Nach der starken Aktienmarktrallye des letzten Jahres zeigt der jüngste Ausverkauf, dass die Zeit nach der Pandemie ein Auf und Ab sein wird. Einige Märkte wirken auch immer noch teuer.
12.03.2021 | 08:05 Uhr
Defensive Aktien mit attraktiven Bewertungen können bei Unsicherheit zum Gleichgewicht beitragen. Die Märkte bewegten sich im letzten Jahr genauso extrem wie das
COVID-19-Umfeld, aus dem sie hervorgegangen waren. Zunächst gab es einen
historischen Absturz, dann einen dramatischen Aufschwung, dessen
Triebfeder wenige gigantische Wachstumsaktien waren.
Durch die Hoffnung auf Impfstoffe wurden im späteren Jahresverlauf die Aktienkurse in Sektoren in die Höhe getrieben, die stärker auf wirtschaftliches Wachstum ansprechen. Die traditionellen defensiven Aktien gerieten dazwischen ins Stocken und hinkten dem Markt so stark hinterher wie seit 30 Jahren nicht mehr (siehe Abbildung).
Für viele Anleger war dies überraschend. Die Kurse der defensiven Aktien sind auf stabile Unternehmen und Cashflows ausgerichtet, die zur Risikoreduzierung beitragen. Und 2020 herrschte an den Märkten heftige Volatilität. Der MSCI World und der S&P 500 stiegen bzw. fielen jeweils an 85 bzw. 109 Handelstagen um über 1 % – im Vergleich zu 2019 mehr als eine Verdreifachung. Der MSCI ACWI legte um 16 % zu. Dies war in Anbetracht des wirtschaftlichen Schocks, des Verbraucher- und des Geschäftsverhaltens ein unerwartet starkes Ergebnis. Dennoch ist die Volatilität von 10% im Jahr 2019 auf 28 % im Jahr 2020 gestiegen.
Hyperwachstum gegen hohe Qualität
Trotz der Volatilität zeigten die Anleger eine unerwartet starke Präferenz für Aktien und Unternehmen mit starkem Umsatzwachstum. Die Kurse der Hyperwachstumsunternehmen stiegen ungeachtet ihrer geringen Rentabilität. Gleichzeitig schnitten die Anteile der defensiven Unternehmen unterdurchschnittlich ab, obwohl sie im Allgemeinen trotz der extremen Unsicherheit relativ beständige Erträge lieferten (siehe Abbildung).
Sind Aktien mit geringerer Volatilität im Jahr 2021 also eine kluge Anlage? Wir sind dieser Meinung. Auch wenn die Welt sich aus der Pandemie heraus und hin zu einer stärkeren wirtschaftlichen Erholung entwickelt, bleiben auf dem Weg zur Normalität noch einige Hindernisse zu überwinden. An den Märkten scheint man davon auszugehen, dass die COVID-19-Impfungen bis zum zweiten Quartal abgeschlossen sein werden. Daher denken wir, dass bereits ein großer Teil der Erholung eingepreist ist. Die Impfkampagnen unterscheiden sich aber von Land zu Land, weswegen ihrer Auswirkung nicht einheitlich sein dürfte.
Die Lockerungen werden je nach den Erfahrungen mit dem Virus in den einzelnen Ländern unterschiedlichen Strategien unterliegen, so dass das Wirtschaftswachstum nicht auf einen Schlag wiederhergestellt sein wird. Analog dazu hängen die Erträge davon ab, wie schnell die Verbraucher- und Geschäftsaktivität wiederhergestellt wird und wie gut die einzelnen Unternehmen ihr Geschäft auf die neue Normalität eingestellt haben. Auch wird das Wirtschaftswachstum nicht sofort, nachdem es sich über das Rezessionsniveau hinausbewegt, wieder dieselbe Höhe erreichen wie vor der Pandemie.
Stabilität in einer mit Unsicherheit behafteten Erholung
In einem solchen Umfeld sollten die Anleger unserer Meinung nach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kurzfristigem Optimismus und mittelfristiger Vorsicht finden. Wir halten die Konzentration auf qualitativ hochwertige Unternehmen mit relativ stabilen und zu attraktiven Kursen gehandelten Aktien für eine kluge Strategie.
Qualitätsunternehmen mit starken Bilanzen und Unternehmen mit starken Cashflows dürften bei Existenz einer Reihe bekannter und unbekannter Risiken gut positioniert sein. Aktien, die stabile Handelsmuster gezeigt haben, sollten sich bei den auf dem Weg zur Erholung möglichen Volatilitätsschüben besser behaupten.
Und auf einem Markt, auf dem die beliebtesten Wachstumsaktien besonders teuer wirken, ist die Konzentration auf den Preis von höchster Priorität. In den defensiven Sektoren wie z. B. Gesundheitswesen, Basiskonsumgüter und Kommunikation liegen die relativen Bewertungen im Vergleich zu ihrer 30-jährigen Historie viel niedriger als z. B. im Technologiesektor und in der Industrie (siehe Abbildung). In den teuren Sektoren können die Anleger auch qualitativ hochwertige Unternehmen auswählen, die zu attraktiven Bewertungen gehandelt werden.
Wie mit steigenden Zinsen umgehen?
Kritiker argumentieren, das Inflationspotenzial – das einen Zinssatzanstieg bewirken könnte – sei ein zusätzliches Risiko für defensive Aktien, da diese in der Vergangenheit in ähnlichen Zyklen unterdurchschnittlich abschnitten. Es stimmt, dass sich bestimmte defensive Vermögenswerte wie Aktien mit niedrigem Beta bei steigenden Zinssätzen unterdurchschnittlich entwickelt haben. Wir denken aber, dass sich diese Risiken überwachen und in einem Portfolio mit geringer Volatilität verwalten lassen, indem das Engagement in Sektoren und Unternehmen verringert wird, die für Inflation und für das Zinssatzrisiko stärker anfällig sind. Es ist auch noch zu früh, um Zeitpunkt und Umfang des Zinssatzanstiegs zu prognostizieren. Daher sind wir der Meinung, dass sich die Anlagestrategie nicht zu stark auf Zinssatzerwartungen stützen sollte.
Für risikobewusste Anleger ist es unserer Ansicht nach eine gefährliche Strategie, während der durch COVID-19 verursachten Verlagerungen Aktien mit hohen Zusatzerträgen zu wählen. Genauso ist die Jagd auf die neusten beliebten Anlagethemen wie Hyperwachstumsaktien oder postpandemische „Erholungsspiele“ kein geeignetes langfristiges Erfolgsrezept.
Stattdessen empfehlen wir, sich bei den traditionellen Aktien mit hohen Abschlägen und bei den für die Welt nach der Impfung fehlbewerteten Unternehmen auf diejenigen mit starken Fundamentaldaten zu konzentrieren. Einige dieser Unternehmen sind in Bereichen zu finden, die von den durch die Pandemie beschleunigten Strukturveränderungen wie z. B. der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs, E-Commerce für Verbraucher und der Umstellung auf grüne Energie profitieren. Solche Aktien können die Grundlage für ein Portfolio mit robuster Schockabfederung und realen Geschäftstriebfedern bilden und damit eine solide Performance unterstützen, sobald die Weltwirtschaft die Last der Pandemie abschüttelt und langsam zur Normalität zurückkehrt.
Kent Hargis ist Co-Chief Investment Officer – Strategic Core Equities bei AllianceBernstein (AB)
Sammy Suzuki ist Co-Chief Investment Officer – Strategic Core Equities bei AB
Chris Marx ist Senior Investment Strategist – Equities bei AB
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
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