Den Blick für das Wesentliche behalten (Foto: Pixabay)
Anleihen

AB: Anleihen-Ausblick - Den Blick für das Wesentliche behalten

Anleihenanleger, die sich zu sehr auf einzelne Daten konzentrieren, können die größeren Chancen aus den Augen verlieren.

09.04.2024 | 09:22 Uhr

Wie erwartet war das erste Quartal 2024 für Anleihenanleger eine holprige Angelegenheit. Die Märkte waren und sind nach wie vor sehr volatil, weil die Marktteilnehmer jeden neuen Konjunkturdatenpunkt aufmerksam verfolgen und versuchen, den Zeitpunkt der ersten Zinssenkungen der Zentralbanken vorherzusagen. Doch Anleger, die sich zu sehr auf Datenüberraschungen konzentrieren, könnten das Gesamtbild aus den Augen verlieren: Die Zinssenkungen der Zentralbanken stehen bevor, und damit eine große Chance für Anleihenanleger.

Schauen Sie über den Tellerrand der Daten hinaus

Nicht nur, dass monatliche Makrodaten wie die Beschäftigtenzahlen und die Inflation großen Revisionen und saisonalen Anpassungen unterworfen sind, ihre Komponenten können auch unbeständig sein. Unserer Meinung nach ist es wichtiger, die Makrotrends im Zeitverlauf zu betrachten.

Unserer Analyse zufolge sprechen solche Trends stark für niedrigere Leitzinsen in den kommenden Monaten. Die Gesamtinflation im Euroraum sinkt schneller als erwartet, und die Europäische Zentralbank könnte in diesem Sommer beginnen, die Zinsen zu senken. In den USA, wo sich die Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung verlangsamt haben, erwarten wir, dass die Federal Reserve frühestens im Juni mit einer Lockerung der Geldpolitik beginnen wird.

Unterdessen sind die Renditen von Staatsanleihen weiterhin sehr attraktiv: 10-jährige deutsche Bundesanleihen mit AAA-Rating rentieren aktuell mit 2,3 %, und die 10-jährigen US-Staatsanleihen rentieren mit 4,2 %.

Nutzen Sie den Vorteil: Greifen Sie dem Geschehen vor

Für Anleihenanleger sind diese Bedingungen nahezu ideal. Schließlich wird der größte Teil des Ertrags, den eine Anleihe im Laufe der Zeit erzielt, durch ihre Rendite (Verzinsung) bestimmt. Und sinkende Renditen – die wir für die zweite Hälfte des Jahres 2024 erwarten – lassen die Anleihenkurse steigen. Dieser Auftrieb könnte besonders groß sein, wenn man bedenkt, wie viel Geld an der Seitenlinie liegt und nach einem Einstiegspunkt sucht. Mehr als 6 Billionen US-Dollar befinden sich in Geldmarktfonds, ein Relikt der „T-Bill and Chill“-Strategie, die 2022 populär wurde, als die Zentralbanken die Zinsen aggressiv anhoben.

Als die Zentralbanken die Zinsen lockerten, floss das Geld aus den Geldmärkten zurück in längerfristige Anleihen. Der daraus resultierende Nachfrageschub nach Anleihen trug dazu bei, den Renditerückgang zu verstärken, der mit den Zinssenkungen der Zentralbanken einhergeht. Da sich heute so viele Barmittel wie nie zuvor an der Seitenlinie befinden, ist der potenzielle Nachfrageschub nach Anleihen außergewöhnlich hoch.

Um die damit verbundenen Ertragspotenziale nicht zu verpassen, sollten Anleger unserer Meinung nach versuchen, dem Umschwung von Bargeld zu Anleihen zuvorzukommen. Das bedeutet, dass man jetzt umschichten sollte, da die Renditen von Staatsanleihen oft fallen und die Kurse steigen, bevor die Zentralbanken aktiv werden. Historisch gesehen ist die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen in den drei Monaten vor der ersten Zinssenkung der Fed um durchschnittlich 90 Basispunkte gefallen. Aus diesem Grund erzielten Anleger in der Vergangenheit die höchsten Erträge, wenn sie einige Monate vor dem Beginn des Lockerungszyklus investierten (Abbildung).

Historisch gesehen erzielten Frühstarter die höchsten Erträge am Anleihenmarkt
Historisch gesehen erzielten Frühstarter die höchsten Erträge am Anleihenmarkt
Historisch gesehen erzielten Frühstarter die höchsten Erträge am Anleihenmarkt


Die lange Sicht

In den vergangenen 40 Jahren herrschten weltweit deflationäre Kräfte vor, die eine niedrige Gleichgewichtsinflation ermöglichten. Der zunehmende Druck durch drei mächtige Makrokräfte – Deglobalisierung, Demografie und Klimawandel – deutet jedoch auf eine höhere strukturelle Inflation und eine größere Inflationsvolatilität im kommenden Jahrzehnt hin.

In der Tat halten wir es für wahrscheinlicher, dass in den nächsten 10 Jahren 2 % mehr eine Untergrenze für die Inflation als ein Ziel der Zentralbank sein wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir bereits in diese neue Ära eingetreten sind, auch wenn die Anzeichen dafür durch die jüngste Disinflation nach den zyklischen Höchstständen überdeckt wurden.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten außergewöhnlich niedriger Zinsen und zu geringer Allokation in festverzinsliche Anlagen könnte ein neues System mit höherer Gleichgewichtsinflation, höheren nominalen Renditen und höherer Volatilität die Kapitalallokation der Anleger langfristig neu gestalten, wobei die Allokation in aktive Anleihen- und Inflationsstrategien eine größere Rolle spielen wird als in den letzten Jahren.

Strategien für das heutige Umfeld

Unserer Ansicht nach können Anleihenanleger im heutigen günstigen Umfeld erfolgreich sein, wenn sie diese Strategien anwenden:

1. Investieren. Wenn Sie immer noch Bargeld oder Bargeldäquivalente anstelle von Anleihen halten, entgehen Ihnen die täglichen Einkünfte aus höher verzinsten Anleihen sowie die potenziellen Kursgewinne bei sinkenden Renditen. Und wie bereits erwähnt, sind die Renditen in den Monaten vor den ersten Zinsschritten der Zentralbank im Allgemeinen gesunken. Deshalb ist es so wichtig, dass Anleihenanleger nicht länger an der Seitenlinie stehen, sondern sich jetzt engagieren.

2. Duration verlängern. Wenn sich die Duration Ihres Portfolios, also die Zinsempfindlichkeit, zum ultrakurzen Ende hin entwickelt hat, sollten Sie eine Verlängerung der Duration Ihres Portfolios in Betracht ziehen. Wenn sich die Konjunktur verlangsamt und die Zinsen sinken, kommt Duration den Portfolios tendenziell zugute. Staatsanleihen, die reinste Durationsquelle, bieten zudem reichlich Liquidität und helfen, die Volatilität der Aktienmärkte auszugleichen.

3. Höher verzinste Sektoren nutzen. Obwohl die Spreads eher eng sind, sind die Renditen von bonitätsabhängigen Anlagen wie Unternehmensanleihen und verbrieften Schuldtiteln so hoch wie seit Jahren nicht mehr, was einkommensorientierten Anlegern eine lang erwartete Chance bietet, ihre Speicher aufzufüllen. Da die Fundamentaldaten der Unternehmen von einer historisch starken Position ausgingen, erwarten wir keinen Tsunami von Unternehmensausfällen und Herabstufungen. Außerdem dürften sinkende Zinsen im weiteren Verlauf des Jahres dazu beitragen, den Refinanzierungsdruck auf die Emittenten zu verringern.

Anleger sollten jedoch selektiv vorgehen und auf die Liquidität achten. Unternehmen mit CCC-Rating und verbriefte Schuldtitel mit niedrigerem Rating sind bei einem Konjunkturabschwung am anfälligsten. Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit langen Laufzeiten können ebenfalls volatil sein und sind unserer Meinung nach aktuell überbewertet. Umgekehrt bieten hochverzinsliche Anleihen mit kurzer Laufzeit dank einer inversen Zinskurve höhere Renditen und ein geringeres Ausfallrisiko als längere Anleihen.

4. Ausgewogen bleiben. Wir sind der Meinung, dass sowohl Staatsanleihen als auch Unternehmensanleihen in den heutigen Portfolios eine Rolle spielen sollten. Zu den effektivsten Strategien gehören solche, die Staatsanleihen und andere zinsempfindliche Anlagen mit wachstumsorientierten Kreditinstrumenten in einem einzigen, dynamisch verwalteten Portfolio kombinieren. Diese Kombination trägt auch dazu bei, Risiken außerhalb unseres Basisszenarios eines schwachen Wachstums abzumildern, wie zum Beispiel extreme Inflation oder einen wirtschaftlichen Zusammenbruch.

5. Gegen Inflation wappnen. In Anbetracht des erhöhten Risikos künftiger Inflationsschübe, der zersetzenden Wirkung der Inflation und der Erschwinglichkeit eines expliziten Inflationsschutzes sollten Anleger unserer Meinung nach jetzt eine Erhöhung ihrer Allokation in Inflationsstrategien in Betracht ziehen.

6. Systematischen Ansatz erwägen. Das aktuelle Umfeld eines sich abschwächenden Wirtschaftswachstums erhöht auch das potenzielle Alpha bei der Auswahl von Anleihen. Aktive systematische Ansätze für die Anlage in festverzinsliche Wertpapiere, die in hohem Maße anpassbar sind, können Anlegern helfen, diese Chancen zu nutzen.

Systematische Ansätze stützen sich auf eine Reihe von Prognosefaktoren, wie zum Beispiel Momentum, die durch traditionelle Anlagen nicht effizient erfasst werden können. Da systematische Ansätze von verschiedenen Wertentwicklungsfaktoren abhängen, werden sich ihre Erträge wahrscheinlich von denen traditioneller aktiver Strategien unterscheiden und diese ergänzen.

Investieren Sie, um voranzukommen

Aktive Anleger sollten sich vorbereiten, um von der sich verändernden Marktdynamik im weiteren Jahresverlauf profitieren zu können. Wir sind der Meinung, dass Anleger vor allem die Seitenlinie verlassen und voll in die Anleihenmärkte investieren sollten, um die heutigen hohen Renditen und außergewöhnlichen Ertragspotenziale nicht zu verpassen.


Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.

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