Pictet AM: Technische Lösungen für intelligentere und klimafreundlichere Gebäude

Ausblick für smartes Bauen April 2024
Technologie

Städteplaner, die die Smart Cities der Zukunft entwickeln, suchen laufend nach technologischen Lösungen, um die Effizienz zu verbessern, Emissionen zu reduzieren und Bauprozesse zu vereinfachen.

26.04.2024 | 12:05 Uhr

Mit einer Höhe von hundert Metern und einer Fläche von 1,7 km2 ist das New Century Global Center in der chinesischen Stadt Chengdu das grösste Gebäude der Welt.

Das gigantische Bauwerk beherbergt Geschäfte, Häuser, Büros, Kinos und Restaurants – ein überragendes Zeugnis des chinesischen Baubooms, der für die Hälfte des weltweiten Verbrauchs von Zement, Stahl und Beton verantwortlich ist.1

Aber China ist nicht der einzige Baulöwe.

Weltweit hat sich der Verbrauch von Baustoffen von 6,7 Mrd. Tonnen im Jahr 2000 auf 17,5 Mrd. Tonnen verdreifacht – dadurch entstehen enorme CO2-Emissionen und ein riesiges Abfallaufkommen während des Lebenszyklus der Gebäude.

„Angesichts dessen, dass der Bausektor für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist, sind die Dematerialisierung und die Ökologisierung der Branche zu einer Priorität geworden“, sagt Carlo Ratti, Gründungspartner von CRA-Carlo Ratti Associati und Leiter des MIT Senseable City Lab.

„Aber um das zu bewerkstelligen, müssen wir auf neue Baumethoden und innovative Technologien setzen.“

Weltweit hat das Produktivitätswachstum in der Bauindustrie in den letzten zwei Jahrzehnten stagniert, im Gegensatz zum verarbeitenden Gewerbe, dessen Effizienz im gleichen Zeitraum um 3,6 Prozent gestiegen ist.2

In der EU entfallen auf den Sektor 8 Prozent des BIP – aber nur 0,8 Prozent der Ausgaben für Forschung und Entwicklung, einen wichtigen Motor für Produktivitätswachstum.

Die Baupraxis hat sich seit Jahrzehnten nicht grundlegend verändert. Sie beruht traditionell auf einfachen Komponenten und einem komplexen Montageprozess auf der Baustelle.

Ein durchschnittliches Gebäude besteht aus über 7.000 verschiedenen Teilen, die zu einem funktionalen Ganzen zusammengebaut werden müssen.

Um die Effizienz zu verbessern und die Umweltauswirkungen zu verringern, muss die Branche Wege finden, um die Bauprozesse zu vereinfachen.

Erfreulicherweise werden immer mehr technologische Lösungen dafür entwickelt.

Neue Technologien

Nehmen wir als Beispiel die Planung.

Hier verspricht neuartige Building Information Modelling (BIM) Software, die Planung, den Entwurf und den Bau grundlegend zu verändern.

BIM nutzt Daten, um eine physische Infrastruktur virtuell darzustellen. Diese Darstellung kann dann in einer offenen Cloud-Plattform modelliert und bearbeitet werden. BIM-Anwendungen erleichtern Bauherren die Einschätzung komplexer Aspekte, z. B. wie viel Zement, Stahl und Holz verwendet werden soll und wie hoch die CO2-Emissionen und das Abfallaufkommen sind.

Computer Numeric Control (CNC) ist eine weitere nützliche Technologie, die bestimmte Bauprozesse automatisiert. Mithilfe der Daten eines digitalen Zwillings – eines digitalen Abbilds eines physischen Objekts – können mit CNC Maschinen so programmiert werden, dass mit Fräs-, Dreh-, Bohr- und Schleifwerkzeugen sowie mit Wasserstrahl und Laser Komponenten in Serie produziert werden können.

Supply Chain Management (SCM) Tools können mit digitalen Zwillingen interagieren, um die Produktion, Lieferung und Installation von Komponenten zu automatisieren. SCM kann auch den Lagerungs- und Montageaufwand vor Ort minimieren, da Materialien in optimierten Flatpacks just-in-time geliefert werden.

Augmented Reality (AR) kann zur Optimierung der Montage vor Ort genutzt werden. Die Technologie kann den Bauarbeitern vor Ort wichtige Echtzeit-Anleitungen und technische Remote-Unterstützung für die Installation geben.

Mithilfe von AR können unerfahrene Arbeiter Konstruktionsdaten schneller verstehen. Eine Studie hat gezeigt, dass AR die Zeit, die für das Verständnis von Konstruktionsdaten benötigt wird, halbiert. Eine andere Untersuchung hat gezeigt, dass ein AR-basierter Ansatz den Entscheidungsprozess um 77 Prozent verkürzen und die Effizienz bei der Entscheidung für das Plattenmaterial verbessern kann.3

Baustoffe 2.0

Doch selbst wenn neue Baumethoden angewendet würden, würden diese Bemühungen wenig bringen, wenn die Branche weiterhin grosse Mengen an umweltschädlichem Zement und Stahl verwendet.

Diese Materialien machen etwa 85 Prozent des gesamten eingebetteten CO2 eines typischen Gebäudes aus – Emissionen, die während der Bauphase entstehen und die Gewinnung der Rohstoffe, die Herstellung, den Transport, die Installation und die Abfallentsorgung berücksichtigen.4

Beton belastet die Umwelt besonders stark. Er ist der am häufigsten verwendete, vom Mensch hergestellte Baustoff der Welt und aufgrund seines CO2-Fussabdrucks vielleicht auch der schädlichste – die Zementindustrie ist für 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Darüber hinaus ist es schwierig, Beton in grossen Mengen in einer Fabrik herzustellen. Traditionell wird er vor Ort in Formen gegossen und braucht dann Zeit zum Aushärten.

In den letzten Jahren haben die Unternehmen jedoch mit neuen Methoden experimentiert, um Beton effizienter und umweltfreundlicher zu machen.

Das in Singapur ansässige Unternehmen Precast Concrete zum Beispiel stellt Betonfertigteile her, die den Bauprozess beschleunigen.

Andere Firmen verwenden chemische Zusätze, um den Herstellungsprozess energieeffizienter zu gestalten und Beton mit längerer Lebensdauer zu produzieren. Das Schweizer Chemieunternehmen Sika hat eine Technologie entwickelt, mit der Beton von Gebäudeabrissen in einem innovativen Verfahren recycelt werden kann, das eine hohe Menge an CO2 bindet.

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Auch an der Dekarbonisierung von Stahl wird gearbeitet.

Stahl ist mit CNC-Fertigungssystemen kompatibel, da sich das Material für die Herstellung hochgradig individualisierter Teile eignet. Es ist aber auch ein sehr energieintensiver Werkstoff, der häufig in umweltschädlichen Hochöfen verarbeitet werden muss. Mittlerweile gibt es Startups, die CO2-neutralen Stahl herstellen, der auf grünen Alternativen zu Kraftwerkskohle, erneuerbaren Energien und Systemen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung basiert.

Moderne und klimafreundlichere Hochöfen, insbesondere solche, die mit Wasserstoff befeuert werden, reduzieren die CO2-Intensität der Stahlproduktion auf weniger als 0,2 t CO2 pro Tonne Stahl; der globale Durchschnitt bei den heutigen saubersten Technologien liegt bei 1,8 t CO2.

Das allerdings wird nicht billig sein – über einen Zeitraum von 20 Jahren wird dieser Stahl 20–25 Prozent teurer sein als herkömmlicher Stahl.5

Eine weitere klimafreundliche Alternative zu Stahl ist Holz.

Holz hat alle Eigenschaften, die einen nachhaltigen Baustoff ausmachen. Aufgrund seiner Langlebigkeit wird Holz seit Jahrhunderten überall auf der Welt zum Bauen verwendet. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil dieses Baustoffs jedoch zurückgegangen, weil man mehr auf Beton und Stahl gesetzt hat, die als langlebiger und verrottungsbeständiger gelten und leichter in Massen zu produzieren sind.

Doch jetzt erlebt Holz dank einer neuen Technologiegeneration ein Revival. Einer der vielversprechendsten Werkstoffe ist Kreuzlagenholz, bei dem kreuzweise angeordnete Brettlagen miteinander verleimt werden. Dieser Werkstoff ist ein CO2-armes Material, das genauso stabil wie Beton ist, dafür aber fünfmal leichter.6

„Er eignet sich hervorragend für die komplexe Produktion in der Fabrik und die einfache Montage vor Ort“, sagt Ratti. „Heute wird Holz aufgrund technologischer Fortschritte und günstigerer Vorschriften in allen Arten von Bauten verwendet – vom Bürokomplex bis hin zum Hochhaus.

Die Verwendung von Kreuzlagenholz und Brettschichtholz – einer weiteren Holzwerkstoffart – als Alternative zu Baustahl und Betonplatten führt zu einer weiteren Verringerung des eingebetteten CO2, das beim Bau entsteht. Fortschritten wie Kreuzlagenholz ist es zu verdanken, dass Holz als Baustoff immer beliebter wird. In den USA zum Beispiel verdoppelt sich die Zahl der Massivholzbauten alle zwei Jahre.

Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts dürften es mindestens 24.000 sein – und dann würde der Bausektor mehr CO2 speichern als ausstossen.7

"Kreuzlagenholz wird heute in allen Arten von Bauten verwendet – vom Bürokomplex bis hin zum Hochhaus."

Die Zukunft des Bauens

Um die Netto-Null zu erreichen, braucht die Welt eine schlankere, nachhaltigere Bauindustrie. Neue Technologien wie BIM und CNC sowie eine Fülle alternativer Baustoffe können dabei helfen.


[1] Huang., B. et al. (2020) A Life Cycle Thinking Framework to Mitigate the Environmental Impact of Building Materials
[2] Untersuchungen von McKinsey
[3] Xu et al. (2022) A Review of Using Augmented Reality to Improve Construction Productivity
[4] Modelliert anhand eines typischen achtstöckigen Bürogebäudes. Quelle: McKinsey
[5] https://www.mckinsey.com/capabilities/sustainability/our-insights/net-zero-steel-in-building-and-construction-the-way-forward
[6] College of Natural Resources
[7] North American Mass Timber Report: 2020 State of the Industry


Einblicke für Investoren

Von Ivo Weinöhrl, Senior Investment Manager, Themenaktien, Pictet Asset Management

Die Urbanisierung ist einer der stärksten Megatrends des 21. Jahrhunderts und wird enorme Investitionen in allen Bereichen der Stadtentwicklung auslösen. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Welt ihre Anstrengungen zur Dekarbonisierung beschleunigen wird, insbesondere im Bausektor, der bis zu 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht.

Nach unserer Einschätzung werden innovative Produkte und Dienstleistungen, die einen positiven Beitrag zu nachhaltigeren und effizienteren Gebäudelösungen leisten, im Zuge des technologischen Fortschritts sehr schnell wachsen. Die IEA geht davon aus, dass die jährlichen Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden im Netto-Null-Szenario von 244 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023 auf 537 Mrd. US-Dollar im Zeitraum 2026–2030 steigen werden.

Von Planungs- und Konstruktionssoftware bis hin zu energieeffizienteren Lösungen wie Isolierung, HLK/Heizung und vernetzten Systemen – wir sind bestrebt, attraktive Investitionen zu tätigen und ein nachhaltiges, langfristiges Wachstum zu erzielen, das durch die Megatrends Urbanisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung gestützt wird.


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