Das "Team Abe" verdient Glückwünsche für den perfekten taktischen Impuls gegen den konjunkturellen Abschwung. An dieser Stelle bleiben die politischen Entscheidungsträger Japans äußerst wachsam. Ein Kommentar von Jesper Koll, Head of Japan bei WisdomTree.
20.05.2019 | 14:25 Uhr
Entgegen den Prognosen, die von einem leichten Rückgang der japanischen Konjunktur ausgingen, fiel der japanische BIP-Report mit einem Plus von 2,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal auf Jahresbasis stärker aus als erwartet. Die Daten bestätigen, dass die positive Überraschung auf einen starken Impuls der öffentlichen Nachfrage und eine schwache private Nachfrage zurückzuführen ist, die die Importe herunterzog (was die Belastung des BIP durch den Handel verringert). Wirklich positive Kraft entfaltete der kräftige Anstieg des Wohnbausektors um 4,5 Prozent sowie die Tatsache, dass die Lagerbestände des privatwirtschaftlichen Sektors nicht gestiegen sind. Ersteres ist der Schlüssel zu unserer These, dass das Vertrauen und die Risikobereitschaft des Haushaltssektors in Japan trotz der grundsätzlich noch stagnierenden Konsumausgaben tatsächlich zu nimmt; letzteres deutet an, dass die Risiken eines dem zukünftigen Produktionswachstum im Wege stehenden Überhang an Lagerbeständen begrenzt sind. Darüber hinaus halte ich die Tatsache für positiv, dass die privaten Unternehmensinvestitionen nur um 1,2 Prozent zurückgegangen sind - nach dem Anstieg um 10,3 Prozent im Vorquartal deutet dies darauf hin, dass der strukturelle Aufwärtstrend bei den Inlandsinvestitionen noch intakt ist.
Insgesamt bestätigt der BIP-Bericht ein japanisches Makroumfeld mit relativ starker Widerstandsfähigkeit: Während der Sektor der handelbaren Güter durch den Abschwung in China und den rückläufigen US-Absatz bei Autoverkäufen (insbesondere Limousinen) in die Rezession gezogen wurde, entkoppelt sich der japanische Inlandsdienstleistungssektor de facto in eine positive Richtung. Die Industrieproduktion ist gegenüber dem Vorjahr um rund 4 Prozent gesunken, aber der inländische Dienstleistungssektor ist gegenüber dem ersten Quartal 2018 um rund 1 Prozent gestiegen.
Sowohl die positiven Inlandsnachrichten, als auch die schlechten Meldungen aus dem Ausland spiegeln sich in den Unternehmensgewinnen wider, wobei die Ergebnissaison für das Geschäftsjahr 2018 zum 31. März gerade abgeschlossen wurde. Die Gewinne im verarbeitenden Gewerbe sanken im Geschäftsjahr 2018 um 4,3 Prozent, während die Gewinne bei Non-Manufacturern (ohne Finanzwerte) um 10,2 Prozent stiegen. Die Gewinne der börsennotierten Unternehmen insgesamt sanken um 0,6 Prozent, was auf das dominantere Gewicht der Industrieunternehmen zurückzuführen ist.
Von hier stellen sich die folgenden wichtigsten beiden makroökonomischen Fragen
1) Wann wird der Tiefpunkt des industriellen Abwärtszyklus erreicht?
und vor allem
2) Wird sich die positive Entkopplung durch den inländischen Dienstleistungssektor fortsetzen, insbesondere mit Blick auf die am 1. Oktober 2019 anstehende Verbrauchsteuererhöhung?
Aus meiner persönlichen Sicht sind die Aussichten für einen weiteren Aufwärtstrend in den heimischen Sektoren sehr gut. Der durch den 10-tägigen Urlaub zu Beginn der neuen Kaiserzeit ausgelöste Nachfrageboom ist ein ebenso sehr erfreulicher Faktor wie Investitionsdynamik und Ausweitung des Kapitalstocks kleiner und mittlerer Unternehmen.
Demgegenüber hängt das Fortune der Weltwirtschaft in erster Linie von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung Chinas ab, insbesondere von einer politisch induzierten Belebung der Investitionsgüternachfrage. Lassen Sie sich nicht täuschen - aus japanischer Sicht ist die am schwersten wiegende Begleiterscheinung des US-Handelskriegs mit China die Tatsache, dass Unternehmenslenker in ganz Asien weiterhin Investitionen und Kapazitätsausbaupläne verschieben. Solange die Unsicherheit über das neue asiatisch-chinesische Handelsregime besteht, kommt die primäre zuverlässige Quelle der Investitionsgüternachfrage aus den politischen Impulsen Chinas. Dies wird sich nur ändern, wenn eine vertrauenswürdige neue Handelsregelung in Sichtweite ist; und wenn dies der Fall ist, wird Japan ein bedeutender Nutznießer sein, da bis zur Hälfte der in asiatische Betriebe gelieferten Maschinen und Anlagen von einem japanischen Unternehmen hergestellt wird.
Das "Team Abe" verdient Glückwünsche für den perfekten taktischen Impuls gegen den konjunkturellen Abschwung in der Industrie, was der GDP-Bericht bestätigt. An dieser Stelle bleiben die politischen Entscheidungsträger Japans äußerst wachsam. Jegliche Anzeichen einer weiteren Verschlechterung des Industriesektors oder Anzeichen einer Verlangsamung der Dynamik der Dienstleistungsaktivitäten werden voraussichtlich zu einem zusätzlichen fiskalischen Impuls führen. Ein Rückschlag durch die Erhöhung der Verbrauchssteuer ist jedoch unwahrscheinlich. Stattdessen ist es meiner Meinung nach wahrscheinlicher, dass die Abe-Regierung zusätzliche Transfers an private Haushalte und öffentliche Arbeiten zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung sowie von IT-Investitionen durchführt.
Unterdessen mehren sich die Spekulationen, dass Premierminister Abe eine vorgezogene "Doppelwahl" ausruft (für das Unterhaus - plus die Hälfte des in Relation dazu weniger wichtigen Oberhauses, für das ohnehin eine befristete Ablaufwahl im Juli/August ansteht). Hier ist die primäre Antriebskraft der Machiavellismus. Die Oppositionsparteien sind zersplittert und in Unordnung und zudem beunruhigt von immer schlechteren Finanzen, steigenden Austritten und der zunehmenden Unfähigkeit, Kandidaten offensiv anzugehen. Alles in allem steht das "Team Abe" kurz davor zu versuchen, seine Macht zu erweitern und zu festigen. Die für die Märkte relevante Triebfeder vor dem Hintergrund dieser Wahlen ist jedoch nicht die Wirtschaftspolitik, sondern eine brutale innenpolitische Machtpolitik.
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