Wenn Mitarbeiter gehen sollen, lassen sie es sich Firmen oft etwas kosten, das klingt gut, doch der Fiskus will mitverdienen. Wie die Abfindung steuerfrei wird. Von Michael Schreiber
14.06.2021 | 15:00 Uhr
Siemens Energy streicht 7800 Jobs, MAN baut 3500 Arbeitsplätze ab, die Commerzbank halbiert ihr Filialnetz und braucht 10000 Mitarbeiter weniger. Die anhaltende Corona-Pandemie frisst Jobs und wirkt gerade in Sektoren, die einen tiefgreifenden Strukturwandel durchmachen müssen, wie der Bankenbranche, dem Automobilbau, dem Einzelhandel oder der Energiewirtschaft, wie ein Brandbeschleuniger. Zum Jahresende 2020 waren in der gesamten Bundesrepublik Deutschland insgesamt 744000 Arbeitnehmer weniger beschäftigt als Ende 2019.
Nicht selten gibt es als Entschädigung eine Abfindung. Doch freiwillig auf den Job zu verzichten, ist nicht leicht. Nur wer sowieso kurz vor der Rente steht, kann gelassen um die Höhe des Abschiedsgeschenks feilschen. Damit möglichst viel Bares im eigenen Portemonnaie hängen bleibt, sollten Betroffene die Spielregeln rund um die Abfindungen genau kennen. Wer die Tipps und Tricks beherrscht, kann geschickt verhandeln und so unter dem Strich mehr herausholen - vor allem bei der Steuer.
Steuervorteile werden nämlich nur gewährt, wenn das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Kündigung oder per Urteil des Arbeitsgerichts aufgelöst wird. Welcher der beiden Kontrahenten zuerst vor den Kadi gezogen ist, spielt dagegen keine Rolle. Wer freiwillig seinen Arbeitsplatz aufgibt und sich aufs Altenteil zurückzieht, riskiert nicht nur Steuervorteile, sondern auch noch eine dreimonatige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Schlechte Karten haben auch diejenigen Arbeitnehmer, die durch ihr Verhalten eine Kündigung durch den Arbeitgeber selbst verschuldet haben.
Sind sich Firma und Arbeitnehmer einig, unterliegt die vereinbarte Abfindung generell der Lohnsteuerpflicht - einen Steuerfreibetrag gibt es für den Jobverlust schon seit 2006 nicht mehr. Sofern die Abfindung auf einen Schlag ausgezahlt wird, kann das steuerpflichtige Einkommen daher im Auszahlungsjahr sehr hoch besteuert werden. Doch diesem steuerlichen Würgegriff kann man mit der richtigen Strategie teilweise oder sogar komplett ausweichen.
Die Fünftelregelung. Damit die Steuerlast nicht zu hoch ausfällt, kommt einem das Finanzamt bei der Berechnung des Steuersatzes über die sogenannte Fünftelregelung etwas entgegen. Das Finanzamt ermittelt dabei zunächst die Steuer auf das Einkommen ohne Abfindung und dann die Steuer auf das Einkommen plus einem Fünftel der Abfindung. Die Differenz der beiden Steuerwerte wird mit fünf multipliziert und ergibt die Steuerlast auf die Abfindung. Klingt kompliziert, reduziert aber für Arbeitnehmer, die nicht zu den Topverdienern zählen, die fälligen Steuern.
Diese Tarifermäßigung bringt jedoch nur etwas bei Arbeitnehmern mit mittleren Einkommen und vergleichsweise geringen Abfindungen. Topverdiener, die in allen Jahren dem Spitzensteuersatz unterliegen, können von dieser Regelung nicht profitieren, da die rechnerische Fünftelung der Abfindung nichts bringt. Tipp: Hier kann es bei einer Entlassung zum Jahresende sinnvoll sein, die Zahlung der Abfindung in das nächste Jahr zu verlagern.
Auf die Formulierung kommt es an. Die Abfindung muss für den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes gezahlt werden - nur dann sind Abfindungen nach einem Urteil des Bundessozialgerichts kein Arbeitsentgelt (Az. 12 RK 20/88). Ausnahme: Den Steuerbonus gibt es auch, wenn das Arbeitsverhältnis gar nicht gekündigt wurde, sondern nur eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde und der Arbeitnehmer Gehaltseinbußen erleidet, weil die Firma Arbeitszeit und Gehalt reduzieren will (BFH-Urteil vom 25.08.2009, Az. IX R 3/09).
"Unechte Abfindungszahlungen", die etwa rückständigen Lohn oder Überstunden abgelten sollen, sind dagegen in voller Höhe sozialabgabenpflichtig und gehen auch bei den argwöhnischen Prüfern des Finanzamts nicht als begünstigte Abfindung durch. Das gilt ebenso für Abfindungen, die deshalb gezahlt werden, weil ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht verlängert wird.
Wichtig für Verheiratete. Im Rahmen der anstehenden Steuererklärung 2020 kann es sinnvoll sein, wenn Verheiratete sich einzeln veranlagen. Das lohnt sich vor allem, wenn der Arbeitnehmer neben der Abfindung kaum weitere Einkünfte hatte und sein Ehepartner dagegen über ein beständig hohes Einkommen verfügt (siehe Beispiel links).
Drei Auswege: Wer dem Finanzamt erst einmal komplett entgehen will, hat drei lukrative Auswege, die vor allem ältere Arbeitnehmer nutzen können.
Variante I: Seit 2018 dürfen Abfindungen steuer- und sozialabgabenfrei in einen bereits bestehenden oder neu abzuschließenden betrieblichen Altersvorsorgevertrag (Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds) eingezahlt werden. Erlaubt sind maximal vier Prozent des Einkommens (bis zur Beitragsbemessungsgrenze/West der Rentenversicherung mal die Zahl der Arbeitsjahre beim Unternehmen). Mehr als zehn Jahre dürfen aber nicht angerechnet werden. Im Klartext: Für 2021 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze/West der Rentenversicherung 85200 Euro (2020: 82800 Euro). Maximal eingezahlt werden können demnach für 2021 vier Prozent von 85200 Euro, also 3408 Euro, mal maximal zehn Jahre. Das sind in Summe 34080 Euro. Für das Jahr 2020 lag diese Summe bei 33120 Euro.
Variante II: Das Geld geht aufs Rentenkonto. Da eine echte Abfindung kein Arbeitsentgelt ist, werden keine Rentenbeiträge erhoben, sodass sich die Rente auch nicht erhöht. Zahlt der Arbeitgeber die Abfindung aber direkt an die Rentenkasse (Paragraf 187a SGB VI), reduziert dies später Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt oder erhöht die Rentenansprüche. Und dann sind auch nur 50 Prozent der Abfindung steuerpflichtig (BMF-Schreiben vom 1.11.2013, BStBl. I S. 1326, Rz. 20 und Paragraf 3 Nr. 28 Einkommensteuergesetz). Für den steuerpflichtigen Anteil kann man obendrein noch die Fünftelregelung nutzen.
Variante III: Wertguthaben. Wer auf die Abfindung finanziell nicht unbedingt angewiesen ist, kann mithilfe eines Wertguthabens sämtliche Abgaben sparen und bleibt als Belohnung vielleicht schon mit 60 endgültig zu Hause. Dafür zahlt der Arbeitnehmer freiwillig Gehalt oder Zeit auf ein Langzeitkonto des Arbeitgebers ein. Das Wertguthaben kann auch auf einen Schlag mit der Abfindung aufgefüllt werden. Mit Ende des Arbeitsvertrags wird das Guthaben an die Deutsche Rentenversicherung übertragen und dort geparkt. Danach meldet man sich nach dem Ende des Arbeitsvertrags arbeitslos und erhält für maximal 24 Monate Arbeitslosengeld I. Während dieser Zeit werden weitere Pflichtbeiträge für die Rente gezahlt. Danach beginnt die Auszahlungsphase für das Wertguthaben. Die Rentenkasse zahlt das Guthaben Stück für Stück vor der eigentlichen Rente aus, wird also quasi zum Arbeitgeber. Dabei fallen in der Auszahlungsphase zwar Steuern und Sozialabgaben an - die fallen aber deutlich niedriger aus, weil die neuen Bezüge niedriger sind als das frühere Gehalt. Ist das Guthaben aufgebraucht, beginnt die eigentliche Rente - idealerweise mit dem 63. Geburtstag oder bis zur Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte. Auf diese Weise lässt sich mit der Abfindung und den ersparten Steuern und Sozialabgaben eine Brücke in den Ruhestand bauen.
Die Fünftelregelung. Ulrich Kellner ist ledig und erhielt im Oktober 2020 eine Abfindung von 30000 Euro. Sein reguläres Jahreseinkommen beträgt 45000 Euro. Würde die Abfindung mit dem regulären Einkommen zusammen voll versteuert, müsste Kellner auf die 75000 Euro Gesamteinkommen 22536 Euro Einkommensteuer bezahlen. Die Fünftelregelung spart also 847 Euro Steuern.
Schluss mit Splitting. Sabine Grenzer (63) wurde im Januar 2021 gekündigt. Sie erhält 50000 Euro Abfindung. Nach drei Monaten Arbeitslosigkeit ging sie zum 1. Mai 2021 in Rente. Ihr zu versteuerndes Einkommen 2021 inklusive Abfindung beträgt 65935 Euro. Bei der Steuerberechnung sind noch 6000 Euro Arbeitslosengeld zu berücksichtigen. Ihr Mann (61) arbeitet als Buchhalter und verdient 50000 Euro. Lassen sie die Eheleute zusammen veranlagen, wird es teuer: Das Arbeitslosengeld ist zwar selbst nicht steuerpflichtig - erhöht aber den Steuersatz auf das Gesamteinkommen des Paars. Gleiches gilt für die Abfindung. Hier hilft es, sich einzeln zu veranlagen. So zahlen die beiden insgesamt 2192 Euro weniger Steuern.
Rein in die Betriebsrente. Ulrich Kellner (siehe erste Tabelle) braucht das Geld aus der Abfindung nicht. Darum zahlt er den Betrag direkt in eine betriebliche Altersversorgung ein. Steuern fallen jetzt gar keine an. Ist die Abfindung höher als der Maximalbetrag von 34080 Euro (2021), können zusätzlich bis zu 6816 Euro freiwillig in einen Altersvorsorgevertrag steuerfrei eingezahlt werden (§ 3 Nr. 63 Satz 1 EStG). Insgesamt können so also maximal 40896 Euro im Jahr 2021 steuer- und sozialabgabenfrei in eine Altersversorgung eingezahlt werden. Achtung: Die spätere Betriebsrente ist voll steuerpflichtig. Im Ruhestand ist der Steuersatz aber meist deutlich niedriger als in der Erwerbsphase.
Wie viel bekomme ich? Steuertricks hin oder her: Die spannendste Frage lautet sowieso: Wie viel Abfindung kann ich erwarten? Grundsätzlich gibt es nur in Ausnahmefällen einen Rechtsanspruch auf eine Abfindung, etwa wenn eine derartige Zahlung in einem Sozialplan oder Tarifvertrag vereinbart wurde. Auch bei betriebsbedingten Kündigungen hat man einen Anspruch auf Entschädigung, wenn der Arbeitgeber bereits in der Kündigung mindestens ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Gegenleistung dafür bietet, dass der Beschäftigte nicht gegen die Entlassung klagt.
In der Praxis bieten Ex-Chefs aber auch ohne rechtliche Verpflichtung oft einen finanziellen Ausgleich an, um langwierige Prozesse vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden. Dessen Höhe ist grundsätzlich frei verhandelbar. Als Faustregel können Arbeitnehmer Beträge zwischen einem halben und einem vollen Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit als Verhandlungsgrundlage annehmen.
Wer über Jahre besonders gute Arbeitsleistung erbracht hat oder über auch bei der Konkurrenz gefragtes Insiderwissen verfügt, kann mit den richtigen Argumenten mehr erhalten.
Abfindungen wirken sich oft aufs Arbeitslosengeld aus, wenn zeitgleich ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Für Arbeitnehmer macht das den Jobverlust planbarer - vor allem wenn man bereits wieder einen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Wird man allerdings nicht fündig und muss sich arbeitslos melden, wird der Aufhebungsvertrag möglicherweise zum Problem. Denn wenn bei dem Deal die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird, kann das Jobcenter eine zwölfwöchige Sperrfrist verhängen, bis man Arbeitslosengeld bekommt. Um das zu vermeiden, sollte aus dem Aufhebungsvertrag klar hervorgehen, dass er allein auf Betreiben des Arbeitgebers geschlossen wurde. Wer sich für die Zeit der Kündigungsfrist freistellen lässt, umgeht diese Falle.
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