Tim Winstone, Co-Manager der Euro Corporate Bond Strategie, merkt an, dass die Geldpolitik eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Renditen für europäische Investment-Grade-Anleihen im Jahr 2018 spielen wird. Die Finanzwerte dürften besser abschneiden als die meisten Nicht-Finanzwerte.
05.12.2017 | 14:10 Uhr
Welche Erkenntnisse haben Sie in diesem Jahr gewonnen?
Meine größte Erkenntnis ist die, dass die Spreads noch enger werden können, auch wenn sie schon ziemlich eng sind.
Die technischen Marktbedingungen, also das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, waren 2017 so unglaublich günstig, dass die Bewertungen dahinter zurücktraten. Der Anlageklasse ist reichlich Kapital zugeflossen, das Angebot war hoch, aber überschaubar und die Zentralbank hat in großem Stil Unternehmensanleihen erworben. Kombiniert man diese überaus günstige Marktdynamik mit den soliden zugrunde liegenden Fundamentaldaten, hat man alle Zutaten, die es braucht, damit europäische Unternehmensanleihen mit Investment Grade (EUR IG) die Erwartungen vieler übertreffen. Solange diese positiven technischen Faktoren anhalten, werden wir wohl übergewichtet bleiben, diese Position jedoch in einer starken Phase versuchen zu verkleinern. Wir wollen sicherstellen, dass wir nicht selbstgefällig werden und flexibel bleiben, damit wir etwaige Schwächephasen nutzen können.
Welche zentralen Themen werden die Märkte, in die Sie investieren, 2018 vermutlich maßgeblich beeinflussen und wie wirkt sich das auf die Positionierung Ihres Portfolios aus?
Wichtigster Treiber der europäischen IG-Unternehmensanleihenmärkte dürfte 2018 die Politik der Zentralbank sein.Ähnlich wie in diesem Jahr dürften die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ihrem quantitativen Lockerungsprogramm – und vor allem ihrem Programm zum Ankauf von Unternehmensanleihen – im EUR-IG-Segment die Richtung bestimmen. Bis mindestens September 2018 wird die EZB weiter am Markt als Käuferin auftreten. Entscheidend wird indes sein, wie ihre Pläne für die Zeit danach aussehen.Aufschluss könnten die künftigen Wirtschaftsdaten geben, die wir daher genau beobachten.
Auch die Geopolitik bleibt ein wichtiger Faktor. Beim Brexit und der Wahl Trumps in 2016 konnten wir beobachten, dass rechtsgerichtete Kandidaten bzw. Parteien Morgenluft wittern. Auch in Österreich, Italien und in Katalonien, wo die Menschen zuletzt vehement Unabhängigkeit forderten. Die Rückkehr der Nationalisten gilt es, längerfristig im Auge zu behalten. Gegenwärtig machen sie jedoch vor allem Lärm, statt strukturelle Veränderungen anzustoßen.
Wo sehen Sie in Ihrer Anlageklasse derzeit die größten Risiken und die attraktivsten Anlagechancen?
Das größte Risiko für EUR IG sehe ich schlicht in den hohen Bewertungen.Das neue Jahr werden wir vermutlich auf oder unweit so enger Spread-Niveaus und niedriger Renditen beginnen wie seit Jahren nicht mehr. Folglich könnte das Aufwärtspotenzial begrenzt sein. Da braucht es nur eine leichte Spread-Weitung, um mögliche Erträge zunichte zu machen. Negative Gesamtrenditen halten wir für eine realistische Möglichkeit, wenn Wachstum und Inflation in Europa weiter anziehen.
Nichtsdestotrotz bleiben EUR-IG-Anleihen meines Erachtens das von technischen Faktoren am besten gestützte und defensivste Segment unter den globalen Unternehmensanleihen, das den Markt hinter sich lassen dürfte, wenn es zu einer breiteren Verkaufswelle an den globalen Kreditmärkten kommen sollte.
In den letzten sechs Monaten hat das titelspezifische Risiko zugenommen. Steinhoff, Syngenta und Teva haben uns daran erinnert, was passiert, wenn es anders kommt als geplant. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, und für Anleger ist es entscheidend, dann auf der richtigen Seite zu sein. Mit unserem erfahrenen globalen Credit Research Team sind wir für solche Eventualitäten gut gerüstet. Wir engagieren uns weiter bei den vom Team identifizierten aussichtsreichen, Bottom-up-Chancen: Zu unseren aktuellen Favoriten gehören Telecom Italia, Swedish REIT Balder und Royal Bank of Scotland. Größere Untergewichtungen bestehen momentan u.a. bei Teva, Daimler und Engie.
In diesem Jahr haben wir Finanzanleihen den Vorzug gegeben und werden uns wohl auch 2018 zunächst so positionieren.Besonders attraktiv finden wir nachrangige Altanleihen von Qualitätsbanken, aber vereinzelt auch Emissionen aus anderen Bereichen der Kapitalstruktur.Im Vergleich halten wir das Wertpotenzial, das der Immobiliensektor bietet, immer noch für interessant und finden dort auch weiterhin zahlreiche Anlagechancen, zumal am Primärmarkt.
Diesen Beitrag teilen: