Im Juli 2022 betrug die Inflationsrate in Deutschland 7,5
Prozent, im Euroraum 8,9 sogar Prozent. Auch wenn der Kaufkraftverlust durch
höhere Einkommen – etwa durch Lohnerhöhungen – ausgeglichen werden sollte,
müssen die Bürger von ihrem Einkommen bei Kaufkraft mehr Steuern an den Fiskus
zahlen. Denn höhere Einkommen führen wegen der Steuerprogression zu höheren
Steuersätzen – auch wenn das Einkommen nach Inflation real gleichbleibt. Diese
„kalte Progression“ belastet die Bürger, während der Staat von einer Inflation
mit Steuermehreinnahmen profitiert.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will nun der
Forderung vieler Ökonomen zur Dämpfung der „kalten Progression“ nachkommen und
die Steuerzahler ab 2023 um zehn Milliarden Euro pro Jahr entlasten. „48
Millionen Menschen würden vom vorgeschlagenen Ausgleich der kalten Progression
begünstigt“, so Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der Referentenentwurf
seines Ministeriums zu einem „Inflationsausgleichsgesetz“ sieht eine Anpassung
des Einkommensteuertarifs in zwei Schritten vor. Dazu wird der Grundfreibetrag
angehoben und die Steuerprogression hin zu höheren Einkommen verschoben (siehe
Grafik Kalte Progression abbauen: Steuersätze werden verschoben).
© Bundesfinanzministerium
Die schrittweise Anpassung erfolgt 2023 und 2024. Der
Grundfreibetrag für Ledige soll von 10.347 Euro (2022) für 2023 auf 10.632 Euro
und für 2024 auf 10.932 Euro erhöht werden. Der Grundfreibetrag für
Verheiratete ist jeweils doppelt so hoch.
Für den Steuertarif gilt bislang (2022) für ein Einkommen
von 10.348 bis 14.926 Euro ein Eingangssteuersatz von 14 Prozent. Der
Steuersatz erhöht sich mit steigendem Einkommen durch Progression bis zu dem
Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Einkommen von 58.597 Euro. Nach den
Eckpunkten des Referentenentwurfs soll ab 2023 die Steuerprogression erst ab
einem Einkommen von 15.786 greifen und ab einem Einkommen von 61.972 den
Spitzensteuersatz erreichen. 2024 soll die Progression erst ab 16.189 Euro
beginnen und ab 63.515 Euro der Spitzensteuersatz gelten. Auch soll der
Kinderfreibetrag 2022 rückwirkend von 2730 Euro auf 2.810 sowie im Jahr 2023 auf 2880 Euro und 2024 auf 2994 Euro erhöht
werden. Der Steuersatz von 45 Prozent für die Reichensteuer soll unverändert ab
einem Einkommen von 277.826 Euro gelten.
Ob der von Lindner vorgeschlagene Tarifverlauf so
beschlossen wird, ist nach Kritik aus Reihen der Regierungskoalition noch
unsicher. „Ich sehe nicht, wie wir in dieser Situation vertreten können, dass
diejenigen, die weniger Unterstützung brauchen, absolut mehr entlastet werden“,
kritisierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er bemängelt an
der geplanten Steuerreform, dass der Entlastungsbetrag der Bezieher hoher
Einkommen höher als der für die Bezieher niedriger Einkommen ist.
Geringverdiener – mit Einkommen unter dem Grundfreibetrag – würden gar nicht
entlastet werden. Aus den Reihen der Grünen und SPD werden stattdessen höhere
Direktzahlungen an die Bezieher kleiner bis mittlerer Einkommen bevorzugt.
Dies lehnt das Bundesfinanzministerium ab, da
Besserverdienende relativ und absolut mehr Steuern tragen und die Reform die
kalte Progression dämpfen soll. Schließlich würden Bezieher niedriger Einkommen
relativ zu ihrem Einkommen deutlich stärker entlastet (siehe Grafik Niedrige
Einkommen werden am stärksten entlastet).
© Bundesfinanzministerium
Berechnungen des Deutschern Steuerzahlerinstitut vom Bund
der Steuerzahler (BdST) bestätigen dies. Die bereits für 2022 beschlossene
Anhebung des Grundfreibetrags um drei Prozent habe die Inflationsrate nicht
ausgeglichen, der neue vorgeschlagene Tarif würde untere Einkommensbezieher von
der Inflation von sieben Prozent aber voll entlasten. „Die Inflationsrate muss
im Einkommensteuertarif direkt abgebildet werden!“, fordert jedoch Rainer
Holznagel, Präsident des BdSt. Bezieher von Einkommen über dem Grundfreibetrag
würden bei einer Inflation von sieben Prozent aber nur zum Teil entlastet. Die
Steuerlast von Singles mit einem Monatsbruttolohn von 2000 Euro würde nur um
3,9 Prozent und mit einem Monatsbruttolohn von 8000 Euro nur um 1,7 Prozent
sinken.
Immerhin würden auch einige Anleger durch den neuen Tarif
entlastet werden. In den Eckpunkten des Referentenentwurfs ist die eine
Anhebung des Sparerpauschbetrags zwar noch nicht ersichtlich. Laut dem
Koalitionsvertrag ist diese jedoch geplant und soll laut Antwort der
Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke für
Ledige im Jahr 2023 von bislang 801 Euro auf 1000 Euro und bei
Zusammenveranlagung von 1603 Euro auf 2000 Euro angehoben werden. Bis zu dem
Sparerpauschbetrag sind die Kapitalerträge der Anleger von der Einkommensteuer
befreit, der über dem Freistellungsauftrag bei der Bank berücksichtigt wird.
Lindners Steuerreform kann sich allerdings positiv auf Anleger auswirken, deren
Grenzsteuersatz sich durch die Reform unter 25 Prozent verschiebt. Da
Kapitalerträge über dem Sparerpauschbetrag automatisch mit der 25-prozentigen
Abgeltungssteuer erfasst werden, rechnet sich eine freiwillige Veranlagung der
Kapitalerträge über die Steuererklärung für diese Anleger, da sie dann die
Differenz zwischen dem Abgeltungssteuersatz und ihrem persönlichen Steuersatz
erstattet bekommen.
Diesen Beitrag teilen: