Für einige Anleger mag das Thema Handel ganz oben auf der Tagesordnung stehen, aber gilt das auch für die US-Notenbank?
13.11.2018 | 16:19 Uhr
Die jüngsten Veränderungen der US-Handelspolitik signalisieren eine klare Abweichung von dem Trend hin zu niedrigeren Zöllen, der seit den 1930ern zu beobachten war. Wie sollten sich Anleger auf die Risiken und Chancen vorbereiten, die diese neue politische Landschaft mit sich bringt? Wir analysieren die Auswirkung auf festverzinsliche Papiere vor dem Hintergrund der Fed-Politik. Die jüngsten Stellungnahmen von Vertretern der US-Notenbank legen den Schluss nahe, dass sich die Bank vorrangig darauf konzentriert, den Übergang weg von der „Forward Guidance“ (den Erklärungen zur zukünftigen Zinspolitik) und hin zur Datenabhängigkeit zu kommunizieren, wenn sich die Geldpolitik nächstes Jahr einer neutralen Einstellung nähert. Auch äußern sie sich häufig zur Auswirkung einer Verflachung der Renditekurve sowie zu den Risiken für Inflation und finanzielle Stabilität, die eine Wirtschaft mit sich bringt, die aufgrund eines spätzyklischen fiskalpolitischen Anreizes ein über dem Potenzial liegendes Wachstum erzielt.
Wie also fügt sich die Handelspolitik in diesen Mix ein? Wir gehen davon aus, dass der Offenmarktausschuss (FOMC) vor einer Änderung des Tempos der geldpolitischen Straffung genau darauf achten wird, ob vom Handel Abwärtsrisiken für die Finanzbedingungen, die Beschäftigungslage, das Wachstum und die Inflationsdaten ausgehen könnten. US-Notenbankchef Jerome Powell unterstrich diese Einschätzung in diesem Sommer in seiner Anhörung vor dem Kongress, als er erklärte, es sei schwierig, das endgültige Ergebnis der aktuellen Diskussionen über die Handelspolitik vorherzusagen, und fortfuhr, das Risiko einer unerwarteten Abschwächung der Wirtschaft sei in etwa genauso wahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass die Wirtschaft schneller wachse als derzeit von der Fed erwartet.
Unseres Erachtens ist es noch zu früh, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Allerdings könnten sich Handelsvereinbarungen auf die Währungen, die Inflation und die globalen Wachstumsprognosen auswirken und die politischen Entscheidungen der US-Notenbank beeinflussen. Mit einem hohen Maß an Unsicherheit folgen wir der Führung der Fed und stützen uns für unsere Einschätzungen und unsere Strategie weiterhin auf das, was wir wissen.
US-Präsident Trump scheint entschlossen, mit einer ganzen Reihe von Handelspartnern die Bedingungen neu auszuhandeln, um „gleiche Ausgangsbedingungen“ zu schaffen. Allerdings sollte man die vorgeschlagenen Bedingungen und die Verhandlungstaktik nicht als unverrückbar gegeben hinnehmen, vielmehr dürften sie sich noch ändern. Die USA sind eine relativ geschlossene Volkswirtschaft (Importe machen rund 15 Prozent des BIP und weniger als 20 Prozent der Konsumausgaben aus). Damit dürfte eine wie auch immer ausgestaltete Vereinbarung das Wachstum und die Inflation in den nächsten zwölf Monaten kaum belasten.2 Die potenziellen Spill-over-Effekte auf das Geschäftsklima und das Verbrauchervertrauen sowie die finanzielle Stabilität insgesamt könnten dagegen deutlich größer sein. Aber Powell hat bereits bei seiner Anhörung im Juni gesagt, er habe in seinem Leben definitiv noch nie so umfassende Handelsgespräche erlebt.
Diese Erklärung sollte jeglicher Zuversicht im Hinblick auf die Handelsgespräche einen Dämpfer verpassen.
Das positive Szenario dürfte einen erheblichen Kompromiss oder
den Verzicht auf die geplanten Zölle beinhalten. Dies würde die
aktuellen handelsbezogenen Sorgen größtenteils zerstreuen. Die Folge
könnte sein, dass die weltweiten Wachstumsprognosen nach oben korrigiert
werden, der US-Dollar an Wert verliert und Schwellenländer und
Rohstoffe einen Höhenflug vollziehen. Anleger könnten höhere Erwartungen
der US-Notenbank einpreisen, aber das scheint bereits jetzt zu
geschehen (was womöglich darauf hindeutet, dass der Markt in seinem
Basisszenario
eher von einer „Handelsentspannung“ ausgeht).Blickt man
noch weiter in die Zukunft, dann könnte dies auch stärker für eine
steilere Renditekurve sprechen, und die Nachfrage nach sicheren Anlagen
nimmt ab. Die wahrscheinliche Reaktion für Anleihenanleger dürfte eine
erneute Phase mit höherer Risikobereitschaft und steigenden Zinsen sein.
Eines
der geldpolitischen Ziele der US-Notenbank ist Preisstabilität. Der
FOMC sieht diese langfristig bei einem Inflationsniveau von 2 Prozent.
Jerome Powell erklärte in einer Rede am 24. August, die Inflation habe
sich in letzter Zeit zwar in Richtung 2 Prozent bewegt, es gebe aber
kein klares Anzeichen dafür, dass sie über die Marke von 2 Prozent
ansteigen werde. Es scheine auch kein höheres Risiko einer Überhitzung
zu
bestehen. Ein potenzielles Risiko – die angespannte Arbeitsmarktlage in
den USA – hat keine massiven Lohnzuwächse ausgelöst und wird auch nicht
als große Gefahr angesehen. Aber ein Handelskrieg könnte negative
Inflationsimpulse aussenden.
Wie könnten sich Zölle auf den
Verbraucherpreisindex auswirken? Das Volumen der Konsumgüter, die von
Strafzöllen betroffen sind, ist von anfänglich 34 Milliarden US-Dollar
(rund 2 Prozent der Konsumgüter) auf inzwischen 200 Milliarden US-Dollar
(rund 33 Prozent der Konsumgüter) gestiegen. Potenziell könnten sogar
alle chinesischen Waren (rund 60 Prozent der Konsumgüter) mit
Strafzöllen belegt werden. Die Auswirkung auf den VPI könnte somit von
0,1 Prozent bis 0,5 Prozent der annualisierten Rate reichen. Die
US-Notenbank wird die Entwicklung genau verfolgen, allerdings könnte die
Wirksamkeit ihrer Reaktion angesichts der Ursache für die höhere
Inflation begrenzt sein. Eine höhere Inflation ist für Anleihenanleger
nie von Vorteil, insbesondere dann nicht, wenn das Ausgangsniveau als
neutral eingeschätzt wird. Dies dürfte dann Risikoscheu und steigende
Zinsen zur Folge haben, es sei denn, die Sorgen des Marktes lösen eine
weltweite Flucht in qualitativ hochwertige Anlagen aus. Dadurch könnte
die Nachfrage nach US-Staatsanleihen kurzfristig steigen.
Der
Tenor der Fed-Äußerungen deckt sich mit der Einstellung, dass
handelspolitische Veränderungen beobachtet werden, bis sie sich in
Beschäftigungs-, Industrieproduktions- und Inflationsdaten
einschl.
Aktien niederschlagen. Diese Auswirkungen dürften eher geringfügig sein,
somit wird die US-Notenbank wahrscheinlich auch 2019 weiter einen Kurs
der Zinsanhebungen verfolgen. Die Märkte haben vier Zinserhöhungen im
kommenden Jahr noch nicht vollständig eingepreist (siehe Abbildung 2).
Damit besteht unseres Erachtens noch Spielraum für Aufwärtskorrekturen,
sofern die Fed weiter von einem zunehmenden Wachstum ausgeht und die
PCE-Kerninflation bei 2 Prozent verharrt.
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