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Steuern

Wie Finanzminister Lindner Steuerzahler von der Inflation entlasten will

Durch die Inflation unterliegen viele Bürger auch höheren Steuersätzen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will mit dem „Inflationsausgleichsgesetz“ diese kalte Progression dämpfen. Doch die Steuerzahler profitieren unterschiedlich davon.

19.08.2022 | 12:15 Uhr von «Ulrich Lohrer»

Im Juli 2022 betrug die Inflationsrate in Deutschland 7,5 Prozent, im Euroraum 8,9 sogar Prozent. Auch wenn der Kaufkraftverlust durch höhere Einkommen – etwa durch Lohnerhöhungen – ausgeglichen werden sollte, müssen die Bürger von ihrem Einkommen bei Kaufkraft mehr Steuern an den Fiskus zahlen. Denn höhere Einkommen führen wegen der Steuerprogression zu höheren Steuersätzen – auch wenn das Einkommen nach Inflation real gleichbleibt. Diese „kalte Progression“ belastet die Bürger, während der Staat von einer Inflation mit Steuermehreinnahmen profitiert.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will nun der Forderung vieler Ökonomen zur Dämpfung der „kalten Progression“ nachkommen und die Steuerzahler ab 2023 um zehn Milliarden Euro pro Jahr entlasten. „48 Millionen Menschen würden vom vorgeschlagenen Ausgleich der kalten Progression begünstigt“, so Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der Referentenentwurf seines Ministeriums zu einem „Inflationsausgleichsgesetz“ sieht eine Anpassung des Einkommensteuertarifs in zwei Schritten vor. Dazu wird der Grundfreibetrag angehoben und die Steuerprogression hin zu höheren Einkommen verschoben (siehe Grafik Kalte Progression abbauen: Steuersätze werden verschoben).

Grafik - Kalte Progression
Grafik - Kalte Progression

© Bundesfinanzministerium

Die schrittweise Anpassung erfolgt 2023 und 2024. Der Grundfreibetrag für Ledige soll von 10.347 Euro (2022) für 2023 auf 10.632 Euro und für 2024 auf 10.932 Euro erhöht werden. Der Grundfreibetrag für Verheiratete ist jeweils doppelt so hoch.

Für den Steuertarif gilt bislang (2022) für ein Einkommen von 10.348 bis 14.926 Euro ein Eingangssteuersatz von 14 Prozent. Der Steuersatz erhöht sich mit steigendem Einkommen durch Progression bis zu dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Einkommen von 58.597 Euro. Nach den Eckpunkten des Referentenentwurfs soll ab 2023 die Steuerprogression erst ab einem Einkommen von 15.786 greifen und ab einem Einkommen von 61.972 den Spitzensteuersatz erreichen. 2024 soll die Progression erst ab 16.189 Euro beginnen und ab 63.515 Euro der Spitzensteuersatz gelten. Auch soll der Kinderfreibetrag 2022 rückwirkend von 2730 Euro auf 2.810 sowie im Jahr 2023 auf 2880 Euro und 2024 auf 2994 Euro erhöht werden. Der Steuersatz von 45 Prozent für die Reichensteuer soll unverändert ab einem Einkommen von 277.826 Euro gelten.

Ob der von Lindner vorgeschlagene Tarifverlauf so beschlossen wird, ist nach Kritik aus Reihen der Regierungskoalition noch unsicher. „Ich sehe nicht, wie wir in dieser Situation vertreten können, dass diejenigen, die weniger Unterstützung brauchen, absolut mehr entlastet werden“, kritisierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er bemängelt an der geplanten Steuerreform, dass der Entlastungsbetrag der Bezieher hoher Einkommen höher als der für die Bezieher niedriger Einkommen ist. Geringverdiener – mit Einkommen unter dem Grundfreibetrag – würden gar nicht entlastet werden. Aus den Reihen der Grünen und SPD werden stattdessen höhere Direktzahlungen an die Bezieher kleiner bis mittlerer Einkommen bevorzugt.

Dies lehnt das Bundesfinanzministerium ab, da Besserverdienende relativ und absolut mehr Steuern tragen und die Reform die kalte Progression dämpfen soll. Schließlich würden Bezieher niedriger Einkommen relativ zu ihrem Einkommen deutlich stärker entlastet (siehe Grafik Niedrige Einkommen werden am stärksten entlastet).

Niedrige Einkommen
Niedrige Einkommen

© Bundesfinanzministerium

Berechnungen des Deutschern Steuerzahlerinstitut vom Bund der Steuerzahler (BdST) bestätigen dies. Die bereits für 2022 beschlossene Anhebung des Grundfreibetrags um drei Prozent habe die Inflationsrate nicht ausgeglichen, der neue vorgeschlagene Tarif würde untere Einkommensbezieher von der Inflation von sieben Prozent aber voll entlasten. „Die Inflationsrate muss im Einkommensteuertarif direkt abgebildet werden!“, fordert jedoch Rainer Holznagel, Präsident des BdSt. Bezieher von Einkommen über dem Grundfreibetrag würden bei einer Inflation von sieben Prozent aber nur zum Teil entlastet. Die Steuerlast von Singles mit einem Monatsbruttolohn von 2000 Euro würde nur um 3,9 Prozent und mit einem Monatsbruttolohn von 8000 Euro nur um 1,7 Prozent sinken.

Immerhin würden auch einige Anleger durch den neuen Tarif entlastet werden. In den Eckpunkten des Referentenentwurfs ist die eine Anhebung des Sparerpauschbetrags zwar noch nicht ersichtlich. Laut dem Koalitionsvertrag ist diese jedoch geplant und soll laut Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke für Ledige im Jahr 2023 von bislang 801 Euro auf 1000 Euro und bei Zusammenveranlagung von 1603 Euro auf 2000 Euro angehoben werden. Bis zu dem Sparerpauschbetrag sind die Kapitalerträge der Anleger von der Einkommensteuer befreit, der über dem Freistellungsauftrag bei der Bank berücksichtigt wird. Lindners Steuerreform kann sich allerdings positiv auf Anleger auswirken, deren Grenzsteuersatz sich durch die Reform unter 25 Prozent verschiebt. Da Kapitalerträge über dem Sparerpauschbetrag automatisch mit der 25-prozentigen Abgeltungssteuer erfasst werden, rechnet sich eine freiwillige Veranlagung der Kapitalerträge über die Steuererklärung für diese Anleger, da sie dann die Differenz zwischen dem Abgeltungssteuersatz und ihrem persönlichen Steuersatz erstattet bekommen.

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