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Immobilie: Versteckte Erbschaftssteuererhöhung durch neue Bewertung
Steuern

Immobilien: Versteckte Erbschaftssteuererhöhung durch neue Bewertung

Das Jahressteuergesetz 2022 enthält eine Neubewertung von Immobilien im Erbschafts- oder Schenkungsfall. Die Steuern fallen damit zum Teil erheblich höher aus. Was Berater und Betroffene wissen müssen.

22.11.2022 | 07:30 Uhr von «Ulrich Lohrer»

Am 14. September hat das Bundeskabinett das Jahressteuergesetz 2022 beschlossen, dass zum 1. Januar 2023 nach dem Gesetzgebungsverfahren in Kraft treten soll. Die Bundesregierung pries dabei Steuererleichterungen, wie die zeitweilige Senkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen oder die Anhebung des Sparer-Pauschbetrags. „Wir setzen alles daran, in dieser Krise Menschen und Betriebe zu entlasten und handeln zügig, umfassend und entschlossen“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Er verschwieg, dass der Gesetzesentwurf seines Ministeriums unter dem Passus „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung“ auch eine versteckte Steuererhöhung enthält. Dabei soll für die Erbschafts- und Schenkungssteuer die im Juli vergangenen Jahres beschlossene Immobilienbewertungsverordnung (ImmoWertV) berücksichtigt werden. Dies würde im Durchschnitt laut dem Immobilieneigentümerverband Haus und Grund eine „um 20 bis 30 Prozent höhere Bewertung der Immobilien“ bewirken. Danach kann der Fiskus von Erben und Beschenkten ab nächstem Jahr zum Teil erheblich höhere Erbschafts- und Schenkungssteuern kassieren. Werden Immobilien verschenkt oder vererbt, führt das zuständige Finanzamt nämlich zur Besteuerung ein bestimmtes Bewertungsverfahren durch. Bei vermieteten Immobilien wird das Ertragswertverfahren angewandt. Hier führt vor allem die Änderung des Ansatzes der Bewirtschaftungskosten zu einer höheren Bewertung.

Deutlich höhere Besteuerung mit Bewertungsfaktoren

Bei selbstgenutzten Wohnhäuser oder Wohnungen orientiert sich das Finanzamt mit dem Vergleichsverfahren an den tatsächlichen Kaufpreisen der Gegend oder den darauf basierenden Richtwerte der Gutachterausschüsse. Häufig liegen solche Vergleichswerte aber nicht vor. Dann wendet das Finanzamt das Sachwertverfahren an und addiert Bodenwert und Gebäudewert. Der Gebäudewert ergibt sich aus einem fiktiven Gebäudeherstellungswert, der entsprechend des tatsächlichen Baujahres um einen Altersminderungswert und – entsprechend der Lage –mit dem Sachwert- und Regionalfaktor angepasst wird. Alle diese Stellschrauben – die Alterswertminderung, der Sachwertfaktor und der neue Regionalfaktor – werden nach dem Gesetz tendenziell zum Nachteil der Steuerzahler geändert. So unterstellt der Fiskus, dass Gebäude – nicht wie bislang 70 Jahre – nun 80 Jahre lang genutzt werden können, weshalb der Altersminderungsbetrag geringer ausfällt. Am stärksten steigt der Sachwertfaktor, der die Marktlage abbilden soll. Dieser lag bislang je nach Region und Immobilie zwischen 0,9 und 1,1. Künftig kann der Sachwertfaktor in Städten wie München bis 1,5 betragen. In Einzelfällen kann die Bewertung doppelt so hoch wie bisher ausfallen.

Wie hoch die Steuermehrbelastung für die Beschenkten oder Erben ist, hängt dann von den jeweiligen Freibeträgen (siehe Tabelle 1) und den Steuersätzen der Erbschafts- und Schenkungssteuer ab.

Tabelle 1
Tabelle 1


Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro für Ehegatten und 400.000 Euro für Kinder sind Immobilien in ländlichen und strukturschwachen Gebieten oft steuerfrei, während die Immobilienwerte in Ballungsräumen die Freibeträge um ein Vielfaches übersteigen können. Da sich der Steuersatz neben der Höhe des Wertes auch nach dem Verwandtschaftsgrad richtet, werden nicht zum engeren Familienkreis zählende Personen von der höheren Immobilienbewertung durch höhere Steuersätze besonders benachteiligt (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2
Tabelle 2


Auch sonst kann die neue Bewertung zu überproportional höhere Steuern führen, wenn dadurch Freibeträge oder ein Schwellenwerte für einen höheren Steuersatz überschritten werden.

„Viele Immobilien-Erbschaften bleiben jedoch steuerfrei, weil sie entweder unter den persönlichen Freibeträgen naher Angehöriger liegen, es sich um ein Familienheim handelt, das von der Erbschaftsteuer befreit ist“, beruhigt Helge Schubert, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in der Kanzlei Rose & Partner in Hamburg. Andernfalls kann es allerdings teuer werden.

Mit vorgezogener Schenkung Steuern sparen

Wer durch die Änderung von einer höheren Erbschafts- oder Schenkungssteuer ab 2023 betroffen ist, könnte versuchen die Immobilie noch dieses Jahr vollständig an die Angehörigen zu übertragen. Es dürfte jedoch schwierig sein, bei den zum Jahresende ohnehin überlastenden Steuerberatern oder Notaren rechtzeitig Termine für die Beratung oder der Übertragung zu bekommen. Auch wenn die Parteien sich einig über die Übertragung der Immobilie sind, benötigt eine Grundstücksschenkung von der notariellen Beurkundung über die Einreichung zum Grundbuchamt bis zur Umschreibung durch die Grundbuchbeamten eine gewisse Zeit. Laut Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH II R 52/02, II R 16/06) ist aber für die Besteuerung der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung ausschlaggebend.

Gegen eine übereilte Übertragung spricht allerdings, dass eine solche Entscheidung gut und in Ruhe überlegt und abgewogen sein sollte. Auch nach dem Jahreswechsel 2022/2023 lassen sich Schenkungen von Immobilien beispielsweise mit einem Nießbrauch- oder Wohnrecht Schenkungssteuern sparen. Denn der Bemessungswert einer verschenkten Immobilie mit Nießbrauch- oder Wohnrecht wird um den Wert des Nießbrauch- oder Wohnrechts gesenkt. Wer als Eigentümer sich zu Lebzeiten absichern möchte und den Beschenkten Steuern ersparen möchte, kann daher bei Schenkung der Immobilie im Grundbuch einen Vorbehaltsnießbrauch eintragen lassen. Da jedoch ein solches Recht für die Beteiligten mit Vor- und Nachteilen verbunden ist, sollten sie sich darüber zuvor von einem versierten Rechtsanwalt oder Steuerberater beraten lassen.

Schließlich können die Steuerzahler auch gegen den Steuerbescheid des Finanzamtes Einspruch einlegen. Dies ist sinnvoll, wenn sie mit einem Wertgutachten nachweisen können, dass die Immobilienbewertung zu hoch ist. Denn die vom Finanzamt angewandten standardisierten Verfahren berücksichtigen nicht die Eigenheiten eines Hauses, weshalb die Bewertung über dem am Markt erzielbaren Verkehrswert der Immobilie liegen kann – etwa, wenn ein Gebäudeschaden oder ein Modernisierungsrückstand besteht. „Eigentümer haben die Möglichkeit über ein Verkehrswertgutachten durch Immobilien-Sachverständige einen niedrigeren Wert nachzuweisen und damit weniger Steuern zu zahlen“, so der Immobiliengutachter Felix Tebinka in Luckau. Weil in der Vergangenheit die Verkehrswerte oft deutlich unter den Bewertungswerten des Finanzamtes lagen, war ein Einspruch jedoch selten erfolgreich. Mit den höheren Bewertungsfaktoren sind nun auch die Erfolgsaussichten gestiegen. Da aber auch Gurtachten mit Kosten verbunden sind, sollte ein solcher Schritt abgewogen werden. Wer bei der Vermögensübertragung Steuern sparen möchte, sollte daher das Thema nicht aufschieben und sich über die Optionen von seinem Steuerberater beraten lassen.

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