In den großen Volkswirtschaften öffnet sich eine Schere zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Inflation und etlichen Inflationsindikatoren. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Inflation nicht in den Preisen niederschlage, sondern in einer Rationierung von Gütern und Dienstleistungen.
04.05.2018 | 15:59 Uhr
Die Inflation ist in nahezu allen Wirtschaftsregionen immer noch ungewöhnlich niedrig. In der Eurozone fiel die Kerninflationsrate im April auf nur 0,7 %. Auch in den USA bewegt sich die Inflation (Donnerstag) bisher eher seitwärts, ohne dass ein steigender Trend erkennbar wäre. Einzelne Frühindikatoren signalisieren sogar, dass die monatliche Veränderungsrate von Inflation und Kerninflation im April geringer ausfallen könnte als von den Finanzmarktakteuren erwartet. Damit dürfte sich eine Schere zwischen der tatsächlichen Inflationsentwicklung und vielen Inflationsindikatoren öffnen. So stieg die Preiskomponente des ISM-Index im April auf knapp 80, was eigentlich mit einer Inflationsrate von 4,0 % im Einklang steht.
Damit stellt sich einmal mehr die Frage, ob die Inflation noch richtig gemessen wird. Die Erzeugerpreisinflation (Freitag) in den USA zeigt nämlich einen klaren Aufwärtstrend von -1,4 % im Oktober 2015 auf 3,0 % im März 2018. Es werden nämlich nur die Qualitätsverbesserungen von Produkten in den Konsumentenpreisindizes berücksichtigt, während Qualitätsverschlechterungen unberücksichtigt bleiben. Unternehmen ändern beispielsweise immer wieder die Inhaltsstoffe ihrer Produkte, was zu einer versteckten Form der Inflation führen kann. In Japan wurde jetzt ein erster Schritt unternommen, um das Thema „Produktqualität und Inflation“ anzugehen. Eine Umfrage des japanischen Instituts für politische Studien RIETI zeigte, dass die Bevölkerung eine deutliche Verschlechterung der Dienstleistungsqualität in vielen Branchen aufgrund der Arbeitskräfteknappheit wahrnimmt: Das sehen 33 % der Befragten für die Postdienste, knapp 20 % für die Versorgung im Krankenhaus, und mehr als 18 % für das Gaststättengewerbe.
Offensichtlich schlägt sich die Inflation nicht in den Preisen nieder, sondern in einer Rationierung von Gütern und Dienstleistungen. Leider gibt es noch keine Studien, die diesen Effekt im Detail untersucht haben. Vielleicht wäre ein erster Schritt – im Sinne der Symmetrie –, auf die Berücksichtigung von Qualitätsverbesserungen im Konsumentenpreisindex zu verzichten.
Eurozone: Daten der Realwirtschaft erholen sich
Nicht nur die Geschäftsklimaindizes in der Eurozone tendierten in den vergangenen Monaten nach unten – die realwirtschaftlichen Daten entwickelten sich noch deutlich schwächer. Die Stabilisierung der Geschäftsklimaindizes spricht allerdings dafür, dass sich die realwirtschaftlichen Daten wieder erholen könnten: Das dürften die Auftragseingänge in Deutschland (Montag) zeigen, ebenso die deutsche Industrieproduktion (Dienstag) sowie die französische (Mittwoch) und die italienische Industrieproduktion (Donnerstag). Damit sollte auch das Vertrauen in die Stabilität des Aufschwungs in der Eurozone wieder steigen.
Großbritannien und China
Die zuletzt schwachen Konjunkturdaten zur Industrieproduktion (Donnerstag) und eine tendenziell fallende Inflationsrate haben die Erwartungen einer Leitzinserhöhung merklich gedämpft. Die Bank von England (Donnerstag) dürfte daher eine abwartende Haltung einnehmen. In China richtet sich dagegen der Fokus auf die Inflationsdaten (Donnerstag).
Der komplette Marktausblick von Edgar Walk als PDF-Dokument.
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