Dem chinesischen Führungsduo steht eine Mammutaufgabe bevor

Kommentar von Virginie Maisonneuve, Leiterin globale und internationale Aktien bei Schroders

05.08.2013 | 11:27 Uhr

Sie haben viele Anleger enttäuscht, manche sogar verunsichert: die zweiten Quartalszahlen des Jahres zu Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Mit einem Wachstum von 7,5 Prozent entsprach das Ergebnis zwar den Vorhersagen, doch die Wachstumsrate verlangsamt sich merklich. Virginie Maisonneuve, Leiterin für globale und internationale Aktien beim britischen Vermögensverwalter Schroders, kritisiert die vorschnellen Warnungen vieler Kommentatoren jedoch: „Chinas Wirtschaft befindet sich in einer Transformationsphase. Viel wichtiger als kurzfristige makroökonomische Daten ist jetzt der Erfolg der strukturellen Veränderungen, deren Grundstein zurzeit gelegt wird.“

China ist in den vergangenen Jahren exorbitant gewachsen. 1980 belegte das Land noch Platz 13 der größten Volkswirtschaften weltweit, heute ist es auf Platz 2 vorgerückt. Doch nun müsse die nächste Entwicklungsphase eingeleitet werden, sagt die Expertin von Schroders. Ein Fokus auf kurzfristige makroökonomische Daten würde nur von diesen wichtigen Veränderungen ablenken.

Wie wichtig ein Umdenken ist, zeige der Konsumanteil an Chinas BIP, der zurzeit bei nur 40 Prozent liegt. In den USA macht der Konsum über 70 Prozent aus und auch im Schwellenland Indien sorgt er für 55 Prozent des nationalen BIPs. „China versucht bereits seit einiger Zeit, den Binnenkonsum zu einem der Hauptwachstumstreiber zu machen. Doch dann mussten 2009 Notfallmaßnahmen eingeleitet werden, um einen starken Abschwung inmitten der Finanzkrise zu vermeiden“, erklärt Maisonneuve. Diese Maßnahmen seien viel diskutiert worden und hätten vor allem zu einem starken Liquiditätsüberschuss und einer Fehlallokation von Kapital geführt – ein Grund für den Schattenbank-Sektor in China.

Für Virginie Maisonneuve steht nun das neue chinesische Führungsduo im Fokus, das mit dem Übergang Chinas in die neue Phase eine Mammutaufgabe zu bewältigen hat: „Präsiden Xi Jinping und Premier Li Keqiang sind sehr darauf fokussiert, eine starke Basis zu schaffen, damit das Land erfolgreich durch den Reifeprozess der nächsten zehn Jahre steuern kann. Mit ihren Kernreformen adressieren sie vor allem die strukturellen Schwächen des Landes. „Damit stehen vor allem Dinge wie eine Finanzreform, das Schattenbankensystem, eine verbesserte Allokation des Kapitals – etwa hin zu kleinen und mittelständischen Firmen – staatliche Unternehmen und Umweltthemen im Mittelpunkt der Reformen. Darüber hinaus ist wichtig, dass Premier Li bestätigt hat, dass die makroökonomischen Maßnahmen auf Wachstumsstabilität abzielen. Während die makroökomischen Maßnahmen antizyklisch sein sollten, sollten die Reformen die strukturellen Schwächen Chinas adressieren, damit das Land mittelfristig auf einem guten Weg ist“, sagt Maisonneuve.

Doch wie bei allen wichtigen Transformationsprozessen würden nicht alle Parteien die notwendigen Maßnahmen willkommen heißen, weshalb mit leichten Verzögerungen bei der Umsetzung zu rechnen sei. „Letztendlich sind die Maßnahmen jedoch zwingend nötig, damit China ein nachhaltiges Wachstum erzielen kann, was der Zukunft des Landes zu Gute kommt“, macht Maisonneuve deutlich. Idealerweise sollten bis zum Parteikongress im Herbst erste Eckpfeiler bereits umgesetzt sein, so dass das chinesische Führungsduo dann bereits weitere Details bekannt geben könnte, wie es das Wachstum langfristig stabilisieren will.

Negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft?
Im ersten Moment erscheint es logisch: Ein schwächeres Wachstum in China wird negative Auswirkungen für die Weltwirtschaft haben. Chinas Größe, das demografische Profil des Landes und sein langsamer Reifeprozess sprechen dafür. Doch laut Maissonneuve wird das nicht der Fall sein: „Das Wachstum in China schwächt sich nur sanft ab. In den Boom-Jahren lag das BIP-Wachstum zwischen zehn und zwölf Prozent, heute liegt es auf einem Niveau zwischen sieben und acht Prozent. Für 2017 gehen wir noch immer von sechs Prozent BIP-Wachstum aus. Da Chinas Anteil an der Weltwirtschaft immer weiter zunimmt, liegt selbst dieses leicht abgeschwächte Wachstum deutlich über dem der restlichen Welt. Deshalb wird China auch mit niedrigeren Wachstumsraten ein Motor für die Weltwirtschaft bleiben“, ist Maisonneuve überzeugt.

Zudem sollten Anleger das Timing bedenken: Die Weltwirtschaft stabilisiere sich, die US-Wirtschaft erhole sich zunehmend. Chinas Transformationsprozess und ein langsameres Wachstum könnten jetzt gut verarbeitet werden. Außerdem würden sich auch Japans Bemühungen um strukturelle Anpassungen positiv auf das globale Wachstum auswirken. „Zwischen Japan und China herrscht Rivalität. Wahrscheinlich würde eine wiedererstarkte japanische Wirtschaft indirekt für einen zusätzlichen Ansporn in China sorgen, Reformen zügig umzusetzen“, vermutet Maisonneuve.

„Was niemand möchte, ist ein plötzlicher Schock der chinesischen Wirtschaft, nur weil die Schwächen nicht angegangen wurden“, sagt Maisonneuve. Deshalb rät sie Anlegern, die kurzfristigen Daten beiseite zu packen und sich stattdessen auf die wichtigen Veränderungen zu konzentrieren.

Die Pressemitteilung im pdf-Dokument.

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