Donald Trump spielt mit einem makroökonomischen Giftcocktail, weil er die ohnehin schon boomende US-Wirtschaft stimuliert, sagt Lukas Daalder von Robeco.
09.03.2018 | 13:05 Uhr
Die vor dem Hintergrund von Vollbeschäftigung verabschiedeten Steuersenkungen könnten eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen oder das Leistungsbilanzdefizit erhöhen. Und die geplanten Einfuhrzölle sind kaum als hilfreich anzusehen, sagt Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions.
Dass man sein Dach reparieren sollte, wenn die Sonne scheint – also Zeiten mit positiver Wachstumsdynamik zur Verbesserung der eigenen Finanzlage nutzen sollte – , gilt anscheinend nicht für Präsident Trump, so Daalder. In Zeiten der Hochkonjunktur versuchen Staaten normalerweise, Defizite abzubauen, und alle Länder der Eurozone haben dies angesichts besser werdender wirtschaftlicher Aussichten getan.
Im Gegensatz dazu hat sich das US-Haushaltsdefizit von 2,6 % des BIP in 2015 – dem niedrigsten Wert im laufenden Konjunkturzyklus – auf 3,1 % in 2016 und weiter auf 3,4 % in 2017 erhöht. Wegen der Steuersenkungen wird jetzt mit einem weiteren Anstieg des US-Haushaltsdefizits auf 4,5 % in 2019 gerechnet, und einige Finanzinstitute prognostizieren sogar 5 % oder mehr.
Haushaltsdefizite von über 5 % hat es schon gegeben: 1983 unter Präsident Reagan, 1992 unter Präsident Bush (Senior) und 2009 während der Großen Rezession, als das Defizit sogar zweistellige Werte erreichte. „Der große Unterschied gegenüber früheren Phasen mit hohen Defiziten ist die Entwicklung der Arbeitslosenquote“, betont Daalder.
„In allen vorangegangenen Zeitabschnitten war die Arbeitslosigkeit hoch – bei steigender Tendenz: 9,6 % in 1983, 7,5 % in 1992 und 9,6 % in 2009. Dagegen könnte die Arbeitslosenquote in nächster Zeit auf unter 4 % sinken. Wer die unter Reagan ergriffenen fiskalpolitischen Stimulierungsmaßnahmen mit dem vergleicht, was Trump zurzeit macht, lässt diesen Punkt offensichtlich außer Acht. Während Reagan in einem schwachen konjunkturellen Umfeld eine klassische keynesianische Expansionspolitik verfolgte, tut Trump dies in einer Aufschwungphase.“
„Ökonomen werden sagen, dass es nicht besonders sinnvoll ist, eine Wirtschaft zu stimulieren, die bereits auf Hochtouren läuft. Ziel der Steuersenkungen ist es, die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen anzukurbeln, die aber irgendwo produziert werden müssen. Wenn sich eine Volkswirtschaft schon fast am Maximum bewegt, ist klar, dass dies eine ernsthafte Herausforderung sein kann.“
Daalder sieht in der Kapazitätsauslastung der US-Industrie von derzeit 76 % einen Hinweis, dass noch ausreichend Kapazitätsreserven vorhanden sind. Diese Kennzahl ist aber möglicherweise wenig verlässlich, weil der Dienstleistungssektor wesentlich dominanter geworden ist.
„Ob man die Dienstleistungserbringung im Inland steigern kann, hängt entscheidend davon ab, ob es entsprechend qualifizierte Arbeitskräfte gibt“, sagt Daalder. „Die Arbeitslosenquote ist bereits ziemlich niedrig, was die Frage aufwirft, ob genügend Flexibilität vorhanden ist, um die höhere Nachfrage nach Dienstleistungen zu befriedigen. Um es auf einen einfachen Nenner zu bringen: Eine bereits auf Hochtouren laufende Wirtschaft zu stimulieren, birgt das Risiko, dass eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt wird.“
„Es gibt aber auch eine weniger schmerzhafte Option. Waren und Dienstleistungen können außerhalb der USA produziert und importiert werden, was das Risiko einer Überhitzung der Binnenwirtschaft reduziert. Diese Situation wird von Ökonomen häufig als ‚doppeltes Defizit’ bezeichnet: Hohe (und steigende) Haushaltsdefizite gehen oft Hand in Hand mit hohen (und steigenden) Handelsdefiziten.“
„Anders formuliert: Die Wirtschaft zu stimulieren, kann zum Teil tatsächlich zu einer höheren Inlandsproduktion führen, zum Teil aber auch bei Handelspartnern ‚versickern’. Die ‚versickerte’ Menge ist natürlich größer, wenn die Binnenwirtschaft bereits auf vollen Touren läuft. Nahezu alle Experten sind sich einig, dass das höhere Staatsdefizit in der jetzigen Situation sehr wahrscheinlich das Leistungsbilanzdefizit in die Höhe treiben wird. Die Frage ist nur, wie weit. Man fragt sich, ob Trump dies im Sinne hatte, als er davon sprach, „Amerika wieder großartig machen“ zu wollen.
Daalder meint, dass Trump mit seinen aktuellen Plänen, Aluminium- und Stahlimporte mit Zöllen zu belegen, noch mehr Öl ins Feuer gießt: „Ökonomen werden sagen, dass es unter jeglichen Umständen eine schlechte Idee ist, einen Handelskrieg zu beginnen. Dies aber zu tun, während man eine Wirtschaft stimuliert, die bereits kurz vor der Vollauslastung steht, ist ein makroökonomischer Giftcocktail.“
„Wer den Außenhandelssektor als mögliches Ventil ausschaltet, das einen Teil des in der Binnenwirtschaft entstehenden Drucks auffangen kann, macht eine Überhitzung nur wahrscheinlicher. Weiter steigende Löhne und Gehälter sowie eine stärkere Inflation – teilweise infolge der höheren Einfuhrzölle – werden die US-Notenbank Fed sicherlich dazu bringen, ihre Leitzinsen schneller zu erhöhen, was die Wirkungen der Steuersenkungen konterkariert. Außerdem könnten höhere Zinssätze und Anleiherenditen zu einer kräftigen Aufwertung des US-Dollars führen, was den USA im internationalen Handel nur schaden würde.“
Steuert die US-Wirtschaft also auf eine Katastrophe zu? Nicht zwangsläufig, meint Daalder. „Potenziell positiv ist, dass bisher noch keine Einfuhrzölle erhoben werden. Und die Wirtschaftstheorie ist – wie der Name schon sagt – eben nur eine Theorie. Eines der größeren Rätsel, die wir gegenwärtig an den Finanzmärkten beobachten, ist zum Beispiel die anhaltende Dollar-Schwäche, die dem stetig größer werdenden Zinsabstand zwischen den USA und anderen Ländern eigentlich widerspricht. Das zeigt, dass höhere Zinssätze nicht unbedingt einen stärkeren Dollar zur Folge haben.“
„Die wahrscheinlich größte Unsicherheit ist mit der Frage verbunden, ob die US-Wirtschaft bereits Vollauslastung erreicht hat oder kurz davor steht. Sollte dies zutreffen, ist die derzeitige Mischung aus Finanz- und Geldpolitik zweifellos ein Fehler von historischen Ausmaßen. In diesem Fall wäre es besser gewesen, das Dach zu reparieren.“
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