Die Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China könnte weltweit die Investitionsvorhaben belasten und damit den Aufschwung der Weltwirtschaft in Gefahr bringen – so Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler AM.
17.05.2019 | 14:29 Uhr
Im November 2017 war die Welt in Deutschland noch in Ordnung, mit ifo-Geschäftserwartungen im verarbeitenden Gewerbe von 21,5 und damit nahe historischen Höchstständen. In den darauffolgenden Monaten setzte jedoch eine dramatische Trendwende ein, und die Geschäftserwartungen sanken im April 2019 bis auf -13,5 – ein Wert, der normalerweise in Rezessionsphasen oder Krisen erreicht wird.
Deutschland:
Geschäftserwartungen des verarbeitenden Gewerbes auf Rezessionsniveau
ifo
Index: Geschäftserwartungen des verarbeitenden Gewerbes (Saldo der Befragten)
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: April 2019
Mehrere Gründe scheinen hierfür maßgeblich zu sein. Die Konjunkturschwäche in China, der Brexit und die Krise in der Türkei belasteten den deutschen Export direkt. Indirekt belasteten die Unsicherheiten über den Handelskonflikt zwischen den USA und China die deutsche Industrie, da Unternehmen weltweit auf die hohe Unsicherheit reagierten und ihre Investitionsvorhaben merklich kürzten. Die jüngste Eskalation des Handelskonflikts droht vor diesem Hintergrund, die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen weiter einzutrüben: den ifo-Index (Donnerstag) und den Einkaufsmanagerindex (Donnerstag).
Wir haben unsere Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft jedoch (noch) nicht revidiert, da es auch wichtige Unterschiede zu der Entwicklung im vergangenen Jahr gibt. So kamen die plötzlichen Ankündigungen von US-Strafzöllen auf Solaranlagen, Waschmaschinen, Stahl und Aluminium im Jahr 2018 völlig überraschend. Diesmal hielt sich die Überraschung jedoch in Grenzen. Auch dürften damals die Leitzinserhöhungen der US-Notenbank in vier Schritten die Unsicherheit noch verstärkt haben, während die US-Notenbank 2019 eine abwartende Haltung eingenommen hat, zumal die Hoffnung besteht, dass US-Präsident Donald Trump und der chinesische Präsident Jinping Xi eine Einigung beim G-20-Gipfel in Osaka Ende Juni erzielen.
Der Wohnimmobilienmarkt in den USA ist oft eine Wetterfahne für die zukünftige Konjunkturentwicklung. In der Regel steigen die Hypothekenzinsen im Einklang mit Leitzinserhöhungen der US-Notenbank und verteuern damit sofort den Kauf von Wohnimmobilien. Interessanterweise reagiert die Nachfrage nach Neubauten darauf nahezu ohne eine Zeitverzögerung. So war 2018 ein deutlicher Rückgang der Neubauverkäufe zu beobachten – als eine Folge der Leitzinserhöhungen der US-Notenbank. Davon ging ein negatives Signal für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung aus.
USA:
Erste Erholungstendenzen am Wohnimmobilienmarkt sprechen für stabile Konjunktur
in 1.000
Einheiten (geglättet)
Quellen: Thomson Reuters Datastream, Metzler; Stand: März 2019
Seit Jahresfang ist jedoch eine Trendwende bei den Neubauverkäufen (Donnerstag) zu beobachten, da die US-Notenbank für die Finanzmarktakteure überraschend auf eine Fortsetzung der Leitzinserhöhungen verzichtete. In der Folge sanken die Zinsen, und die Nachfrage nach Wohnimmobilien belebte sich wieder. Die guten Perspektiven am Wohnimmobilienmarkt dürften sich bald auch auf die Gesamtwirtschaft übertragen, wobei eine Verschärfung des Handelskonflikts das Bild noch eintrüben könnte. Auch werden die Einkaufsmanagerindizes (Donnerstag) veröffentlicht.
Im ersten Quartal dürfte das Bruttoinlandsprodukt (Montag) in Japan stagniert haben. Insgesamt dürfte die japanische Wirtschaft damit noch ein Plus von etwa 0,6 % in 2019 erreichen, wobei die Abwärtsrisiken aufgrund des Handelskriegs auch in Japan zugenommen haben. Gleichzeitig dürfte jedoch die Bevölkerung in Japan um geschätzt 0,3 % in 2019 schrumpfen, sodass das BIP pro Kopf um etwa 0,9 % steigen könnte – ein sehr solider Einkommenszuwachs.
Gleichzeitig ist und bleibt die Inflation niedrig: Im April dürfte die Kerninflation (Freitag) nur auf 0,5 % gestiegen sein. Obwohl die japanische Zentralbank Aktien, Immobilien und Staatsanleihen im großen Stil kauft, gibt es bisher keine Anzeichen für einen Erfolg ihrer Geldpolitik. Indem die japanische Zentralbank immer mehr Wertpapiere kauft, verknappt sie künstlich die den Sparern zur Verfügung stehenden Finanzanlagen und zwingt sie damit, Alternativen zu suchen. Eine Hoffnung war sicherlich, dass japanische Sparer verstärkt im Ausland investieren und damit den japanischen Yen schwächen – beziehungsweise dass sie eine hohe Bereitschaft zeigen, riskante Finanzanlagen zu finanzieren, mit der Folge einer merklichen Belebung der Investitionsausgaben. Tatsächlich scheinen die japanischen Sparer ihr Geld jedoch bei den Geschäftsbanken anzulegen, die es wiederum bei der Zentralbank parken; die geldpolitischen Effekte verpuffen also mehr oder weniger.
Eine gute und erfolgreiche Woche wünscht
Edgar Walk
Chefvolkswirt Metzler Asset Management
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