Es scheint ein guter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme in punkto Nachhaltigkeitsregulierung zu sein. Es ist mittlerweile vier Jahre her, seitdem der EU-Plan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums von der Europäischen Kommission aufgelegt wurde.
20.05.2022 | 08:26 Uhr
Vor mehr als einem Jahr trat die erste Phase der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) in Kraft. Aktuell befinden wir uns mitten in der Umsetzung der zweiten Phase. Wir wollen daher betrachten, welche Auswirkungen diese Regulierung bislang auf die Asset Management-Branche gehabt hat. Welche Hürden müssen wir noch überwinden? Und unterstützt oder beeinträchtigt die Regulierung unsere Fähigkeit zum nachhaltigen Management von Vermögensanlagen?
Beginnen wir mit den positiven Aspekten. Da die Regulierung die Finanzierung nachhaltigen Wachstums zwecks Erreichung der Klimaziele von Paris unterstützen soll, liegt ihr Fokus auf der Erzielung positiver Effekte. In den letzten Jahren ist bei vielen Assetmanagern eine ESG-Integration erfolgt (aus rein finanziellen Erwägungen). Dagegen wird Impact Investing im Hinblick auf ESG-Chancen nach wie vor nur bei einem kleinen Anteil der Anlageportfolios angewandt.
Die Verwendung des Begriffs „doppelte Relevanz“ (finanzielle und gesellschaftliche Effekte) in der Regulierung zwingt die Anlagebranche dazu, mehr über die tatsächlichen Auswirkungen ihrer gesamten Geschäftstätigkeit nachzudenken. Dies erfordert auch, mehr Mühe auf den Nachweis zu verwenden, wie dieser Effekt in der Realität erreicht wird. Für Anleger in börsennotierten Wertpapieren ist es jedoch sehr schwierig, diesen Effekt nachzuweisen.1
Zudem wurde der Charakter von Anlagebeschränkungen im Hinblick auf ESG, CO2 und andere Nachhaltigkeitsaspekte zwar den Kunden gegenüber kommuniziert. Jedoch wurden sie häufig nicht in die offizielle Fondsdokumentation und in die Investmentvereinbarungen aufgenommen. Die Regulierung stellt sicher, dass die Assetmanager auch tatsächlich umsetzen und in die rechtliche Dokumentation aufnehmen, was sie zu tun behaupten.
Und wenn ein Aspekt in ein rechtliches Dokument aufgenommen wird, wird er innerhalb der Organisation genau kontrolliert. Demnach hat die Regulierung die Integration von ESG-bezogenen Informationen in Daten und die IT-Architektur, Handelssysteme sowie Risikomanagement und Compliance-Prozesse beschleunigt. Endlich werden Informationen in Bezug auf Nachhaltigkeit ernst genommen!
Die Regulierung scheint in der Asset-Management-Branche allmählich für gleiche Voraussetzungen im Hinblick auf Sustainable Investing zu sorgen. Sie bewirkt, dass Assetmanager, die im Bereich Nachhaltigkeit derzeit führend sind, laufend neue Wege finden müssen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Dies erfordert strategische und proaktive Entscheidungen.
Wir gehen davon aus, dass die Branchengewinner den Ton angeben und den größten Anteil am verwalteten Vermögen auf sich vereinen können. Die Gewinner werden außerdem leichter imstande sein, junge Talente anzuziehen, da die jüngere Generation sensibler für diese Themen ist.
Dies sind insoweit die eindeutig positiven Aspekte. Aus meiner Sicht mit einem Fragezeichen versehen ist, ob die Regulierung tatsächlich mehr Licht ins Dunkel der Nachhaltigkeits-Kürzel bringt. Es ist zwar eine clevere Idee zu definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten zu bestimmten Nachhaltigkeitszielen beitragen. Und die Green Taxonomy der EU sowie die Indikatoren für Principal Adverse Impacts erscheinen wohldefiniert zu sein und ergeben Sinn. Allerdings sind derzeit weniger als 5 % der wirtschaftlichen Aktivitäten in der Taxonomie definiert. Außerdem fehlen entweder Daten zu diesen Elementen oder sie sind von geringer Qualität.
Was die übrigen Elemente der Regulierung betrifft, zum Beispiel gute Unternehmensführung, nachhaltige Investments und die Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen in Kombination mit sozialen Schutzmaßnahmen, verfolgt jeder seinen eigenen Ansatz. Daher wird der Endanleger weiterhin Äpfel mit Birnen vergleichen müssen, bis diese Definitionen einheitlicher werden.
Ein weiterer Aspekt, den ich erwähnen möchte, ist der, dass die Bezeichnung einer Anlagestrategie als vorteilhaft im Hinblick auf die Aspekte Umwelt und Gesellschaft (Art. 8) oder ihre Ausrichtung auf ein Nachhaltigkeitsziel (Art. 9) bedeutet, dass zu zahlreichen Aspekten berichtet werden muss (zum Beispiel gute Unternehmensführung, nachhaltige Investments, Principal Adverse Impacts, Taxonomie-Ausrichtung). Wenn man zu diesen Elementen (oder Teilen davon) nicht nur berichten will, sondern diese auch steuern möchte, muss man eine Reihe von Restriktionen auf sein Anlageuniversum anwenden.
Und unsere Kunden entscheiden sich für uns nicht nur aufgrund unseres hervorragenden Angebots im Bereich Sustainable Investing, sondern auch auf Basis unseres Anlageerfolgs. Der Schlüssel liegt hier also darin, eine Balance hinsichtlich aller Aspekte zu finden, welche die Regulierung von uns verlangt. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass unsere Entscheidungen konform mit unserer derzeitigen Führungsposition im Bereich SI sind und wir gleichzeitig weiterhin imstande sind, genügend finanziellen Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen. Dies ist ein wirklich anspruchsvoller Balanceakt.
Nicht zuletzt wollen wir sicherstellen, dass uns die Umsetzung dieser umfangreichen Regulierung nicht davon abhält, nachhaltiges Wachstum zu finanzieren, was der tatsächliche Zweck der Vorschriften ist. Für uns bedeutet dies, auf nachhaltige und finanziell sinnvolle Weise in Assets anzulegen sowie ein engagierter und aktiver Eigentümer der Emittenten zu sein, in welche wir investieren.
Die rechtlichen Vorschriften verlangen umfangreiche Nachweise von Assetmanagern, die Sustainable Investing tatsächlich in ihrem gesamten Geschäft umsetzen. Es ist entscheidend, sich durch die Bereitstellung aller möglichen Angaben und das Ausfüllen von Formularen nicht ablenken zu lassen. Wir müssen weiterhin Research betreiben, mit innovativen Anlagelösungen aufwarten, ein partnerschaftliches Verhältnis mit Kunden, Konkurrenten, NGOs und Forschern pflegen sowie den Wandel vorantreiben.
Unabhängig davon bin ich letztlich überzeugt, dass die Regulierung die Investmentbranche nicht nur zu größerer Transparenz und besserer Vergleichbarkeit veranlasst, sondern auch zu besseren Geschäftspraktiken. Was gemessen (und vor allem dokumentiert) wird, wird auch getan werden.
Ich danke Leontine van der Goes, der Managerin unseres SFDR-Programms für ihre Einschätzungen und Informationen für diese Kolumne.
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