Norbert Blüms Satz „Die Rente ist sicher“ aus den 1980er-Jahren klingt mittlerweile wie aus einer fremden Welt. Zunehmend wird es fraglicher, ob künftige Ruheständler noch mit einer Rentenhöhe rechnen können, die ein auskömmliches Leben ermöglicht.
08.01.2020 | 14:20 Uhr von «Christian Bayer»
Zum Jahresanfang wurde in den Parteien wieder eines der drängendsten Probleme,
die Finanzierung der Rente, diskutiert. Lösungen sind dringend notwendig, denn in
den 2020er-Jahren wird das Thema erneut an Brisanz gewinnen. Die Baby Boomer-Generation
verabschiedet sich in den Ruhestand und wird neue Löcher in der gesetzlichen
Rentenversicherung aufreißen. Bis 2025 soll der Beitragssatz in die gesetzliche
Rentenversicherung nicht über 20 Prozent (aktuell 18,6 Prozent) steigen und zugleich
das Standardrentenniveau nicht unter 48 Prozent des Durchschnittsentgelts
sinken. Wie es danach weitergeht, ist mit einem großen Fragezeichen versehen.
Der neugebackene SPD-Vorsitzende und ehemalige NRW-Finanzminister Norbert
Walter-Borjans möchte mit seinem aktuellen Vorschlag vor allem Verdiener mit
höherem Einkommen zur Kasse bitten. Ab dem 1. Januar 2020 wurden die Grenzen
für die Beitragspflicht in die gesetzliche Rentenversicherung auf 6900 Euro in
den alten und 6450 Euro in den neuen Bundesländern angehoben. Walter-Borjans
plädiert dafür, die Deckelung für hohe Einkommen auf den Prüfstand zu stellen
und auch Einkünfte aus Kapital beitragspflichtig zu machen. Er rechnet damit,
dass die Rente künftig noch stärker aus Steuermitteln finanziert werden wird.
Zur Erinnerung: 2020 werden bereits rund hundert Milliarden Euro aus
Steuermitteln in die Rentenkasse fließen, mit steigender Tendenz in den
kommenden Jahren. Kritik an der Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze kam
prompt. Denn höhere Beiträge würden grundsätzlich im deutschen Rentensystem auch
zu höheren Ansprüchen führen. „Das wäre mit Blick auf die demografischen
Herausforderungen nur ein Taschenspielertrick", so Jochen Pimpertz, Rentenexperte
beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).
Neben der gesetzlichen Rente, der betrieblichen Altersvorsorge und der privaten
Vorsorge setzt die CSU auf die Errichtung einer vierten Säule im Rentensystem. Gestärkt
werden sollen vor allem die jungen Generationen. Geplant ist, dass der Staat
monatlich für jedes Kind bis 18 Jahre 100 Euro in einen Pensionsfonds einzahlt.
Das Kapital und die Erträge sollen bei Rentenbeginn ausgezahlt werden. Auch
hier hagelte es Kritik. Die 18 Milliarden Euro, die das von der CSU geplante
Vorhaben jährlich nach Berechnungen des DGB kosten soll, würden die
Gewerkschaftler lieber dafür verwenden, um die Löcher der gesetzlichen
Rentenversicherung zu stopfen. Welche Vorschläge sich auch durchsetzen werden,
klar ist, dass in den kommenden Wochen wichtige Weichenstellungen zur
Altersvorsorge getroffen werden. Noch im Januar soll der in der Koalition 2019 erzielte
Kompromiss zur Grundrente auf den Weg gebracht werden. Danach steht die
Altersvorsorgepflicht für Selbständige auf der Agenda. Für den März werden die
Ergebnisse der Rentenkommission erwartet, möglicherweise mit Vorschlägen zu Änderungen
bei der Riester-Rente.
Während sich die Politik Gedanken um die Zukunft der Altersvorsorge macht, bekommt
das bestehende System weiter Risse. Konkret schlägt die BaFin bei den
Pensionskassen Alarm. Einer der Gründe, die bereits zu Leistungskürzungen
geführt hat, ist die Niedrigzinspolitik. „Pensionskassen sind von der
anhaltenden Niedrigzinsphase noch stärker betroffen als
Lebensversicherer", so Frank Grund, Exekutivdirektor der
Versicherungsaufsicht bei der BaFin. „Wir brauchen bei einigen Kassen
erhebliche Unterstützung der Arbeitgeber als Träger." Zwar müssen die Arbeitgeber
Kürzungen ausgleichen, allerdings kann es aufgrund Unternehmens-Insolvenzen zu
tatsächlichen Ausfällen für Ruheständler kommen. 31 von 135 Pensionskassen
stehen aufgrund ihrer Probleme unter besonders intensiver Beaufsichtigung durch
die BaFin.
Die dringend notwendige Reform des Rentensystems wird weiter verzögert. Die Politik beschränkt sich auf kosmetische Korrekturen an der ein oder anderen Stelle, ohne einen großen Wurf zu wagen. Damit ist klar, dass zunehmend Eigeninitiative bei der Altersvorsorge notwendig ist, um den gewohnten Lebensstandard im Alter zu halten. Ein möglichst frühzeitiges Ansparen mit langem Anlagehorizont in breit gestreute Investmentfonds kann ein probates Mittel im Kampf gegen die Altersarmut sein.
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