Pictet AM: Beendet China die (Themenfonds-)Party?

Pictet AM: Beendet China die (Themenfonds-)Party?
Regulierung

Die chinesische Regierung greift vermehrt in die Regulierung von Branchen und Geschäftsaktivitäten ein. Welchen Einfluss hat dies auf die globalen Aktienmärkte und wie sollten die Fondsmanager der Themenfonds reagieren?

08.11.2021 | 12:07 Uhr

Historisch einmaliger Boom für Themenfonds

Die vergangenen Jahre waren geprägt durch einen nie zuvor gesehenen Boom von thematischen Anlagen. Euphoriephasen für Themenfonds hat es zuvor zwar auch schon gegeben – zumeist auf der Zielgeraden von langen Bullenmärkten – aber das schiere Ausmass des aktuellen Booms ist atemberaubend. So hat sich nach Angaben von Morningstar das globale Volumen von Themenfonds innerhalb von nur 12 Monaten von 300 auf 600 Mrd. USD verdoppelt (per 31.03.2021). Europa macht hierbei mit 300 Mrd. USD den Löwenanteil aus – auch hier eine Verdopplung innerhalb von 12 Monaten.
Das Investmentkalkül von thematischen Aktienfonds ist dabei so bestechend wie eingängig. Anlagethemen, die von wirkmächtigen, langlaufenden Wachstumslinien (den Megatrends) angetrieben werden, sollten ein überproportionales Wachstum der Umsätze und Gewinne erleben, was mithin zu guten Wertentwicklungen führen sollte.
Der Haken bei diesem Kalkül, dass sich alle diese nachvollziehbaren Dimensionen nicht linear verhalten. Die verlässlichste Komponente sind hierbei die Megatrends, denn sie sind sehr stabil und durch Konjunktur- und Börsenzyklen hindurch gültig. Es ist die Wahrnehmung einzelner Anlagethemen durch die Investoren, die stärkeren Schwankungen unterliegen. Die technologie-affinen Anlagethemen haben in den vergangenen zwei bis drei Jahren einen sich beschleunigenden Aufschwung erlebt, der zu stark steigenden Kursen und hohen Bewertungen geführt hat. Seit etwa einem Jahr kann man die gegenläufige Bewegung erkennen, denn Wachstumsaktien sind gegenüber Value-Werten seither zurückgeblieben.

Chinesische Regierung verschärft den Griff

Im Laufe des vergangenen Jahres hat die chinesische Regierung in einigen Bereichen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eine schärfere Regulierung von Branchen und Geschäftsaktivitäten durchgesetzt. Hierüber ist in der Presse breit berichtet worden, typischerweise mit einer gewissen Portion Unkenntnis über die Langfristigkeit und Rationalität der chinesischen Politik und einer Extrapolation der jeweils aktuellen Einschränkungen auf viele weitere Teile des täglichen Lebens. Dadurch wurde eine veränderte Risikoeinschätzung von Aktieninvestments in chinesischen Unternehmen erzeugt, gefolgt von einem Abverkauf dieser Titel.

Besondere Aufmerksamkeit haben hierbei zwei Bereiche auf sich gezogen, denn hier waren die Kursabschläge signifikant. Unternehmen der ausserschulischen und -universitären Bildung und Nachhilfe waren der chinesischen Regierung schon länger ein Dorn im Auge. So hat diese auf mittlerweile 100 Mrd. USD Umsatz angeschwollene Industrie für eine zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft gesorgt, denn diese privaten Nachhilfestunden sind sehr kostspielig und nicht für alle Familien gleichermaßen erschwinglich. Zudem zeigte sich, dass die hohen Kosten der kindlichen Ausbildung (inklusive der privaten Nachhilfe) zu einem Absinken der Geburtenrate in China führte – und damit die gerade erst vollzogene Aufhebung der Ein-/Zwei-Kind-Ehe konterkarierte. Die Reaktion der chinesischen Behörden war so unmissverständlich wie erwartbar, denn sie verbot den Bildungsunternehmen schlicht die Gewinnerzielung. Somit verloren die einschlägigen Aktien im Sektor, so z.B. New Oriental Education oder TAL Education, im Laufe dieses Jahres mehr als 90% an Wert.

Ein zweiter Bereich, in den die Regierung eingriff, waren die grossen (privaten) Internetkonzerne, die traditionell einen vergleichsweise laxen Umgang mit den Daten ihrer Nutzer pflegten. Hier gab es mehrere Einschränkungen, z.B. für die tägliche maximale Dauer, in der minderjährige Nutzer Onlinespiele spielen dürfen.

Hat dies Auswirkungen auf die globalen Aktienmärkte?

Wie ist nun dieser strengere regulatorische Griff der chinesischen Regierung zu bewerten? Werden durch diese „plötzlichen“ Massnahmen ganze Branchen ihrer Potenziale beraubt? Wird die Kombination mit der geostrategischen Rivalität zwischen China und den USA und den Nickligkeiten bei der Behandlung von börsengehandelten Unternehmen und weltumspannenden Lieferketten für Halbleiter die Aktienmärkte allgemein auf Talfahrt geschickt?

Aus unserer Sicht ist dies nicht der Fall, und das aus mehreren Gründen. Erstens kommen die Eingriffe der chinesischen Behörden viel weniger überraschend als es für uns erscheint. Häufig sind die Gegenmassnahmen gegen herrschende Geschäftspraktiken sogar nachvollziehbar, aus sozialen, gesundheitlichen oder wettbewerbsrechtlichen Gründen. Portfoliomanager hatten – sofern sie gut informiert waren – ausreichend Zeit, die sanktionierten Unternehmen aus ihren Portfolios zu nehmen. Zweitens ist die chinesische Regierung nach wie vor interessiert an der Einbindung ihrer Volkswirtschaft in die globalen Kapitalmärkte; somit handelt es sich nicht um einen „Rückzug“ aus der Öffnung der Finanzmärkte, sondern es werden selektiv Regeln schärfer gezogen. Drittens ist dies trotz der weltweiten Resonanz ein weitgehend lokales Phänomen, das keine nachhaltige Auswirkung auf die Geschäftsmodelle international tätiger, innovativer Unternehmen haben sollte.

Wie soll nun ein Fondsmanager thematischer Fonds reagieren? Diese Antwort hängt stark vom Anlagethema ab. Sind Bildungsunternehmen Teil des Themas, fällt dieser Block als mögliches Investment künftig weg. Einem Fondsmanager für digitale Geschäftsmodelle bieten sich aktuell bei extrem zurückgekommenen Bewertungen chinesischer Internetunternehmen gute Einstiegsopportunitäten. Hier ist möglicherweise ein längerer Atem und antizyklisches Durchhaltevermögen nötig – aber dies sind generell die Erfolgsrezepte für thematische Investments.


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