Pictet AM: Seltene Erden – Elemente, die unsere Zukunft sichern sollen

Rohstoffe

Für viele der heutigen Technologien werden Metalle der Seltenen Erden benötigt. Doch ihr Abbau und ihre Verarbeitung bringen ökologische und geopolitische Herausforderungen mit sich.

21.09.2022 | 08:59 Uhr

Die 17 Seltenen Erden, von Cer bis Yttrium, sind der Allgemeinheit wenig bekannt, aber dank ihrer magnetischen und optischen Eigenschaften sind sie essentiell für moderne Technologien wie Windkraftanlagen, medizinische Geräte, Drohnen, Elektrofahrzeuge und elektronische Displays.

„Im 21. Jahrhundert haben wir all diese transformativen Technologien und dafür brauchen wir die kritischen Metalle. Man hört viel darüber, wie wichtig Lithium für Lithium-Ionen-Batterien ist, und seltene Erden gehören zur gleichen Kategorie“, sagt Patrick Ryan, CEO von Ucore Rare Metals, einem kanadischen Bergbau- und Technologieunternehmen, das sich auf kritische Metalle spezialisiert hat.

Trotz des Namens ist das Problem nicht ihre Seltenheit – Seltene Erden kommen in der Erdkruste genauso häufig vor wie Zinn, Blei und Kupfer, und es gibt überall auf der Welt natürliche Vorkommen. Sie sind jedoch ungleich verteilt und schwer zu gewinnen – damit verbunden sind zwei grosse Herausforderungen, nämlich eine ökologische und eine geopolitische. Beide dürften sich verstärken, wenn die Nachfrage nach Seltenen Erden steigt.

„Stellen Sie sich nur mal vor, wir hätten keinen Zugang mehr zu den kritischen Metallen. Es würden Arbeitsplätze verloren gehen und die Klimaschutzziele würden nicht erreicht werden“, so Ryan. „Wenn wir von den aktuellen Trends ausgehen, müsste sich das Angebot an Seltenen Erden in Oxidform bis Ende des Jahrzehnts verfünffachen – und genau darin liegt das Problem.“

Die erste Herausforderung betrifft den Abbauprozess. In der Regel kommen gleich mehrere Seltene Erden in denselben Mineralien vor. Eine der wichtigsten kommerziellen Quellen ist Bastnesit, in dem verschiedene Seltenerdoxide enthalten sind. Diese müssen zunächst abgespalten werden.

Dabei können mitunter giftige und radioaktive Stoffe entstehen, die in das Grundwasser gelangen – das ist aus Gesundheits- und Sicherheitsperspektive sehr bedenklich. „Die Seltenen Erden an sich sind nicht besonders toxisch, aber sie reagieren mit anderen Stoffen wie Schwermetallen und radioaktiven Substanzen“, erklärt Professor James Tour, Professor für Materialwissenschaft und Nanotechnologie an der Rice University in Houston, Texas.

Durch die Gewinnung von nur einer Tonne Seltene Erden könnten 2000 Tonnen toxischer Abfall entstehen, auch wenn das atypisch ist.1 Der Abbau hat zu einer Zerstörung von Boden und Wasserressourcen in den Regionen Chinas geführt, die seit den frühen 1990er-Jahren Seltene Erden fördern.2 Diese Rohstoffe sind paradox: Auf der einen Seite werden sie für CO2-arme Technologien benötigt, aber auf der anderen Seite schädigen sie durch ihre Gewinnung die Umwelt.

Die zweite grosse Herausforderung liegt in der Konzentration der Lagerstätten – und Minen – in bestimmten Ländern. Auf China entfallen 60 Prozent des Abbaus und 90 Prozent der Verarbeitung, es gibt nur vier Anlagen ausserhalb des Landes.3 Das stellt ein schwerwiegendes geoökonomisches Risiko dar.

Mark McDonald, Vice-President Business Development bei Ucore, rechnet mit schwierigen Zeiten für die Branche, wenn keine proaktiveren Schritte unternommen werden. „Zweifelsohne wird es aufgrund der prognostizierten Produktionszahlen und der gegenwärtigen Kapazität zum Abbau und zur Verarbeitung Seltener Erden zu einem Angebotsengpass kommen.“

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Mehr Investitionen, weniger Abfall

Welche Lösungen gibt es? Eine Option ist, die Abhängigkeit von Seltenerdmetallen zu verringern. Der Prius von Toyota zum Beispiel war das selteneerdenintensivste Verbraucherprodukt, das je hergestellt wurde – in jedem Fahrzeug waren rund 11 Kilo Seltene Erden verbaut. Allerdings führte der geopolitische Konflikt zwischen China und Japan in Verbindung mit den umweltschädlichen Auswirkungen der Förderung dazu, dass Toyota Motoren konstruierte, für die eine geringere Menge an Seltenen Erden benötigt wird.4

Ein anderer Weg wäre, die bereits abgebauten und verarbeiteten Seltenen Erden optimal zu nutzen. Professor Tour hat zusammen mit seinem Labor an der Rice University ein Verfahren entwickelt, mit dem die Elemente aus Elektronikschrott, Kohleflugasche und Bauxitrückständen zurückgewonnen werden, ohne dass sie ihre so wichtigen elektronischen und magnetischen Eigenschaften verlieren. „Das geht ganz einfach“, erklärt er. „Man legt einfach das Abfallmaterial zwischen zwei Elektroden, legt für weniger als eine Sekunde eine hohe Spannung an, jagt einen hohen Strom durch diese Elektroden, fertig. Dafür werden weder Lösungsmittel noch Wasser benötigt, und das Verfahren ist skalierbar.“

Bei einem anderen Ansatz setzte das Team einen stark verdünnten Säurestrom ein, wodurch weniger Sekundärabfall anfällt.

Die Extraktion von Seltenen Erden aus Abfallprodukten bezeichnet Tour als Upcycling statt als Recycling der noch verwertbaren Teile entsorgter Produkte. „In puncto Wirtschaftlichkeit kostet das viel weniger als der Abbau. Es müssen keine riesigen Löcher in den Boden gegraben werden. Die Rohstoffe müssen nicht über lange Strecken transportiert werden und es entsteht nicht all dieser Sekundärabfall in Form von hochgiftigen Basismaterialien. Der Abbau ist ein teures und hochgradig treibhausgasintensives Verfahren, das liesse sich mit dieser Alternative vermeiden.“

Selbst eine einfache Kartoffel könnte zu einer umweltfreundlichen Gewinnung von Seltenen Erden beitragen. Ein Team des Idaho National Laboratory hat eine innovative Methode entwickelt, Seltene Erden aus Hightech- und Industriegeräten mithilfe von Bakterien zu recyceln. Durch Bioleaching – bei dem Mikroorganismen zur Umwandlung von Elementen verwendet werden – hat das Team Kartoffelwasser ein Bakterium zugeführt, das Säuren produziert, die die Seltenen Erden von dem sie umgebenden Material abspalten. Durch die Verwendung von Kartoffelwasser konnte das Team die Kosten für die Extraktion um 17 Prozent im Vergleich zu einem Verfahren mit Glukose senken.

Darüber hinaus erforschen die Wissenschaftler den Einsatz neuer Technologien, um die Gewinnung und Produktion von Seltenen Erden zu verbessern. Ucore hat beispielsweise eine Methode zur Abspaltung von Seltenen Erden entwickelt, die, wie das Unternehmen gezeigt hat, mindestens dreimal so effizient ist wie herkömmliche Ansätze. Das bedeutet, dass ein Produktionswerk seinen ökologischen Fussabdruck um zwei Drittel reduzieren könnte. EIT RawMaterials, ein von der EU finanziertes Projekt, entwickelt gerade das Circular System for Assessing Rare Earth Sustainability, kurz CSyARES. Dabei werden Blockchains verwendet, um den gesamten Lebenszyklus der in Elektrofahrzeugen verbauten Seltenen Erden zu verfolgen und sicherzustellen, dass sie nicht mit toxischer Verschmutzung in Verbindung stehen. Wissenschaftler des Ames Laboratory an der Iowa State University und der Texas A&M University haben damit begonnen, künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) einzusetzen, um die Art und Weise zu verändern, wie wir die Eigenschaften neuer Seltene-Erden-Verbindungen erforschen und vorhersagen, und so die Effizienz und Genauigkeit über das menschenmögliche Mass hinaus zu steigern.

Auch Regierungen arbeiten mittlerweile daran, ihre inländische Produktion zu steigern und die Resilienz der Lieferkette zu verbessern. Um das Jahr 2018 herum schloss das Weisse Haus Verträge mit Australien und Kanada, um die Versorgung mit Seltenen Erden sicherzustellen. Die US-Regierung hat verschiedene Finanzierungsprogramme aufgelegt, die u. a. Zuschüsse und Fördermittel vorsehen. So gingen vor kurzem 35 Mio. US-Dollar an MP Materials im kalifornischen Mountain Pass, um schwere Seltene Erden abzuspalten und zu verarbeiten. Mit dieser Förderung soll eine durchgängige inländische Versorgungskette mit Permanentmagneten aufgebaut werden. Im Rahmen einer weiteren Initiative unter der Ägide des US-Energieministeriums werden 140 Mio. US-Dollar in ein Demoprojekt zur Rückgewinnung von Seltenen Erden aus Kohleasche und anderem Bergbauabfall investiert, um den Abbaubedarf zu reduzieren.

Die australische Regierung investiert in inländische Unternehmen, um die Integration in lokale und internationale Wertschöpfungsketten zu unterstützen. Mit einem Zuschuss in Höhe von 14,8 Mio. AUD im Jahr 2021 konnte Lynas Rare Earths die Hälfte der Kosten für die Implementierung eines neuen Prozesses für die Veredelung Seltener Erden decken. Die Regierung gründete 2020 auch eine neue Behörde, das Critical Minerals Facilitation Office, um die inländische Industrie zu unterstützen, und kündigte für den Haushalt 2022–2023 ein Unterstützungspaket an, das ein 200 Mio. AUD schweres Accelerator Grant Program für kritische Mineralien und 50 Mio. AUD für die Förderung der Forschung & Entwicklung vorsieht.

In Kanada investiert die Regierung von Québec 90 Mio. CAD in die mit kritischen und strategischen Mineralien in Verbindung stehende „New Economy“. Die Europäische Kommission hat Prognosen für kritische Materialien aufgestellt und möchte damit den Mitgliedstaaten einen Anreiz geben, entschlossenere Massnahmen zu ergreifen, um die Rohstoffe zu sichern, die für den Aufbau der Industriezweige des 21. Jahrhunderts – wie erneuerbare Energien und Robotik – erforderlich sind. Ausserhalb Chinas wurden mittlerweile diverse Projekte ins Leben gerufen, rund 20 werden zurzeit in Australien, Kanada und den USA entwickelt.

Am Ende, so Ryan, werden staatliche Unterstützungsmassnahmen „die Pumpe in Gang setzen“ und dem Privatsektor und den akademischen Einrichtungen dabei helfen, neue Wege zu finden, um kosteneffizient und umweltfreundlich die Rohstoffe der Zukunft zu gewinnen. Das wird entscheidend sein, um einen sicheren, nachhaltigen Zugang zu den Grundstoffen zu gewährleisten, die für die Technologien von heute und morgen benötigt werden.


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