Es zeichnet sich eine neue Realität ab, die die globalen Märkte im nächsten Jahrzehnt bestimmen könnte. Diese Meinung vertritt Christophe Braun, Investment Director bei Capital Group.
20.04.2023 | 10:25 Uhr
Er ist der Meinung, dass sich die Märkte stark verändern und Anleger ihre Erwartungen in diesem Umfeld möglicherweise neu ausrichten müssen. Braun nennt einige spannende Langfristtrends. Alle zeigen, dass sich auch in Zeiten der Unsicherheit noch Chancen bieten.
1. Jahrzehnt der Dividenden
„Heutzutage ist langweilig schön“, betont Braun. „Und da sich das Wachstum
verlangsamt und die Kapitalkosten steigen, gehen wir davon aus, dass Dividenden
in Zukunft einen wichtigeren und stabileren Beitrag zur Gesamtrendite leisten
werden.“ Hierbei können Unternehmen interessant sein, die über
Preissetzungsmacht verfügen und die Fähigkeit haben, Erträge und Dividenden
nachhaltig zu steigern. Diese Unternehmen hätten das Potenzial, überzeugende
Investitionen zu sein, insbesondere in Zeiten der Volatilität. Derzeit gebe es
viele Gelegenheiten in verschiedenen Sektoren, darunter Industrie-,
Versorgungs- und Gesundheitsunternehmen.
2. Unterschiede bei Wachstumswerten
Wachstumswerte seien stark unter Druck geraten, aber bei einigen Unternehmen
schütte der Markt das Kind mit dem Bade aus. „Es ist wichtig, zwischen
Unternehmen zu unterscheiden, die das Ende ihrer Laufbahn erreicht haben oder
einem härteren Wettbewerb ausgesetzt sind, und solchen, die sich lediglich in
einem zyklischen Abschwung befinden“, so Braun. Unternehmen, die bei einer
Verbesserung der Konjunktur wieder an Fahrt gewinnen würden, könnten
vielversprechende Kaufgelegenheiten sein.
3. Globale Champions:
„Es mag eine schwierige Zeit für globale Investoren sein, aber gerade dann
können die besten Unternehmen glänzen“, sagt Braun. Die Anleger seien besorgt
über die De-Globalisierung und gingen davon aus, dass sie sich negativ auf ihre
Portfolios auswirke. Das könne der Fall sein, aber Veränderungen im
Handelsgefüge würden im Allgemeinen globale Champions - oder branchenführende
multinationale Unternehmen - begünstigen, da sich diese an die veränderte
Landschaft anpassen könnten.
4. Goldenes Zeitalter des Gesundheitswesens
Die Innovationskultur im Gesundheitswesen sei auf einem Allzeithoch. Das
makroökonomische Umfeld könnte die Sorgen der Anleger im letzten Jahr zwar
übertroffen haben, aber Innovation sei das, was letztlich die langfristige
Wertschöpfung antreibe. „Genau das sehen wir bei den Investitionen in die
Arzneimittelforschung und die Gensequenzierung“, so Braun.
5. Renaissance der Industrie
„Die Investitionen steigen, das könnte die Bühne für eine industrielle
Renaissance sein“, sagt Braun. Der rekordverdächtige Cashflow der letzten 12
Monate habe dazu geführt, dass die Bilanzen der Ölproduzenten zu den stärksten
der Geschichte gehören würden. Wenn Energieunternehmen Gewinne machen, würden
sie in der Regel die Exploration und Produktion ausweiten, wofür mehr Maschinen
und Dienstleistungen benötigt würden.
6. Neuausrichtung der Lieferketten
Angesichts der Unterbrechungen der Lieferketten während der Pandemie würden
viele Unternehmen Maßnahmen zur Diversifizierung ihrer Produktionsabläufe
ergreifen. „Dabei stellen sie Zuverlässigkeit und Sicherheit wieder über Kosten
und Effizienz“, betont Braun. Südostasien, Mexiko, Indien und die Vereinigten
Staaten seien einige der wichtigsten Verlagerungsziele. Unternehmen, die diesen
Übergang erleichtern können - wie japanische Automatisierungsanbieter oder
REITs in Indien - seien möglicherweise gut positioniert, um von diesem Trend zu
profitieren.
7. Starke Core-Anleihen
„Starke Ertragschancen und eine mögliche Konjunkturabschwächung könnten
Core-Anleihen zum Star eines gut diversifizierten Portfolios machen“, sagt der
Experte. „Während eine Verlangsamung des Wachstums für viele Anlageklassen
Gegenwind bedeuten kann, ist es für Core-Anleihen der Paradieszustand.“
Zusammen mit einer sinkenden Inflation, höheren Renditen und einer
US-Notenbank, die sich dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus nähere, schaffe dies
ein fantastisches Umfeld für Core-Anleihenfonds, um Gesamtrenditen im mittleren
einstelligen Bereich zu erwirtschaften und einem Portfolio einmal mehr Ballast
zu verleihen.
8. Comeback von Credits
Die Fundamentaldaten von Unternehmen, die Anleihen herausgeben, könnten
bald wieder in den Vordergrund rücken, da sich die Inflation abkühle und die
Zinserhöhungen sich verlangsamen würden. Beständige Cashflows und solide
Bilanzen seien zwar immer wichtig, aber in Zeiten sinkenden Wachstums, in denen
Unternehmensanleihen oft ungleichmäßig über Branchen und Anlageklassen hinweg
betroffen sind, seien sie besonders wichtig.
9. Selektive High Yield-Anleihen
„Bei den heutigen Renditen können hochverzinsliche Anleihen dem Portfolio eines
Anlegers attraktive Erträge bescheren“, erläutert Braun. Renditen im Bereich
von acht Prozenz würden einen Puffer gegen die Volatilität der Anleihemärkte
bieten, so dass die Wahrscheinlichkeit, eine positive Rendite zu erzielen,
höher sei. In der Vergangenheit, als Hochzinsanleihen zwischen sieben und acht
Prozent rentiert hätten, habe die durchschnittliche annualisierte
Zweijahres-Terminrendite bei 9,2 Prozent gelegen und die durchschnittliche
annualisierte Dreijahres-Terminrendite bei 7,9 Prozent. „Auch die Renditen
hochverzinslicher Anleihen sind sprunghaft angestiegen, da sie aufgrund ihrer
Steuerbefreiung noch attraktiver sind“, resümiert Braun.
10. 60/40 neu denken
Trotz des schlechten Jahres 2022 sei das Konzept eines ausgewogenen
Portfolios lebendig und nützlich. „Die traditionelle Vermögensallokation – also
60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen - ist keine defekte oder gescheiterte
Strategie“, betont Braun. „Es wird immer sinnvoll sein, über Ausgewogenheit,
Diversifizierung und Risiko nachzudenken.“ Ein einheitlicher Ansatz sei nicht
für jeden Anleger geeignet, viel mehr gehe es darum, Portfolios von Grund auf
so aufzubauen, dass sie mit den Zielen der Anleger übereinstimmen.
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