ODDO BHF AM– Investmentstrategie - „Zeit, das Geld wieder arbeiten zu lassen“

Wir bleiben gegenüber Aktien weiterhin positiv eingestellt. Unser Fokus liegt hier insbesondere auf langfristigen Wachstumsthemen wie KI und dem ökologischen Wandel. Gleichzeitig passen wir unsere Portfolios an das neue Zinsregime an.

19.09.2024 | 09:50 Uhr

Wie an einem schwülen Sommernachmittag, an dem gelegentlich ein Gewitter aufzieht, ohne einen Wetterumschwung einzuleiten, ging es auch an den Kapitalmärkten in diesem Sommer turbulent zu. Risikoreiche Anlagen hatten seit Jahresbeginn hohe Kursgewinne erzielt. Doch die Spannungen nahmen zu und entluden sich Anfang August in einem starken Marktrückgang. Auslöser der Turbulenzen waren wachsende Rezessionsängste in den USA in Kombination mit einer überraschenden Zinserhöhung in Japan, die Carry-Trade-Akteure verunsicherte. Die Volatilität an den Aktienmärkten stieg sprunghaft an, und der VIX-Index kletterte auf über 65. Die Zentralbanken in den USA und in Japan reagierten jedoch schnell, und dämmten den Ausverkauf durch effektive Kommunikation ein. Die maßgeblichen Marktindizes stiegen angesichts der Aussicht auf Zinssenkungen rasch wieder auf Rekordhöhen.

Trotz dieser Erholung bleiben die zur Fragilität der Märkte beitragenden Ungleichgewichte ungelöst. Mit Ausnahme von Technologieaktien erscheinen die Bewertungen angemessen – allerdings nur, wenn die hohen Gewinnerwartungen auch eingelöst werden. Sollten sich die Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung verdichten, könnte die Volatilität schnell wieder zunehmen, wie Anfang September zu beobachten war. Die nervöse Marktstimmung dürfte bis in den Herbst hinein anhalten.

Unsere Einschätzung für die nächsten vier Monate: Weiche Landung, Disinflation, Zinssenkungen und Politik

1. Weiche Landung: Wachstumsabschwächung, keine Rezession

Die Weltwirtschaft zeigt Anzeichen einer Verlangsamung, doch eine globale Rezession erscheint unwahrscheinlich. Die großen Volkswirtschaften kalibrieren sich nach der Phase aggressiver Geldpolitik neu. Obwohl die Verbrauchernachfrage leicht gesunken ist, bleibt genügend Schwung, um eine Kontraktion zu vermeiden. Wir erwarten daher eine „weiche Landung“, wenngleich dies nach einer Zinserhöhungsphase eher selten ist. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Risikogewichtung in der Eurozone durch starke Revisionen der BIP-Prognose für 2025 (+1,3%) zuletzt verschoben hat.

2. Disinflation: Allmählich nachlassender Preisdruck

Die Inflation – bis vor kurzem noch Hauptsorgen-kind der globalen Märkte – scheint sich abzu-schwächen. Die Prognose sowohl für die USA als auch die Eurozone liegt mittlerweile bei unter 2% für 2025. Dieser sukzessiv nachlassende Inflations-druck resultiert aus einem Rückgang der postpandemischen Nachfrage, weniger störan-fälligen Lieferketten und den Anstrengungen der Notenbanken, mit höheren Zinsen die Teuerung zu bekämpfen. Für Verbraucher und Unternehmen bedeutet dies eine Erholung vom Druck steigender Kosten.

3. Zinssenkungen: Notenbanken auf Lockerungskurs

Da die Inflation unter Kontrolle scheint, gehen viele Notenbanken zu einer Lockerung über. Begünstig wird dies durch eine Abkühlung des Arbeitsmarktes. Anleger sollten sich auf diesen geänderten geldpolitischen Kurs einstellen, da sie Anleihemärkte, Finanzierungskosten und Strategien zur Kapitalallokation erheblich beeinflussen könnte. Niedrigere Zinsen sind historisch gesehen günstig für die Aktienmärkte, da sie Kreditaufnahme und Investitionen ankurbeln.

4. Politik: Wachsende Risiken

Das politische Umfeld wird immer unsicherer und macht die Marktdynamik noch komplexer. In den USA steht ein Wahljahr bevor, was die Marktunsicherheit erhöhen könnte. Die fiskalpolitischen Maßnahmen beider Kandidaten dürften das Haushaltsdefizit erhöhen. Im Falle eines Wahlsiegs Trumps sind die Risiken jedoch höher (Handelskonflikte, inflationstreibende Maßnahmen, Eingriffe in die Unabhängigkeit der Fed usw.). In Europa stellen politische Konfliktlinien innerhalb der Eurozone eine Herausforderung dar, und im Nahen Osten bleiben die geopolitischen Spannungen ein ständiges Risiko. Anleger müssen diese Entwicklungen genau verfolgen, da geo-politische Schocks die wirtschaftliche Stabilität schnell ins Wanken bringen und starke Markt-korrekturen auslösen können. Die Kombination dieser politischen Risiken und der wirtschaftlichen Fundamentaldaten wird entscheidend für die weitere Marktentwicklung sein.

Drei Hebel, um vom aktuellen Marktumfeld profitieren zu können: Rotation, Duration, Carry

Die Aussicht auf Zinssenkungen macht Geldmarktanlagen zunehmend unattraktiv. Anleger sollten nun überlegen, wie sie ihr Geld in einem volatilen Markt gewinnbringend arbeiten lassen. Drei taktische Strategien bieten sich hier an:

1. Rotation: Umschichtung zwischen Sektoren und Vermögenswerten

Die sektorale Polarisierung hat extreme Ausmaße erreicht. Nicht nur in diesem, sondern bereits in den letzten drei bis fünf Jahren ging die Hälfte der Performance wichtiger Indizes wie dem S&P 500 und dem EuroStoxx auf das Konto von lediglich sieben bis zehn Aktien. Mit dem Beginn der Zinssenkungen zeichnet sich ein neuer Zyklus ab, der Chancen für eine Umschichtung in defensivere Sektoren bietet. Diese werden von einer lockeren Geldpolitik und Aufwärtskorrekturen bei den Gewinnen profitieren. Die Sektoren Immobilien, Bau, Basiskonsumgüter und Versorger haben in der Vergangenheit aufgrund ihrer Zinssensitivität stark performt. Für Anleger auf der Suche nach Profiteuren durch niedrigere Zinsen sind diese Sektoren eine Überlegung wert. Auch in Großbritannien sehen wir gute Chancen, insbesondere bei Small & Mid Caps. Schwellen-länder sind ebenfalls interessant, da hier der Wendepunkt nicht mehr weit entfernt ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Schwellenländer mehr politischen, wirtschaftlichen oder strukturellen Herausforderungen ausgesetzt sind als entwickelte Länder, woraus ein höheres Risiko entstehen kann.

2. Duration: Steuerung der Zinssensitivität

Die Duration misst, wie sensibel eine Anleihe auf Zinsänderungen reagiert. Da die Notenbanken Zinssenkungen vorbereiten, ist die Steuerung der Duration entscheidend. Doch auf welche Anleihesegmente sollten Anleger setzen? In Staatsanleihen sind die meisten Zinssenkungen bereits eingepreist. 10-jährige Bundesanleihen rentieren mittlerweile bei 2%. Anleger sollten stattdessen Unternehmensanleihen ins Auge fassen, die noch eine angemessene Prämie bieten.

3. Carry: Renditeoptimierung in einem Umfeld mit niedrigeren Zinsen

Im aktuellen Umfeld, in dem die Inflation zwar nachlässt, aber noch nicht endgültig überwunden ist, können Carry-Strategien stetige Erträge liefern und Abwärtsrisiken teilweise abfedern. Durch Investitionen in höher rentierliche Anlagen wie Unternehmensanleihen können Anleger Renditen erzielen, mit denen sich eine potenzielle Volatilität in anderen Portfolioteilen ausgleichen lassen. Unserer Ansicht nach bieten Investment-Grade-Anleihen derzeit bessere Renditeaussichten als Staatsanleihen und dürften sich auch in einem ungünstigen wirtschaftlichen Umfeld gut entwickeln. Hochzinsanleihen profitieren weiterhin von einer historisch niedrigen Ausfallquote und verfügen über genügend Puffer, um einen starken Anstieg der Risikoprämien zu verkraften. Dabei bieten kurze Laufzeiten das größte Potenzial.

Und wenn es zu Turbulenzen kommt?

Mehrere Risikofaktoren könnten die erwartete weiche Landung gefährden. Im Falle einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus dürfte die Handelspolitik wieder in den Fokus rücken. Wie schon 2018 könnte die Unsicherheit über Strafzölle vor allem exportabhängige Branchen wie den Automobilbau treffen, insbesondere in Europa. Zudem bietet eine zu spät eingeleitete Zinssenkung keine Garantie gegen eine Rezession. Auch wenn wir dieses Risiko für gering halten, sind viele Anleger in Erinnerung vergangener Rezessionen verunsichert. Zudem sind Überraschungen an der Inflationsfront nicht völlig ausgeschlossen, sei es durch steigende Löhne oder fallende Preise aufgrund billiger chinesischer Exporte. Der Markteinbruch im August sollte eine Mahnung sein, wie schnell sich Bedingungen ändern können. Wir beobachten die Währungsentwicklung daher genau, da eine weitere Auflösung von Carry Trades neue Volatilität auslösen und die Wechselkurse nach oben treiben könnte.

Volatilität als Chance

Phasen erhöhter Volatilität sind in den kommenden Monaten unvermeidlich, bieten aber auch die Chance, zu attraktiveren Bewertungen in langfristige Wachstumsthemen einzusteigen. Unser Fokus bleibt unverändert: Künstliche Intelligenz (KI) und die grüne Transformation bieten weiterhin langfristiges Potenzial für exponentielles Wachstum. Die Produktivitätsgewinne durch KI werden sich nicht über Nacht einstellen. Entscheidend für den Anlageerfolg wird hier eine proaktive Titelauswahl sein. Die Robotik – hier sieht Elon Musk Potenzial für eine Milliarde humanoider Roboter bis 2040 – und die KI-gestützte Arzneimittelforschung finden bei den meisten Anlegern noch zu wenig Beachtung und bergen erhebliche Chancen.

Auch die grüne Revolution – so unsere Überzeugung – ist noch lange nicht vorbei. Das verstärkte Setzen auf saubere Energie ist nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern bietet auch langfristig Potenzial für überdurchschnittliche Wertentwicklung. Die weltweiten Investitionen in nachhaltige Energiequellen haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verachtfacht. Dies hat die Kosten gesenkt und saubere Energie in verschiedenen Sektoren rentabel gemacht. Diese Dynamik wird in den kommenden Jahren ein breites Spektrum an Anlagemöglichkeiten eröffnen.

Fazit

Wir bleiben gegenüber Aktien weiterhin positiv eingestellt. Unser Fokus liegt hier insbesondere auf langfristigen Wachstumsthemen wie KI und dem ökologischen Wandel. Gleichzeitig passen wir unsere Portfolios an das neue Zinsregime an. Dabei verfolgen wir einen taktischen Ansatz mit einer ausgewogenen Kombination aus Rotation, Duration und Carry-Strategien.

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