Capital Group: Deregulierung stützt US-Unternehmensanleihen

Trotz politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit ist der Ausblick für US-amerikanische Unternehmensanleihen moderat positiv – so die Analyse von David Lee, Portfoliomanager des US Corporate Bond Fonds bei Capital Group.

06.04.2017 | 11:37 Uhr

(Foto: David Lee, Portfoliomanager für US-Unternehmensanleihen)

Können Sie uns einen kurzen Rückblick auf die Märkte im Jahr 2016 geben? Und was erwarten Sie 2017 von US-Unternehmensanleihen?

Drei Dinge haben den amerikanischen Unternehmensanleihenmarkt 2016 maßgeblich bestimmt: die Angst vor einem Abschwung in China, die britische Entscheidung gegen die EU und die Wahl von Donald Trump. Die Angst um China sorgte für eine ausgeprägte Spreadausweitung in den USA, die beiden anderen Entwicklungen ließen die Spreads hingegen enger werden. Dies lag vor allem an der guten US-Konjunktur und der weltweit expansiven Geldpolitik. Sie sorgte trotz Unsicherheit für Nachfrage nach höher verzinslichen Wertpapieren.

Doch mit der Wahl von Trump und der anschließenden Entscheidung der Fed, die Leitzinsen anzuheben, stiegen die US-Unternehmensanleihenrenditen. Das schadete ihrem Gesamtertrag.

US-Unternehmen sind noch immer hoch verschuldet, oft wieder so stark wie vor der Finanzkrise. Deshalb und wegen des abnehmenden  Gewinnwachstums spricht manches für die Endphase des derzeitigen Kreditzyklus. Unterdessen werden noch immer sehr viele Anleihen emittiert.

2016 gab es erneut viele Fusionen und Übernahmen, wenn auch etwas weniger als im Rekordjahr 2015. Aufgrund der niedrigen Zinsen wurden fremdfinanzierte Übernahmen interessanter, sodass weiterhin sehr viele Anleihen an den Markt kamen. Da fallen mir mehrere Punkte ein: Die Inflation kehrt allmählich zurück, infolge steigender Energiepreise und Löhne. Die Fed könnte darauf mit zwei Zinsschritten in diesem Jahr reagieren, in vielen Branchen gibt es noch immer etliche Fusionen und Übernahmen und die US-Unternehmen verschulden sich wieder stärker, um Aktienrückkäufe und Fusionen zu finanzieren.

Allerdings dürfte auch die in vielerlei Hinsicht größere Unsicherheit Auswirkungen auf die US-Wirtschaft und die Unternehmensanleihenmärkte haben.
In meiner US-Corporate-Bond-Strategie bleibe ich daher beim Kreditrisiko moderat untergewichtet, wie schon in der zweiten Jahreshälfte 2016. Dies gibt mir die Möglichkeit,  in volatilen Phasen Unternehmensanleihen zuzukaufen.

In diesem Umfeld erwarte ich Markterträge von etwa 3%. Das wäre zwar weniger als 2016, ist aber noch immer eine ganze Menge.

Welche Auswirkungen hat die Wahl von Donald Trump?

Trumps Pläne für eine Unternehmens- und Einkommensteuerreform könnten zu einer sehr viel expansiveren Fiskalpolitik und damit mittelfristig zu mehr Wachstum führen. Allerdings dürften die Wirkungen im Laufe der Zeit nachlassen.

Längerfristig dürfte der US-Unternehmensanleihenmarkt eher von Trumps Plänen für mehr Infrastrukturausgaben und Deregulierung profitieren. Eines darf man aber nicht vergessen: Selbst wenn Trump all dies durchsetzen will, muss er erhebliche Hürden überwinden. Viele der geplanten Maßnahmen erfordern die Zustimmung des Kongresses, die nicht garantiert ist. Und selbst wenn die Abgeordneten zustimmen, bräuchte die Umsetzung Zeit.

Da ich schon seit sechs Monaten konservativ positioniert bin, habe ich meine Portfoliostruktur  nach Trumps Wahl nicht wesentlich geändert. Ich berücksichtige aber nach wie vor die Unsicherheiten infolge der Politik der neuen Administration, insbesondere das Protektionismusrisiko. Ich glaube, dass diese Unsicherheit zu höheren Renditen führt.

Gibt es Sektoren, an denen Sie besonders interessiert sind?

Unternehmen, die an Fusionen und Übernahmen beteiligt sind, interessieren mich, wenn sie Schulden abbauen wollen – anders als viele andere, die zusätzliches Fremdkapital aufnehmen. Bei Pharmakonzernen und einer Reihe von Tabakfirmen habe ich mich mit die- sem Thema befasst. Ich glaube, dass Schuldenabbau auch bei widrigen Marktbedingungen zu ansprechenden Erträgen führen kann.

Ein weiterer Schwerpunkt sind Energiewerte. Der starke Energiepreisverfall und die damit einhergehende Spreadausweitung sorgten Ende 2015 und Anfang 2016 für gute Kaufzeitpunkte. Ich bin noch immer an dem Sektor interessiert, weiß aber auch, dass sich die Energie- preise weiter erholen und die Spreads wieder auf die Niveaus anderer Sektoren zurückgehen können. Die Attraktivität könnte dann nachlassen.

2016 hat es sich für mich gelohnt, auf Banken zu verzichten. Der Sektor hatte Probleme, teils wegen des Brexit, aber auch wegen Änderungen der internationalen Bankenregulierung. Vielleicht werde ich mein Engagement 2017 aber erhöhen, insbesondere in den USA. Darüber hinaus halte ich kleinere Positionen in Technologie- und Chemiewerten. Der Technologiesektor ist reifer geworden; die Unternehmen beginnen, alle Kapitalarten zu nutzen. Dies führt zu höheren Anleiheemissionen und weiteren Spreads. Viele Chemieunternehmen haben bereits Übernahmen getätigt, sie aber noch nicht finanziert. Mittelfristig könnte dies zu interessanten Einstiegsmöglichkeiten führen.

Und wie wollen Sie sich bei der Duration positionieren?

Zurzeit setze ich auf eine leicht unterdurchschnittliche Duration und erwarte eine etwas steilere Zinsstrukturkurve. Ich rechne damit, dass die US-Zinsen etwas steigen und dabei die Langfristrenditen aufgrund höherer Inflationserwartungen und Laufzeitprämien überdurchschnittlich zulegen.

Wenn die Anleiherenditen steigen, wird unser Zinsteam wohl eine neutrale Duration empfehlen. Viel hängt davon ab, wer neu in den Offenmarktausschuss kommt – vor allem, wenn Trump eher Falken beruft. Doch weil vieles unsicher bleibt, hat die Duration nur kleinereAuswirkungen auf unsere Positionierung.

Investieren Sie ausschließlich in US-Unternehmensanleihen?

Dank einer kleineren Position in anderen Assetklassen können wir auch andere Chancen nutzen. Ich denke dabei an Emerging-Market-Anleihen, steuerpflichtige Municipals* sowie US-Staatsanleihen. Auf diese Positionen entfallen etwa 10% des Portfolios.

Als ich beispielsweise überlegt hatte, wie ich meine positive Einschätzung des Energiesektors umsetzen kann, empfahl der Analyst saudi-arabische Staatsanleihen. Sie seien von hoher Qualität und hätten einen Bezug zum Ölsektor. Die Spreads saudischer Anleihen sind deutlich höher als die der Anleihen vieler Energiekonzerne, die wir analysiert haben. Entsprechend groß ist die Aussicht auf einen Spreadrückgang. Jetzt, da sich die Spreads angenähert haben, habe ich allerdings begonnen, mein Engagement zu verringern.

Wie legen Sie die Positionierung Ihrer US-Corporate-Bond-Strategie fest? Wir setzen auf fundamentale Einzelwertauswahl. Dadurch haben wir in jedem Marktumfeld  die Aussicht auf Mehrertrag und stetige Erträge. Zwei Drittel unseres Mehrertrags sollen auf die Emittentenauswahl entfallen, der Rest vorwiegend  auf Branchenallokation. Aber auch die Duration spielt eine Rolle.

Neben fundamentalen Einzelwertanalysen fließen aber auch Sektoreinschätzungen ein. Diese Top-down-Sicht hat unmittelbare  Auswirkungen auf unsere US-Zinsprognosen, und sie kann auch die Qualitätsstruktur des Portfolios beeinflussen. Konjunkturanalysen helfen uns auch, die branchenspezifischen Annahmen der Anleihenanalysten auf eine solide Basis zu stellen.

Bei der Einzelwertauswahl betrachten wir aber nicht allein die Unternehmen, in die wir investieren, sondern auch andere Faktoren. Wir wägen zwischen verschiedenen Laufzeiten eines Emittenten ab, berücksichtigen  die Liquidität und vielleicht auch die Form der Zinsstrukturkurve. Stets setzen wir auf informierte Einschätzungen jedes Faktors, der fürden Portfolioertrag relevant sein kann.

Welche Stärken hat die Capital Group bei Unternehmensanleihen?

Märkte werden nur dann effizient, wenn sie von vielen Menschen analysiert wer- den. Für Unternehmensanleihen  bedeu- tet dies einzigartige Möglichkeiten, da sie längst nicht so stark beobachtet werden wie Aktien. Passive Strategien nutzen Ratings. Der researchintensive Ansatz der Capital Group kann sich daher lohnen. Wir haben ein Team aus erfahrenen Analysten, die Branchen und Unternehmen sehr gut kennen, Geschäftsmodelle wie Kapitalstrukturen. Deshalb sind wir zu einem fundamentalen Ansatz in der Lage. Auch unsere Handelskompetenz ist ein wesentlicher Vorteil. Viele Unternehmensanleihen werden außerbörslich gehandelt. Man braucht eine gewisse strategische Kompetenz, um mit der Portfoliozusammenstellung den Markt nicht zu stark zu beeinflussen, also einen ausgeprägten Market Impact zu vermeiden. Unsere Händler haben dazu die nötige Erfahrung.

Bei allen Assetklassen und in allen Märkten legen wir großen Wert auf Research. Viele Anleihenmanager  fordern ihre Analysten auf, sich ganz auf risikoreichere Titel zu konzentrieren. Aber wir analysieren auch Anleihen mit höherer Kreditqualität, also Investment-grade-Titel. Vor allem das Geschäft größerer Unternehmen, die den Hauptteil des Anlageuniversums ausmachen, ist global – und umso wichtiger ist umfassendes Research. Dank der Größe und Reichweite unseres weltweiten Analystennetzes können wir Anlagechancen gut erkennen. 

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