Bellevue: Ägypten - Regierung treibt Strukturreformen voran

Nachdem die Behörden ein Jahr lang die Symptome bekämpft haben, anstatt die wahren wirtschaftlichen Probleme zu kurieren, dreht sich in Ägypten nun alles um die Einbeziehung des IWF. Unsere jüngsten Treffen mit dem Finanzminister des Landes, Amr El-Garhy, und Vertretern zahlreicher Unternehmen dienten dazu, uns ein Bild über die derzeitige Lage und künftige Szenarien zu machen.

20.10.2016 | 14:58 Uhr

Wir nahmen eine grosse Entschlossenheit wahr, die Strukturreformen voranzutreiben. Unternehmen stellen sich bereits auf die neue wirtschaftliche Realität ein, vor allem auf einen deutlich schwächeren Wechselkurs. Alles in allem sind die kurzfristigen Risiken für einen durch wirtschaftliche Veränderungen verursachten Schock gestiegen, aber sollte das Land die makroökonomischen Turbulenzen erfolgreich überstehen, würde es zu einem der interessantesten Investitionsstandorte im Schwellenländerbereich avancieren.

Finanzminister El-Garhy äusserte sich offen zur wirtschaftlichen Lageseines Landes: Die aktuellen Schwierigkeiten sind das Ergebnis jahrelangerReformverzögerungen und einer seit Ausbruch der Revolutionim Jahre 2011 kurzsichtigen Politik. Der Minister wies mehrmals daraufhin, dass Präsident Sisi um diese Probleme weiss und gewillt ist, einumfassendes Reformprogramm zu implementieren ungeachtet derpolitischen Herausforderungen, die mit entsprechenden Massnahmenverbunden sind.

Beachtliche Fortschritte wurden im Energiebereich erzielt. So wurdenSubventionen kontinuierlich gekürzt, und neue Projekte zur Gasförderungund Stromerzeugung dürften 2017/2018 Früchte tragen. Auch ander Infrastrukturfront tut sich einiges. Es wurden bereits 5000 kmneue Strassen gebaut, der Bau weiterer 7000 km ist geplant. Auffiskalpolitischer Seite ist die Verabschiedung des neuen Mehrwertsteuergesetzesmit Verbesserungen bei der Steuererhebung zu erwähnen,das mehr Geld in die Staatskassen spült, während das neueGesetz zur Reform des öffentlichen Dienstes den Anstieg der Personalaufwendungenbegrenzt. Die Regierung möchte die Privatwirtschaftstärker in Entwicklung des Industriesektors einbeziehen mit dem Ziel,Importe zu ersetzen und Exporte anzukurbeln. China, Russland undIndien zeigen Interesse an der Industriezone, die im Bereich des Suez-Kanals entsteht.

Als Gründe für die zögerliche Umsetzung einiger Reformen undGesetze führt der Minister folgende Faktoren auf: die starke Fluktuationan Ministern, die Angst vor politischer Instabilität und Wahlen, dieablehnende Haltung einiger früherer Regierungsmitglieder gegenüberVeränderungen und der Wunsch nach parlamentarischer Zustimmungfür neue Gesetze anstelle von Präsidentendekreten. Es bestehtHandlungsbedarf, denn je mehr Zeit verstreicht, desto schwierigerwird die Lage. Das gilt vor allem an der Devisenfront, die unter demderzeitigen Status quo leidet, worüber sich Ägyptens Notenbankdurchaus im Klaren ist. Abschliessend äusserte der Minister seineZuversicht, dass das IWF-Programm gebilligt wird, da das Land Erfolgebei der Zusage zusätzlicher Kredite weiterer Geber vorweisen kann.

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