Die USA erleben derzeit schwere Zeiten. Und dies nicht nur politisch. An den US-Börsen läuft es nicht mehr. Ausgerechnet die einst gelobten Technologie-Werte haben zuletzt massiv an Wert verloren. So musste etwa Elon Musk mitansehen, wie der Tesla-Kurs sich innerhalb von nur drei Monaten halbiert hat. Der Chiphersteller Nvidia hat seit Jahresbeginn rund 25 Prozent an Wert verloren, der Kurs der Meta-Aktie ist von seinem Hoch im Februar um 20 Prozent gefallen. Mit dem Kurssturz der US-Konzerne ist auch der MSCI World, der zu rund zwei Dritteln aus US-Werten besteht, ins Straucheln geraten. Der Welt-Index notiert aktuell 1,75 Prozent niedriger als zu Jahresbeginn. Ganz anders sieht es auf der gegenüberliegenden Seite des Atlantiks aus. Europäische Aktien erleben ein Comeback. Und ausgerechnet Deutschland, das aktuell wachstumsschwächste Land Europas, ist plötzlich der Darling internationaler Investoren. Im Mittelpunkt stehen dabei aber nicht die großen DAX-Konzerne, sondern die Aktien von Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe. SDAX- und MDAX-Werte erheben sich seit rund einem Monat wie Phoenix aus der Asche. Angesichts der zuletzt recht mauen Wirtschaftsprognosen für Deutschland ist die Börsenwende auf den ersten Blick erstaunlich. Doch einige Faktoren erklären die jüngste Entwicklung.
Unterbewertung und Wachstumspotenzial
Viele deutsche Nebenwerte-Aktien sind derzeit unterbewertet, was sie zu einem attraktiven Ziel für Investoren macht, die nach Wachstumspotenzial suchen. Die relative Unterbewertung gegenüber Large Caps – insbesondere den Large Caps in den USA – ist derzeit das stärkste Argument für deutsche Nebenwerte. „Der MSCI Germany Small Cap Index ist auf ein extrem niedriges Bewertungsniveau gefallen – solche Phasen haben in der Vergangenheit immer eine Trendwende eingeläutet. Ich glaube, dass Deutschland aktuell eine der besten Gelegenheiten der letzten 20 Jahre bietet, um zu investieren“, sagt Peter Kraus, Fondsmanager des Berenberg European Small Cap. „Momentan haben viele Deutschland aufgegeben. Aber genau das ist oft der Punkt, an dem sich eine Erholung abzeichnet“, so Kraus.
Auch Thomas Seppi, Vorstand der FPM Frankfurt Performance Management AG, ist von den Turnaround-Chancen deutscher Nebenwerte überzeugt: „Es geht nicht nur um die im internationalen Vergleich niedrige Bewertung deutscher Small- und Mid Caps. Sondern es geht um die grundsätzliche Stimmung. Und da ist hierzulande nach der Wahl wieder Optimismus zu sehen. Das geplante Investitionspaket der zukünftigen Koalitionäre SPD und CDU hat einen gehörigen Teil dazu beigetragen – auch wenn es jetzt vielleicht nicht eins zu eins durch den Bundestag kommen wird. Aber es ist ein wichtiges Signal“, so Seppi. So oder so werde Deutschland seine Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur erheblich erhöhen müssen. Diese Investitionen könnten kleine und mittelständische Unternehmen, die in diesen Bereichen tätig sind, besonders begünstigen. Der Streueffekt mit allen möglichen Zulieferern über die ganze deutsche Industrielandschaft hinweg dürfte die Wirtschaft als Ganzes beflügeln.
Zinsumfeld und Konsumkraft
Auch die Normalisierung der Zinssätze in der Eurozone durch die Europäische Zentralbank schafft ein günstiges Umfeld für Unternehmen, da die Zinslast für die Unternehmen sinkt. Gleichzeitig verbessert sich die Kaufkraft der Verbraucher, was sich positiv auf den Konsum und damit auf kleine Unternehmen auswirken könnte.
Performance-Spitzenreiter nahe am Index
Aktuell performen Indizes wie der SDAX und der MDAX im Vergleich zum MSCI World überzeugend. Sich allein auf passive ETFs auf diese beiden Indizes zu verlassen, muss jedoch nicht unbedingt die beste Wahl sein. Aktuell kaufen internationale Investoren fast wahllos deutsche Nebenwerte-Aktien. Doch das wird sich vermutlich irgendwann ändern. Dann zählen insbesondere im etwas engeren Markt der Small Caps wieder mehr Stock Picking-Qualitäten. In den vergangenen Jahren war gut zu beobachten, dass etliche gemanagte Fonds gegenüber den passiven Produkten hier die Nase vorn hatten. Drei Fonds, die auch aktuell zu den Spitzenreitern in ihrer Vergleichsgruppe gehören, sind hier explizit zu nennen: der Value-Holdings Deutschland Fund, der FPM Stockpicker Germany Small/Mid Cap und der DWS Concept Platow Fonds.
Fazit: Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen bietet Deutschland ein attraktives Umfeld für Investitionen in Nebenwerte-Aktien. Die Kombination aus Unterbewertung, Wachstumspotenzial und strategischer Positionierung macht diese Aktien zu einer interessanten Wahl für Anleger, die nach Diversifikation und langfristigem Wachstum suchen.
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