Capital Group: Sie suchen ein hervorragendes Investment? Beginnen Sie beim CEO

Anlageberatung

So wichtig Zahlen sind, sie sind nicht alles. Ein Unternehmen kann nur dann eine erfolgreiche Anlage sein, wenn es gut geführt wird. „Es ist unwahrscheinlich, dass ein gutes Unternehmen mit einem schlechten CEO eine gute Anlage ist", so Aktienportfoliomanagerin Claudia Huntington.

03.12.2018 | 12:30 Uhr

Texas-Roadhouse-CEO Kent Taylor liebt Salat, mehr als alles andere.

„Ich erinnere mich noch, wie ich ihn getroffen habe, um etwas über seine Strategie zu erfahren. Dann erwähnte  ich einen Wettbewerber“, erzählt Aktienportfoliomanager Greg Wendt, der seit über zehn Jahren in das Unternehmen investiert. „Taylor regte sich auf und rief: ‚Wissen Sie eigentlich, was sie mit Salat machen? Sie packen ihn in große Eimer. Und wissen Sie, was dann mit dem Salat passiert? Er wird zusammengequetscht und matschig. Wir haben kleine Dosen, die wir stapeln. Es dauert länger, aber unser Salat ist knackig und frisch.‘“

Was hat Salat mit Investieren zu tun? Wendt erkannte, dass Taylor ein begeisternder Chef ist, der jedes Detail seiner Firma genau kennt.

„Wann habe ich mich für diese Anlage entschieden?“, fragt Wendt. „Als ich sah, wie begeistert er war. Da wusste ich, dass ich auf ihn setzen wollte. Heute führt er das Unternehmen noch immer. Es ist ihm immer noch genauso wichtig wie damals, dass die Kunden zufrieden  sind.“

Ein Erfolgsrezept

Für die Anlageentscheidungen unserer Investmentexperten ist es wichtig, ob sie an das Unternehmen wirklich langfristig glauben. Ihre Überzeugungen beruhen auf intensiven Analysen von Bilanzen und Cashflows, potenziellen Markt- und Wettbewerbsvorteilen.

Aber so wichtig Zahlen sind, sie sind nicht alles. Ein Unternehmen kann nur dann eine erfolgreiche Anlage sein, wenn es gut geführt wird.

„Das Wichtigste, das ich in all den Jahren gelernt habe, ist, wie sehr der Erfolg eines Unternehmens letztlich von seinem Management abhängt“, sagt Claudia Huntington, Aktienportfoliomanagerin mit über 45 Jahren Investmenterfahrung. „Es ist unwahrscheinlich, dass ein gutes Unternehmen mit einem schlechten CEO eine gute Anlage ist. Sehr viel wahrscheinlicher ist das bei einer mittelmäßigen Firma mit einem hervorragenden CEO. Eine gute Geschäftsleitung kann den Unterschied machen.“

Sicher, nicht alle Entscheidungen unserer Experten waren am Ende richtig.  Doch oft haben sich gerade Anlagen in Unternehmen mit einer herausragenden Geschäftsleitung gelohnt.

Die Beurteilung eines CEO ist keine exakte Wissenschaft. Es ist eher eine Kunst. Man braucht Urteilskraft und viel Erfahrung. Doch wenn man den falschen CEO einstellt, können die Kosten für das Unternehmen und seine Aktionäre enorm sein.

Vorzeitige Abgänge von CEOs – also Wechsel, die weder aus Altersgründen geplant waren noch durch eine Fusion oder Übernahme zustande kamen – kosten Investoren jedes Jahr 112 Milliarden US-Dollar. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie von PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2015. Die Beratungsfirma hatte CEO-Wechsel bei den 2.500 größten börsennotierten Unternehmen der Welt untersucht.1 Oft werden CEOs entlassen, weil während ihrer Amtszeit der Unternehmenswert gefallen ist, möglicherweise aufgrund von Managemententscheidungen. Im Median  betrug der Aktionärsertrag dieser Unternehmen im Jahr vor dem Wechsel -13%.

Unser Investmentteam traf auf die folgenden vier Typen von CEOs.

1. Der Kulturchampion

Wer nach der Firmenzentrale von Precision Castparts in Portland, Oregon, sucht, fühlt sich vielleicht  ein bisschen wie Indiana Jones, der in den Straßen von Kairo den verlorenen Schatz sucht. Claudia Huntington erinnert  sich, dass sie bei

ihrem ersten Besuch 1999 am Flughafen  in ein Taxi stieg und dem Fahrer die Adresse nannte. Fünfundvierzig Minuten später fuhren sie noch immer in einem unscheinbaren Stadtviertel von Portland umher. Schließlich fanden sie den Hersteller von Spezialmetallen für Luftfahrt und Verteidigung – im dritten Stock eines kleinen, nicht gekennzeichneten Fabrikgebäudes neben einem Schotterparkplatz am Ende einer unbefestigten Straße. Offensichtlich verzichtete dieses Unternehmen auf eine protzige Firmenzentrale.

Für Huntington hat sich die Reise gelohnt. Sie nahm erfreut zur Kenntnis, dass CEO Mark Donegan ein detailversessener Chef war, dem Produktivität über alles ging. „Viele Berichte lagen auf seinem Tisch, die er regelmäßig las. So konnte er seinen Managern helfen, Probleme  in ihren Fabriken zu lösen“, erklärt Huntington.

Nach dem Meeting war sie optimistisch, dass Donegan das Geschäft weiter ausbauen könnte, mit hoher Produktivität und Qualität.

Am besten gefiel ihr aber die Kultur, für die sich Donegan eingesetzt  hatte. „Die besten Unternehmen sind oft die mit der besten Kultur“, sagt sie. „Oft bitte ich leitende Manager, die Kultur ihres Unternehmens zu beschreiben. Einige geben tolle Antworten; andere sehen mich an, als käme ich vom Mond.“

An einem Heiligabend rief ein Werksleiter Donegan an, weil das Fließband nicht funktionierte und er nicht wusste, wie er das Problem lösen sollte.

Donegan nahm den nächsten Flug, um ihm zu helfen. „In seiner Unternehmenskultur dürfen die Fabrikmanager ihn selbst an Heiligabend anrufen“, sagt Huntington.

„Natürlich war das Unternehmen hierarchisch aufgebaut, aber er hatte eine Kultur entwickelt, in der alle glaubten, dass sie gemeinsam das Richtige tun.“

Am Ende blieb  Huntington etwa 15 Jahre in Precision investiert, bis Berkshire Hathaway das Unternehmen übernahm.

2. Der bescheidene Diener

Auf dem Papier schien Frank Blake, Rechtsanwalt mit Harvard-Studium, bar jeder Einzelhandelserfahrung und mit einem überschaubaren Charisma, nicht der Richtige für die dringend nötige Wende bei Home Depot zu sein. Als er 2007 CEO wurde, litt die Raumausstattungskette unter fallenden bereinigten Umsätzen, Ineffizienz und schlechter Stimmung. Anne-Marie Peterson, die sich als Portfoliomanagerin seit über 20 Jahren mit Einzelhandelsfirmen befasst, glaubte vor ihrem ersten Treffen mit Blake, dass er kaum das richtige Konzept für das Unternehmen entwickeln würde.

Doch was sie dann vor dem ersten Treffen erfuhr, hat sie überrascht. Blake trat sehr leise und bescheiden auf, aber er hatte klare und einfache Ideen für das Unternehmen und die Möglichkeiten, sein Potenzial zu heben. „Es schien, als hätte er die Probleme von Home Depot aus jedem Blickwinkel analysiert, bevor er einen Plan aufstellte“,  erinnert sich Peterson. „Schon bald verstand er den Einzelhandel besser als viele langjährige Einzelhandels-CEOs.“

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, einem Zahlenmenschen, setzte Blake auf Menschen – die Kunden und die Mitarbeiter des Unternehmens. Er änderte die Führungsstruktur und stellte die Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Das Bonussystem wurde verbessert, der Kundenservice wichtiger. Oft besuchte er unangekündigt Läden, und er las regelmäßig den bisweilen kritischen Mitarbeiterblog. Seine große Bescheidenheit half ihm, das Vertrauen der Führungsetage zu gewinnen.

„Er geht offensiv mit Fehlern um, ist ein guter Zuhörer und offen gegenüber Menschen“, sagt Peterson. „Wenn ich für ihn gearbeitet hätte, hätte ich mich nicht schwergetan, ihm auch etwas zu sagen, das er nicht hören wollte. Er schien wirklich an der Wahrheit interessiert.“

Unter Blake, der 2014 in den Ruhestand ging, wurde Home Depot wieder rentabel. Nach zahlreichen Sitzungen war Peterson am Ende wirklich vom Unternehmen überzeugt.

„Ich besuchte ihn bereits im Jahr 2007 mehrmals, traf mich mit zahlreichen Teammitgliedern, um mich von seinen Plänen zu überzeugen und forderte ihn heraus, indem  ich ihm zu einer Reihe von Themen schwierige Fragen stellte“, sagt sie. „Er wusste, was getan werden musste, denn er war kein Insider. Außerdem hatte er das richtige Team zusammengestellt und dessen Vertrauen und Loyalität gewonnen. Es geht darum, Dinge zu erkennen, die der Markt noch übersieht. Genau eine Erkenntnis hatte der Markt aber noch nicht gehabt,  dass er nämlich doch genau der richtige Mann für den Job war.“

3. Der Back-to-Basics-Führer

„2012 war die Forschung und Entwicklung des britischen Pharmakonzerns AstraZeneca in großen  Schwierigkeiten. Nach einer Reihe gescheiterter Medikamententests und Complianceproblemen wollte die Geschäftsleitung kaum noch Risiken eingehen. Research wurde geschäftlichen Überlegungen untergeordnet“, erinnert sich Eric Keisman, Investmentanalyst mit über elf Jahren Erfahrung mit Pharmaunternehmen.

Unternehmen, die neue Therapien als Erstes an den Markt bringen, haben enorme Wettbewerbsvorteile.

Als im August Pascal Soriot CEO wurde, begann  er sofort, der kränkelnden

Forschungsabteilung von AstraZeneca neues Leben einzuhauchen.

„Dazu begann  er, die Unternehmenskultur von der Spitze an zu verändern, indem er Führungsebenen strich, die Kommunikation verbesserte und sein Team davon überzeugte, Risiken einzugehen“, sagt Keisman. „Als ich ihn 2013 fragte, warum er mit dem Herzmedikament Brilinta – dessen Markteinführung aufgrund eines fragwürdigen Tests schwierig  war – seine Reputation  aufs Spiel setzen würde, sagte er, dass er nicht zu sehr auf Sicherheit setzen könne. Würde er das tun und andere folgten seinem Beispiel, würde das Produkt scheitern.“

Der Umsatz von Brilinta stieg kürzlich auf über eine Milliarde US-Dollar.

Nach einem der ersten Treffen war Keisman davon überzeugt, dass Soriot offen und bescheiden ist und sehr großes Verständnis für die Psychologie  einer Organisation hat. Soriots Bemühungen, eine neue Produktpipeline für Astra aufzubauen, haben bereits zu neuen Onkologietherapien geführt.  Dazu zählt ein Lungenkrebsmedikament namens Tagrisso. Erfolgreich war das Unternehmen auch mit Medikamenten gegen  Asthma und Diabetes. Zurzeit werden  Versuche mit einer Reihe anderer möglicher Krebstherapien durchgeführt.

„Es braucht aber noch viel Zeit, bis die Produktpipeline von AstraZeneca wieder in Ordnung ist“, sagt Keisman.

4. Der visionäre Führer

Greg Wendt hat einen Großteil  seiner Karriere damit verbracht, Anlagemöglichkeiten bei erfolgreich geführten Unternehmen zu finden.

Ein CEO, von dem Wendt  sehr viel darüber lernte, wie ein Managementteam funktioniert, war John Amerman,  CEO des Spielzeugherstellers Mattel von 1987 bis 1997. „Amerman war ein außergewöhnlicher Chef, und er lehrte mich viel darüber, welche Fragen man einem Managementteam stellen sollte“, erinnert sich Wendt.

In einem Meeting fragte Wendt Amerman  nach seinen eigenen  Grundsätzen. Amerman  nahm eine in Plastik eingeschweißte Karte aus seiner Brieftasche. Sie enthielt  acht Grundsätze für die Führung von Mattel. Wendt erkannte einige davon wieder  – aus seinen Gesprächen mit Amerman  im Laufe der Jahre –, doch er war überrascht  darüber, wie einfach sie waren. Der Grundsatz, an den er sich am besten erinnert,  war der achte: „Dies ist ein Spielzeugunternehmen. Wir wollen Spaß haben.“

Dies mag offensichtlich sein, aber nicht jeder CEO seit Amermans Abgang dachte vor allem an Spielzeuge und Produkte. Wendt war diese Karte sehr wichtig,  und er gab sie vielen von Amermans Nachfolgern im Laufe der Jahre

„Sie waren überrascht,  als sie sahen, wie ich diese zerknitterte Karte mit Amermans acht Grundsätzen aus meiner Brieftasche nahm“, sagt Wendt, der Mattel seit über 30 Jahren beobachtet. „Kontinuität bei der Beobachtung von Unternehmen kann die Beurteilung des Managements sehr erleichtern. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Mattel schon länger beobachtet als jeder der CEOs des Unternehmens für Mattel gearbeitet hatte.“

Mehr als nur Papier

Lassen Sie uns klarstellen:  Viele Sitzungen enden mit der Entscheidung, nicht zu investieren.  Vor Jahren traf sich Huntington mit dem CEO eines großen Chicagoer Unternehmens. Sie glaubte, dass es interessante Technologien haben würde. „Auf dem Tisch des CEO lag nichts außer einem Bleistifthalter und einigen  perfekt  angespitzten Stiften“, erinnert  sich Huntington.

Drei Mal unterbrach der Assistent des CEO die Sitzung mit Fragen.

„Natürlich ist es in manchen Firmen wichtig,  auf die Einzelheiten  zu achten. Man darf aber auch das Gesamtbild nicht aus dem Blick verlieren“, sagt Huntington. „Ich sagte mir, dass er ein Mikromanager und das Unternehmen zu groß ist, um einen solchen Mikromanager als CEO zu haben.“

Wenn sie an dieser Sitzung nicht teilgenommen und es den Kontakt nicht gegeben hätte, hätte sie vielleicht  in das Unternehmen investiert. „Auf dem Papier schien es interessant“, erinnert  sie sich. Letztlich verlor die Aktie aber stark, der CEO wurde entlassen, und das Unternehmen wurde zerschlagen, weil es so schlecht geführt worden war.

Eine weitverbreitete Fehleinschätzung ist, dass es bei Investitionen vor allem

um Zahlen und Konjunkturzyklen geht. „Natürlich haben manche einen solchen Ansatz“, sagt Peterson, die sich auf das Management konzentriert. Sie will wissen, wer kompetent ist, wer die richtige Strategie hat und wer guten Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden pflegt.  „Ich setze mehr auf qualitative

Einschätzungen.  Damit verbringe ich den größten Teil meiner Zeit. Ich investiere in Unternehmen, die ich für dauerhaft  halte, und in Menschen, nicht in Papiere.“

1 „The $112 Billion CEO Succession Problem“, strategy+business, PwC, April 2015.

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