Der Flugverkehr hat einen erheblichen Anteil an den Treibhausgasemissionen. Aber es gibt Bestrebungen, ihn sauberer zu machen.
30.03.2023 | 07:10 Uhr
Stellen Sie sich vor, Sie fliegen fast lautlos und müssen sich keine Gedanken über Ihren CO2-Fussabdruck machen, denn Ihr Flugzeug wird mit Batterie betrieben. Wilde Fantasie? Nicht ganz.
Wenn das fossile Kerosin, mit denen Flugzeuge heute noch fliegen, teilweise oder sogar ganz durch Elektrotriebwerke ersetzt werden kann, sind saubere Flugreisen keine Utopie mehr. Aber so hoffnungsvoll die Branchenexperten auch sind, sie sind sich der Herausforderungen bewusst. Batterien sind immer noch zu gross und zu leistungsschwach, als dass sie die traditionellen Triebwerke ersetzen könnten. Bei Kurzstreckenflügen mag das funktionieren, aber nicht auf längeren Strecken. Auch die Wasserstofftechnologie, wie Brennstoffzellen, steckt noch in den Kinderschuhen.
Ohne Frage ist ein Wandel notwendig. Auf den Luftverkehr entfallen jährlich etwa 1 Milliarde Tonnen CO2-Äquivalente, das sind knapp 2 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen.1 Da die Zahl der Flugzeuge von heute etwa 600.000 auf eine Million bis 2050 steigen dürfte, steht ausser Frage, dass die Branche etwas unternehmen muss, um sauberer zu werden und die UN-Klimaschutzziele zu erreichen.
„Hier sehen wir grosse Chancen“, sagt André Borschberg, Mitbegründer
des Projekts Solar Impulse, dem weltweit ersten Solarflugzeug, und
Mitbegründer des Elektroflugzeug-Startups H55. „Verbrennungstriebwerke
sind ineffizient. Mehr als die Hälfte des nicht für den Antrieb
verwendeten Treibstoffs geht verloren. Triebwerke sind wartungsintensiv.
Im Gegensatz dazu sind Elektrotriebwerke fast 100 Prozent effizient,
erfordern wenig Wartung und unterstützen unterschiedliche
Konfigurationen mit Multi-Engine-Lösungen.“
Ein zentrales Problem ist das Gewicht. Die im Kerosin enthaltene Energie beträgt 12.000 Wattstunden pro Kilogramm gegenüber 250 Wattstunden bei Lithium-Batterien. Es gibt zum Glück aber einige Faktoren, die Elektrotriebwerke attraktiv machen. Herkömmliche Verbrennungstriebwerke sind beispielsweise bei der Umwandlung von Energie in Strom nur ein Drittel so effizient wie elektrische. Sobald also die Wirkungsgrade berücksichtigt werden, sinkt das Verhältnis der Energiedichte erheblich. Und bezieht man dann noch die zukünftige Batterieentwicklung ein, könnte sich der Wert auf 3 zu 1 verringern, so Matheu Parr, Customer Director bei Rolls Royce Electrical, der Elektro-Tochtergesellschaft des Herstellers von Flugzeug-Antriebssystemen. Und sie sind günstiger: Die Energiekosten für batteriebetriebene Flugzeuge waren BloombergNEF zufolge 2022 niedriger als die Kerosinpreise pro Kilowattstunde.
Die Energiedichte von Batterien ist nicht die einzige Herausforderung für die Elektrifizierung der Flugzeugbranche. Elektroflugzeuge müssen auch schnell wiederaufgeladen werden können. Dadurch wird aber das Stromnetz belastet. Um Spitzenlasten bewältigen zu können, sind Umbauten oder Pufferbatterien vor Ort erforderlich. Die Austauschrate bei Flugzeugbatterien wird ebenfalls hoch sein, weil strenge Sicherheitsanforderungen erfüllt werden müssen. Die ausgetauschten Batterien können am Boden für die Energiespeicherung verwendet werden.
Vollelektrisch betriebene Flüge sind nur eine mögliche Lösung. Eine weitere sind Hybrid-Elektrotriebwerke. Diese haben das Potenzial, den Energieverbrauch bei Flugzeugen mit bis zu 50 Sitzplätzen um 30 Prozent zu senken.
In den nächsten zwanzig Jahren sollen zunächst Elektroflugzeuge für kurze Strecken eingesetzt werden. Als nächstes werden Hybrid-Flugzeuge und schliesslich grössere Flugzeuge kommen, so die Prognosen von Borschberg. Der Einstieg mit kleinen Elektroflugzeugen ist sinnvoll, da kritische Daten gesammelt werden können und die Ingenieure sich Wissen aneignen, das sich bei der Entwicklung grösserer Elektroflugzeuge als wertvoll erweisen dürfte.
Eine weitere Lösung ist Wasserstoff. Er kann entweder in Verbrennungsmotoren verbrannt oder in Brennstoffzellen eingesetzt werden, die auch zusätzlich zu vorhandenen Triebwerken eingebaut werden können. An beiden Lösungen muss noch gefeilt werden, aber sind die technischen Hürden erst einmal überwunden, ist der Nutzen umso grösser.
Die Verwendung von flüssigem Wasserstoff sei eine besondere Herausforderung, nicht zuletzt wegen der notwendigen niedrigen Lagertemperaturen, sagt Parr. Ist diese Herausforderung gemeistert, kann Wasserstoff entweder für die Verbrennung verwendet werden, ähnlich wie Kerosin, oder in einer Brennstoffzelle für die Stromerzeugung genutzt werden. Die Verbrennung hat eine hohe Energiedichte, ist aber komplex. Brennstoffzellen sind sauberer, haben aber noch nicht die Leistungsdichte, wie Flugzeuge sie benötigen, fügt er hinzu. Rolls Royce setzt sich mit beiden Lösungen auseinander, wobei letztere sich auf kleinere Flugzeuge konzentriert.
Während Wasserstoff vorerst noch Wunschdenken ist, haben Elektrotriebwerke bereits in die Luftfahrt Einzug gehalten. Borschberg arbeitet zum Beispiel an Projekten, bei denen die für die Pilotenausbildung eingesetzten Flugzeuge elektrisch betrieben sind. Kanadische Wasserflugzeuge, die für bis zu 30-minütige Pendlerflüge in Vancouver eingesetzt werden, haben ebenfalls einen elektrischen Antrieb.
Flugzeuge müssen nicht unbedingt voll elektrisch betrieben werden, um positive Ergebnisse zu erzielen. Beispielsweise können Hybridlösungen die Effizienz von Gastriebwerken um rund 2 bis 4 Prozent steigern. Das mag wenig erscheinen, aber die 15 Prozent der Gasturbinen haben in den letzten 30 Jahren viel in der Branche bewirkt, sagt Parr.
Bis Flugreisen 100% sauber sind, wird es noch eine Weile dauern. Aber die Entwicklung geht ganz klar in die richtige Richtung.
[1] Quelle: Our World in Data. https://ourworldindata.org/emissions-by-sector#:~:text=Latest-data-from-the-World,times-the-share-from-aviation.
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