Die Titelauswahl im Rahmen einer Klima-Investitionsstrategie umfasst mehr als nur die Vermeidung von Unternehmen, die den Risiken der globalen Erwärmung ausgesetzt sind.
30.05.2023 | 06:10 Uhr
Der Prozess sollte sich mit einer aktiven Suche nach
verschiedenen Chancen bei Unternehmen überschneiden, die zur Bekämpfung des
Klimawandels beitragen, aber auch über qualitativ hochwertige Geschäftsmodelle
verfügen.
Bedenken und Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erwärmung sind seit Jahrzehnten im Gange, auch wenn die Bemühungen in den letzten Jahren zugenommen haben. Die deutsche Stadt Freiburg beispielsweise leistete in den 1980er-Jahren Pionierarbeit bei der Umstellung auf Solarenergie und nähert sich rasch ihrem Ziel, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 nahezu zu halbieren. Freiburgs frühes Bewusstsein ist jedoch ungewöhnlich, und viele Volkswirtschaften und Branchen werden sich heute erst der klimabedingten Risiken bewusst.
Europa erlebte im Jahr 2022 das zweitwärmste Jahr seit Beginn der
Aufzeichnungen; weltweit war es das fünftwärmste. Vor diesem Hintergrund
haben die Umweltexperten der Vereinten Nationen ihre Forderungen nach
einer Beschleunigung der Klimaschutzmaßnahmen für jedes Land und jeden
Sektor in jedem Zeitrahmen verschärft.
Positiv zu vermerken ist, dass in demselben UN-Bericht betont wird, dass
es noch nicht zu spät ist. Erstens ist das weithin angenommene Ziel,
den jährlichen Temperaturanstieg bis 2030 auf 1,5 Grad Celsius zu
begrenzen, noch in Reichweite.
Auch eine stärkere Unterstützung durch Regierungsinitiativen ist
hilfreich, und der Anreiz liegt auf der Hand: Untersuchungen zeigen,
dass der Klimawandel die Wirtschaftsleistung in einer Größenordnung von
–8 % bis 15 % pro Jahr belasten oder begünstigen kann, je nachdem, wie
Regierungen und Unternehmen reagieren.
Auf der letztjährigen Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP 27)
einigten sich die Delegierten beispielsweise darauf, einen
multinationalen finanziellen Schutzschirm für Verluste und Schäden
einzurichten, der idealerweise ärmeren Ländern helfen soll, sich von den
klimabedingten Auswirkungen zu erholen.
Der Kampf gegen den Klimawandel geht über die makroökonomische Politik hinaus. Eine wachsende Zahl von Branchen, von Elektrofahrzeugen bis zu Windkraftanlagen, steht ebenfalls an vorderster Front einer dekarbonisierten Wirtschaft – und alle wachsen schneller als die US-Wirtschaft insgesamt (Abbildung).
Verständlicherweise bleiben die Anleger angesichts des heutigen unsicheren Konjunkturumfelds, vor allem wegen der steigenden Zinsen und der hohen Inflation, misstrauisch. Natürlich sind auch diese Faktoren wichtig im Anlageprozess, aber sie sollten direkt neben den Klimarisiken – und nicht nacheinander – berücksichtigt werden, um Unternehmen zu finden, die in der neuen Wirtschaft erfolgreich sein werden.
Im Jahr 2022 beispielsweise erreichten die weltweiten Investitionen in Produkte und Dienstleistungen für die Energiewende, wie erneuerbare Energie, Elektrofahrzeuge, Energieeffizienz und Wasserstoff, einen Rekordwert von 1,1 Billionen US-Dollar, ein Anstieg von 31 % gegenüber dem Vorjahr (Abbildung). China trägt mit rund der Hälfte aller Investitionen bei Weitem am meisten zu diesem Wachstum bei. Noch wichtiger ist jedoch, dass durch den jüngsten Aufschwung die Investitionen in die Energiewende zum ersten Mal mit denen in fossile Brennstoffe gleichgezogen haben. Wir gehen davon aus, dass bis zum Ende dieses Jahrzehnts die Investitionen in Dekarbonisierungsprodukte die Ausgaben für fossile Brennstoffe um mindestens das Vierfache übersteigen werden.
Mehr Unternehmen als je zuvor signalisieren ihre Unterstützung für wissenschaftlich fundierte Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen, insbesondere in den Sektoren zyklische Konsumgüter, Informationstechnologie und Industrie (Abbildung).
Dieser Impuls fördert einen gesunden Wettbewerb. Unternehmen wie AECOM mit Sitz in den USA bieten Beratungsleistungen für kohlenstoffintensive Branchen wie das Transport- und Bauwesen an, die dazu beitragen können, aggressive Emissionsreduzierungsziele zu erreichen, die bei den meisten Projekten bis zu 50 % betragen. Das ebenfalls in den USA ansässige Unternehmen Hexcel stellt leichte Karbonfasern für den Flugzeugbau her, die Treibstoff sparen und die jährlichen Treibhausgasemissionen der Fluggesellschaften reduzieren. Das in Norwegen ansässige Recyclingunternehmen TOMRA profitiert weiterhin von einem wachsenden globalen Engagement für wiederverwendbare Kunststoffe in der Fertigung, im Einzelhandel und bei Lebensmittelverpackungen.
Die Klimaresilienz eines Unternehmens ergibt sich auch aus der
Qualität seines Geschäftsmodells, weshalb Anleger auf beides achten
sollten. Unserer Ansicht nach sind starke Bilanzen und eine effektive
Unternehmensführung für aktive Klimainvestitionen genauso wichtig wie
für andere Aktienstrategien. Es reicht nicht aus, die finanziellen
Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Die Unternehmen müssen solide
Fundamentaldaten und einen Zukunftsplan vorweisen, um von den aktuellen
und zukünftigen Chancen beim Übergang zu einer CO2-reduzierten Welt zu
profitieren.
Die Weltbevölkerung wird bis 2050 auf 10 Milliarden Menschen
anschwellen, sodass unser weltweiter Freiburg-Moment jetzt gekommen ist.
Innovation ist wichtiger denn je, um die Umwelt zu verbessern, sauberes
Wasser zu gewährleisten und ausreichend sichere Lebensmittel zu
produzieren. Deshalb ist die ganzheitliche Integration der Risiken und
Chancen der heutigen Wirtschaft der Dreh- und Angelpunkt einer wirksamen
Klima-Anlagestrategie. Unternehmen, die in dieser gewaltigen
Anstrengung ihre Nische finden, werden erfolgreich sein, wenn sie die
heutigen Risiken mindern und gleichzeitig den Grundstein für künftige
Profitabilität legen können. Klimainvestitionslösungen sollten sich auf
beide Seiten dieser Gleichung konzentrieren.
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