Die Spreads haben sich von historisch niedrigem Niveau aus direkt auf ein rezessionstypisches Ausmaß ausgeweitet. Es ist an der Zeit, wieder zu kaufen.
26.03.2020 | 07:30 Uhr
Was ein einziges Quartal ausmachen kann: „Im Dezember war eine sich ausweitende Blase am Aktienmarkt zu beobachten sowie eine anhaltende Renditesuche bei Unternehmensanleihen“, sagt Victor Verberk, Co-Head des Robeco Credit-Teams. „Nunmehr stehen wir mit Gewissheit vor einer gravierenden globalen Rezession, es hat ein Börsencrash stattgefunden und die Spreads haben sich von historischen Tiefs auf ein rezessionstypisches Niveau ausgeweitet.“
Im neuesten Credit Quarterly Outlook von Robeco formuliert er es so: „Die Welt ist jetzt mit einem gemeinsamen Feind konfrontiert. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um das Virus zu besiegen und einen ausgeprägten wirtschaftlichen Abschwung zu vermeiden. Geld- und Fiskalpolitik werden den privaten Sektor stützen. Die Regierungen und die Banken werden zusammenarbeiten müssen, um die Folgen einzudämmen.“
Die nächste Zeit wird in wirtschaftlicher Hinsicht herausfordernd. Angesichts des Einbruchs der Kurse bemühen sich viele Marktteilnehmer um Liquidität und ziehen Kapital ab. Victor Verberk sagt aber auch, dass die Marktteilnehmer nach Ansicht des Credits-Team von Robeco versuchen werden, über die Anreizmaßnahmen und die Stabilisierung der Zahl der Coronavirus-Infektionen hinaus in die Zukunft zu schauen.
Quelle: Robeco, March 2020
Der längste Wirtschaftsaufschwung der Geschichte ist abrupt zu Ende gegangen. Nicht das Ende der Expansion für sich genommen kommt überraschend, sondern die Art des exogenen Schocks sowie die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Abschwungs. „Derzeit wird Geschichte gemacht. Auch wenn das Coronavirus der unmittelbare Auslöser ist, sind die derzeitigen Entwicklungen nicht nur darauf zurückzuführen. Sie haben tiefreichende langfristige und zyklische Wurzeln.“
Sander Bus, Co-Head des Credit-Teams von Robeco erläutert, wie es zur
jetzigen Situation gekommen ist: „Wir haben den
Verschuldungs-Superzyklus bereits in früheren Ausgaben des Credit
Quarterly Outlook erörtert. Zahlreiche globale Ungleichgewichte wie zum
Beispiel der Anstieg der Verschuldung des privaten Sektors in China von
nur 4,5 Billionen US-Dollar vor der globalen Finanzkrise auf nunmehr 30
Billionen Dollar haben sich über viele Jahre aufgebaut. Mit einem
Defizit von elf Billionen US-Dollar ist die internationale
Vermögensbilanz der USA fünfmal extremer als vor der globalen
Finanzkrise. Die soziale Ungleichheit ist auf ein Niveau gestiegen wie
zuletzt in den 1920er Jahren.“
Während dieser Expansionsphase bauten sich Ungleichgewichte auf, die das Ergebnis von elf Jahren Risikoakkumulation waren. „Die Geldpolitik, die zeitweilig zu locker war (zum Beispiel 2014-2017) hat eine Blase am Aktienmarkt befeuert und zur Verschlechterung der Kreditvergabestandards geführt. Zahlreiche offene Volkswirtschaften wie zum Beispiel Deutschland und Japan entwickelten sich bereits vor 2020 schwächer, beeinträchtigt durch Merkantilismus und handelsbezogene Spannungen.“
Diese ungewöhnliche Kombination aus Marktexzessen und einer fragilen Realwirtschaft hat sowohl die Volkswirtschaften als auch die Finanzmärkte anfällig für einen negativen Schock gemacht. Niemand weiß vorab, welche exogene Schocks und unmittelbaren Auslöser zu einem Crash führen werden. Wäre das der Fall, wäre dies in den Kursen berücksichtigt und es würde zu keinem Crash kommen.
„Diesmal gibt es keinen Zweifel an dem unmittelbaren Auslöser“, so
Sander Bus. „Eine weltweite Rezession ist mittlerweile unvermeidlich und
könnte so schwer ausfallen wie während der globalen Finanzkrise, als
das BIP der USA auf Jahressicht um fast 4 % schrumpfte. Die
Credit-Spreads unterstellen bereits eine ausgeprägte Rezession.“
Im derzeitigen Bärenmarkt vollziehen sich die Entwicklungen schneller – das gilt auch für die Reaktion der Geld- und Fiskalpolitik. Jamie Stuttard, Credit Strategist von Robeco, ist der Ansicht, dass man aus den Erfahrungen des Jahres 2008 gelernt hat und offensichtlich auf ein rascheres und weitergehendes Vorgehen vorbereitet ist. „Es wird zu einem Risikotransfer aus dem privaten Sektor in den öffentlichen Sektor kommen, der zu enormen Haushaltsdefiziten führen wird. Diese werden von den Notenbanken durch verstärkte Anleihenkäufe finanziert. Eine solche Risikoübernahme durch den öffentlichen Sektor ist das, was die Krise im Jahr 2008 zum Stillstand gebracht hat, und ist erneut erforderlich.“
Er hebt hervor, dass die Kosten enorm sein werden, sodass sich auf lange Sicht die Frage stellt: wer wird die Rechnung am Ende zahlen? „Werden die Kosten beim öffentlichen Sektor verbleiben und in den kommenden Jahren eine spezielle „Corona-Steuer“ nach sich ziehen oder wird der private Sektor die Last tragen?“
Jamie Stuttard rechnet damit, dass dies je nach Land unterschiedlich
sein wird – je nach Bereitschaft der Regierungen, Insolvenzen der
anfälligsten Unternehmen hinzunehmen oder zu vermeiden.
Es ist nach wie vor ungewiss, wann die Weltwirtschaft wieder in Gang kommt. Nach wie vor breitet sich das Coronavirus mit hohem Tempo aus und wir haben den Höhepunkt noch nicht hinter uns. Solange kein Ende der Ausbreitung des Virus in Sicht ist, werden die Märkte wahrscheinlich extrem volatil bleiben, sagt Victor Verberk. „Dessen ungeachtet werden die Marktteilnehmer versuchen, über die derzeitige Misere hinauszublicken und allmählich die angemessene Risikoprämie für das Coronavirus einpreisen.“
Die fundamentale Situation ist kurzgefasst zweifellos schwach. „Eine
ausgeprägte Rezession und ein hohes Maß an Unsicherheit werden uns noch
eine Weile begleiten. Offensichtlich befinden wir uns in der Phase von
Angst und Schrecken. Was die Gegenmaßnahmen zur Abmilderung der Krise
angeht, kann man mit fiskalpolitischen Stützungspaketen in einem Volumen
von 1 Billion US-Dollar in jeder größeren Wirtschaftsregion rechnen“,
so Verberk.
Im Hinblick auf die Positionierung sagt er: „Wir sind nicht nur für unseren konservativen Investmentstile bekannt, sondern auch für unseren bewertungsbasierten antizyklischen Ansatz. Aus unserer Sicht sollte man das Risiko reduzieren, wenn der Himmel noch blau ist, und neues Risiko eingehen, wenn der Sturm begonnen hat und die Märkte in Panik sind. Außerdem glauben wir, dass wir den Punkt erreicht haben, an dem man die Untergewichtung an den Hochzinsmärkten reduzieren und eine Long-Position im Investment Grade-Segment eingehen sollte. Auf diesen großen Ausverkauf haben wir gewartet – und das seit Jahren. Wir empfehlen Kunden mit strategischem Horizont, ebenfalls antizyklisch vorzugehen und wieder Risiko aufzubauen.“
Victor Verberk gesteht ein, dass sein Ansatz möglicherweise nicht
intuitiv erscheint. „Kurzfristig scheint alles auf eine ausgeprägte
Rezession und einer negativen Marktentwicklung über einige Quartale
hinzudeuten. Uns ist bewusst, dass die jetzige Situation als denkbar
ungünstig zum Aufbau von Risikopositionen erscheinen mag. Aber für
gewöhnlich ist dies der beste Zeitpunkt.
„Wir befinden uns jetzt am Ende das bisherigen Zyklus. Doch dieser trägt bereits die Saat eines neuen Zyklus in sich.“
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