA z.B. sind die monatlichen
Gesundheitsausgaben auf fast 20% des BIP gestiegen, im Jahr 1960 waren
es gerade mal 5% (siehe Abb. 1). Das bedeutet mehr Investitionen,
insbesondere in die Präventivmedizin.
Abb. 1 – Ausgaben für die Gesundheit
Öffentliche Gesundheitsausgaben USA, in % des BIP
Quelle: Centers for Medicare & Medicaid Services. Daten
beziehen sich auf den Zeitraum 01.01.1960–31.12.2020.
Gesundheitsinvestitionen haben eine starke soziale Komponente. Die
globale Krankheitslast könnte bis 2040 um rund 50% reduziert werden,
wenn bewährte Mechanismen (wie die Förderung gesunder Lebensweisen und
der breitere Zugang zu Medikamenten) besser genutzt und Innovationen wie
künstliche Intelligenz (KI) in grossem Stil genutzt werden, so die
Consultingagentur McKinsey. Das würde bedeuten, dass der Mensch im
Durchschnitt ein gesundes Lebensjahrzehnt mehr hätte.4
Investitionen in Gesundheitsunternehmen sind jedoch nicht immer von
Erfolg gekrönt oder einfach. Die durchschnittlichen Forschungs- und
Entwicklungskosten, die beispielsweise mit der Markteinführung eines
neuen Arzneimittels verbunden sind, liegen bei weit über 1 Milliarde
US-Dollar, berücksichtigt man das hohe Risiko eines Scheiterns auf dem
Weg dorthin.5 Zudem kann der Spielraum für die Festsetzung
der Preise für Arzneimittel und Gesundheitsdienstleistungen aufgrund
gesellschaftlicher und regulatorischer Zwänge eingeschränkt sein. Hinzu
kommt, dass sich viele der grösseren Unternehmen der Pharmaindustrie in
den kommenden Jahren darauf einstellen müssen, dass Patente auslaufen
und dadurch der Umsatz zurückgeht.
Mehr Auswahl, mehr Möglichkeiten
Wer im Gesundheitssektor investiert, muss mit diesen Unwägbarkeiten
und Risiken zurechtkommen. Wie überall bieten einige Investmentansätze
ein besseres Risiko-Rendite-Profil als andere.
Nach unserer Einschätzung können Investments am privaten Markt eine
besonders effektive Möglichkeit für Investoren sein, von der Innovation
in der Gesundheitsbranche zu profitieren. Private Märkte haben einige
Vorteile.
Zunächst einmal das breite Spektrum der Anlageoptionen – es gibt viel
mehr private Gesundheitsunternehmen als börsennotierte Unternehmen.
Darüber hinaus finden hier weitaus mehr Transaktionen statt. Im Jahr
2020, selbst als die Covid-19-Pandemie den Enthusiasmus der Investoren
dämpfte, nahm die Zahl der privaten Transaktionen im Gesundheitssektor
um ein Fünftel zu. Dieser Schub ist umso bemerkenswerter, als die
Private-Equity (PE)-Aktivität insgesamt um 14% zurückgegangen ist.6
Auch die Anlagerenditen privater Gesundheitsunternehmen sind
attraktiv. Der Gesundheitssektor hat in der Vergangenheit höhere
PE-Renditen erzielt als andere Bereiche des Marktes. Das liegt zum Teil
daran, dass Innovationen im Gesundheitswesen – augenscheinlich mehr als
in anderen Branchen – häufig von kleinen, noch jungen Unternehmen
ausgehen. Der Übergang vom wissenschaftlichen Labor zum Unternehmen
vollzieht sich in schnellem Tempo, was denjenigen Investmentteams und
Unternehmen im Gesundheitssektor einen Vorteil verschafft, die enge
Verbindungen zur Wissenschaft haben.
Oftmals erfolgt die Wertschöpfung grösstenteils vor Börsengängen oder
Übernahmen. IPOs bieten eine valide Exit-Strategie für PE-Investoren –
in den letzten Jahren fand eine Fülle von Transaktionen statt. In Zeiten
geringerer Liquidität ist es jedoch wichtiger denn je, sich auf
Unternehmen mit starken Technologien und Produkten zu konzentrieren.
Eine weitere attraktive Exit-Möglichkeit bietet sich in Form einer
Übernahme durch grosse Pharmaunternehmen, die stets nach
vielversprechenden Investitionsmöglichkeiten bei jüngeren Unternehmen
Ausschau halten, um ihre Pipeline auszubauen. Von den neuen
Arzneimitteln, die zwischen 2014 und 2018 grünes Licht von der
US-Arzneimittelaufsicht bekamen, wechselten 54% vor der Zulassung den
Besitzer.7 Die meisten wurden von kleineren Biopharmaunternehmen entwickelt und dann von grösseren, etablierten Mitbewerbern vermarktet.
Aussichtsreiche Subsektoren
Neue Medikamente erregen zwar schnell die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit und der Investoren, aber sie sind nur ein Teil des
Gesundheitsuniversums. Das Spektrum der Anlagemöglichkeiten an privaten
Märkten ist viel breiter. Weitere Bereiche mit starkem Potenzial für
überdurchschnittliche Anlagerenditen sind unter anderem Therapeutik,
Diagnostik, digitale Gesundheit, Medizintechnik und Pflegedienstleister.
Zusammen ermöglichen sie eine Diversifizierung über (Teil-) Branchen,
Regionen, Arten von Unternehmen und Reifestufen.
- Therapeutik – Das Innovationstempo in der
Therapeutik ist hoch und das regulatorische Umfeld wird immer
freundlicher. Bei der Wirkstoffentdeckung und Arzneimittelentwicklung
kommen zunehmend KI und maschinelles Lernen zum Einsatz. Dadurch erhöht
sich die Effizienz und der Weg für die Präzisionsmedizin wird geebnet.
Die Biotechnologie lockt viele Venture-Kapitalgeber und
Buyout-Unternehmen an, was der Forschung und Entwicklung zugute kommt.
- Diagnostik – Die Alterung der Bevölkerungen und
sich verändernde Lebensweisen führen dazu, dass chronische Erkrankungen
wie Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten immer häufiger auftreten. Das
wiederum befeuert die Nachfrage nach Diagnostik. Die öffentliche Hand
investiert zunehmend in umfangreiche öffentliche Vorsorge-Initiativen.
Der Markt für Selbstdiagnostik und Präzisionsmedizin wächst. Eine
frühzeitige Diagnose kann die Chancen auf einen positiven Ausgang
erhöhen und dazu beitragen, das Leben der Patienten zu verbessern und
Kosten für Folgebehandlungen einzusparen. Zudem sind neue diagnostische
Ansätze in der Regel weniger invasiv (z.B. Flüssigbiopsie). Langfristig
besteht das Potenzial, dass sich quantifizieren lässt, wie hoch die
Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand eine bestimmte Krankheit entwickelt.
Anhand dieser Erkenntnisse können entsprechende Massnahmen ergriffen
werden, um einen Ausbruch zu verhindern.
- Digitale Gesundheit – Die
digitale Gesundheit erlebte während der Covid-19-Pandemie und der daraus
resultierenden Lockdowns einen enormen Schub. Obwohl die Patienten zur
Sprechstunde jetzt wieder in die Praxis kommen, haben sowohl sie als
auch die Ärzte das Potenzial erkannt, das die digitale Welt bietet. In
den USA finden inzwischen 43,5% der allgemeinärztlichen Konsultationen
digital statt.8 Digitale Gesundheit ist auch der Schlüssel
zur Versorgung von ärmeren und abgelegenen Gebieten – ein wichtiger Teil
der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Auf nationaler Ebene können
digitale Plattformen Daten analysieren, um Risiken wie Lücken in der
Gesundheitsvorsorge zu identifizieren. Neben dem Wachstumspotenzial
sehen wir hier auch Raum für Konsolidierung.
- Medizintechnik – Die
Medizintechnikbranche kombiniert Technologie mit der medizinischen
Expertise von Ärzten, um Instrumente, Reagenzien, intelligente
Implantate und vieles mehr herzustellen. Die Bewertungen werden durch
die Knappheit hochwertiger Investitionsziele gestützt. Der Sektor ist
zudem durch eine starke Fragmentierung gekennzeichnet, sodass mit einer
Konsolidierung zu rechnen ist.
- Pflegedienstleister – Die
Alterung der Bevölkerung ist ein Haupttreiber sowohl für private als
auch für öffentliche Pflegedienstleister. Der Sektor verzeichnete den
zweithöchsten Transaktionswert weltweit (nach Biopharma). Es werden neue
Vergütungs- und Pflegemodelle entwickelt, und die wertorientierte
Gesundheitsversorgung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Fokus liegt
auf der Verbesserung von Sicherheit und Effizienz – zwei Bereiche, in
denen Technologie und KI enorme Fortschritte bewirken können. Der
Förderung der Mitarbeit des Patienten kommt eine vorrangige Rolle zu. Je
häufiger die Patienten mit medizinischen Fachkräften interagieren,
desto grösser ist die Bereitschaft, sich an die ärztlichen Anweisungen
zu halten, und desto besser ist das Behandlungsergebnis.
Abb. 2 – Zuflüsse in Gesundheit Finanzierung der digitalen Gesundheit in den USA: Anzahl der Transaktionen, aufgenommenes Kapital, Mrd. USD
Quelle: Rock Health Digital Health Venture Funding Database.
Daten beziehen sich auf den Zeitraum 01.01.2011-31.12.2021. Schliesst
US-Transaktionen > 2 Mio. US-Dollar ein.
Aus
Private-Equity-Perspektive bieten die fünf Subsektoren Chancen im
gesamten Unternehmensreife-Spektrum. Therapeutik, digitale Gesundheit
und Diagnostik sind in der Anfangs- und Wachstumsphase besonders stark.
Medtech-Anbieter und Pflegedienstleister sind dagegen eher in der
Buyout-Phase angesiedelt.
Geografisch sind sowohl die USA als auch Europa weiterhin führend in
der Forschung, während die USA bei Vermarktung und IPOs einen Vorsprung
haben. Asien holt schnell auf. Insbesondere von China sind
therapeutische Innovationen zu erwarten. Durch Investitionen in die
gesamte Wertschöpfungskette des Gesundheitssektors kann daher eine gute
geografische Streuung erreicht werden. Eine Mischung aus direkten und
indirekten Anlagen kann die Diversifizierung weiter verbessern und die
risikobereinigten Renditen steigern.
Gesundheit hat für alle eine hohe Priorität, von den Regierungen bis
hin zu den Bürgern, vor allem nach der Covid-19-Pandemie. Das
Investitionsgeschehen nimmt Fahrt auf, das regulatorische Umfeld wird
freundlicher und Technologie bietet immer mehr potenzielle Lösungen.
Private-Equity ist eine attraktive Möglichkeit, Chancen im gesamten
Gesundheitsuniversum zu nutzen und gleichzeitig Risiken durch starke
Diversifizierung und Risikomanagement zu begrenzen.
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