DPAM: Anleihenmärkte im zweiten Halbjahr – Datenorientierung der Notenbanken schafft Risiken

Sam Vereecke, CIO Fixed Income von DPAM
Anleihen

Sam Vereecke, CIO Fixed Income von DPAM wagt einen Ausblick auf die Anleihenmärkte im zweiten Halbjahr 2024:

01.07.2024 | 08:02 Uhr

Zwischen Finanzkrise und Corona-Pandemie boten die Zentralbanken in den Industrieländern mit Niedrigzinsen, quantitativer Lockerung (QE) und Ausblicken auf die künftige Linie einen recht zuverlässigen Rahmen für die Preisbildung bei Anleihen. Heute legen sie sich nicht mehr im Voraus fest, sondern handeln datenabhängig, auch bei ihren Zinsentscheidungen. Dies schafft Unsicherheit, weil der Markt versucht, jeden neuen Datenpunkt und seine Abweichungen von den Erwartungen zu interpretieren, aber auch, weil diese Datenpunkte oft hinter der aktuellen Wirtschaftslage zurückbleiben. Dies führt zu stark schwankenden Zinssätzen.

Ungekannte Maßnahmen dominieren
Auch die Daten selbst sind sehr viel volatiler geworden – aufgrund von Pandemie und Ukraine-Krieg und der umfangreichen geld- und finanzpolitischen Reaktionen darauf. Die Straffung der Geldpolitik ab 2022 ging einher mit einer expansiven Fiskalpolitik. Im Jahr 2023 führte dies zu einer stärkeren wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, und im Jahr 2024 dauert es länger, bis die wirtschaftliche Abschwächung Wirkung zeigt. Eine Normalisierung der Inflation und ein anhaltendes Wachstum sind jedoch in Reichweite.

Verlangsamung in den USA
Es gibt zahlreiche Anzeichen für eine „Normalisierung“ in den USA. Die Arbeitslosenquote beginnt zu steigen, und die überschüssige Zahl freier Stellen geht zurück. Das derzeitige Niveau ist gesund, aber der Trend, der durch die straffe Geldpolitik verstärkt wird, gibt Anlass zur Sorge. Außerdem gehen die Investitionsausgaben zurück, und die notleidenden (Verbraucher-)Kredite erreichen neue Höchststände. Die Verbraucher haben ihre Ersparnisse aufgebraucht und die gestiegenen Preise trüben das Verbrauchervertrauen.

In Europa hat sich die Wirtschaft schneller abgeschwächt als in den USA, da die Finanzpolitik schwächer war und weniger auf die Verbraucher abzielte. Ohne geldpolitische Unterstützung besteht wenig Chance auf Besserung. Die Zentralbanken müssen die Zinssätze normalisieren, um eine echte Expansion zu befördern und eine Rezession zu verhindern.

Inflation normalisiert sich
Die Inflation der US-Wohnimmobilien und die der Dienstleistungen in allen anderen Ländern sind derzeit besonders wichtig. Zahlreiche Indikatoren auf dem Wohnungsmarkt deuten auf eine Wende hin. Die Preise im Dienstleistungssektor werden vor allem von den Löhnen angetrieben, die sich weiterhin normalisieren. In den USA steigen sie zwar immer noch stärker als vor der Pandemie – und mehr als das Fed-Inflationsziel plus Produktivitätswachstum. Doch der Trend ist seit zwei Jahren rückläufig und dürfte seine Fortsetzung finden.

Zweitrundeneffekte erschweren die Schätzung der Dienstleistungsinflation. Nach erheblichen Preissteigerungen bei bestimmten Gütern (z. B. Gebrauchtwagen während der Coronakrise) werden nun auch die damit verbundenen Dienstleistungen erheblich teurer (z. B. KfZ-Versicherungsprämien). Diese Zweitrundeneffekte sind der Grund für die derzeitige „Hartnäckigkeit“ der Inflation und müssen sich auflösen, damit sich die Inflation normalisieren kann. Dies dürfte eher früher als später der Fall sein.

Wer hat das Sagen am Anleihenmarkt?
Die Fed spielt ein riskantes Spiel, wenn sie es zulässt, dass die Märkte ihre Preise als Reaktion auf unerwartete Daten ständig anpassen. Die Zentralbanken geben zu wenig Einblick in ihre geldpolitische Strategie. Dies setzt die Anleger und schließlich auch die Akteure der Realwirtschaft potenziell stark schwankenden Zinssätzen aus.

Die Konjunkturdaten sind nach wie vor mit großer Unsicherheit behaftet und werden dies auch in absehbarer Zukunft bleiben. Die Zentralbanken werden lernen müssen, damit umzugehen und ein besseres Gleichgewicht zwischen Datenabhängigkeit und vorausschauender Orientierung zu finden.

Welche Duration ist die richtige?

Derzeit verfolgen die Zentralbanken das Ziel, die Wirtschaft zu verlangsamen und die Inflation zu normalisieren. In Anbetracht der massiven Störungen und Interventionen bleibt jedoch unklar, wann und wie schnell Zinssenkungen erfolgen werden. Eine zu lange Beibehaltung einer zu straffen Geldpolitik birgt das Risiko, das derzeit gute Umfeld in eine Rezession zu stürzen. So oder so werden die Leitzinsen sinken müssen, und die Zinsstrukturkurve sollte folgen. Wir bleiben daher dabei, die Duration länger zu wählen und uns auf eine Versteilerung der Kurve einzustellen.

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