Bond-Anleger spielen eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer Netto-Null-Welt. Annika Milz, Europa-Co-Head Institutionelle Kunden bei Fidelity International erklärt, warum sich Anleger nicht nur auf Green-Bonds beschränken sollten.
30.01.2023 | 12:15 Uhr von «Annika Milz»
Green Bonds haben in den letzten Jahren großes Anlegerinteresse auf sich gezogen. Je mehr vor allem professionelle Investoren ihre Portfolios dekarbonisieren und auf eine emissionsärmere Wirtschaft ausrichten wollen, desto schneller hat sich das Marktsegment entwickelt.
Allerdings weisen die Newcomer auf den Anleihemärkten auch eine Reihe von Problemen auf. Ein Kritikpunkt ist, dass es Unschärfen beim Umweltnutzen von Green Bonds gibt. So emittierte die Honkonger Flughafenbehörde einen Green Bond unter anderem zur Finanzierung von Dekarbonisierungsprojekten - einschließlich einer neuen Startbahn, was verständlicherweise Kritiker auf den Plan gerufen hat. Es gibt aber auch gegenteilige Beispiele: So hat sich Microsoft vor kurzem verpflichtet, seinen jemals verursachten Kohlenstoffausstoß zu dekarbonisieren und die relevanten Informationen transparent offenzulegen. Dennoch erfüllte die Anleihe nicht die aktuellen Green-Bond-Standards. Schließlich gibt es auch Green Bonds, deren grüne Glaubwürdigkeit nicht bis zur Fälligkeit der Anleihe aufrechterhalten werden kann. Der Mexico City Airport emittierte zum Beispiel einen Green Bond zur Finanzierung eines nachhaltigen Flughafens. Ein Jahr später sagte die neue Regierung jedoch das Projekt ab und lancierte ein Rückkaufpaket, um die Anleger zu beschwichtigen, nachdem die Bonds schlecht performt haben. Die verbleibenden Anleihen des Trusts sind jedoch technisch gesehen immer noch als grün gelabelt.
Seit der Emission der ersten Green Bonds sind aber nicht nur die Volumen schnell gestiegen. Es sind auch viele neue Bond-Märkte entstanden, darunter Social- und Sustainability-Bonds sowie neuerdings auch Sustainability-Linked-Bonds. Sustainability-Linked-Bonds verfolgen beispielsweise Nachhaltigkeitsziele und zahlen einen Renditeaufschlag, wenn die Ziele verfehlt werden. Allerdings sind die Ziele bisweilen sehr unambitioniert und die Renditeaufschläge kaum der Rede wert.
Ein weiteres Problem ist, dass es weder eine einheitliche Datenbasis noch ein verbindliches System gibt, um den durch die finanzierten Projekte erzielten Umweltnutzen zu messen. Anleger müssen sich also auf die Berichterstattung der Emittenten selbst verlassen. Eine Standardisierung innerhalb der Green-Bond-Branche würde einen wichtigen Beitrag zur Lösung vieler dieser Probleme leisten. Dazu gehören entsprechende Maßnahmen auf Ebene von Branchenverbänden zu Reporting- und Bewertungsfragen vor und nach der Emission. All dies ist aber erst in der Entwicklungsphase.
Auch, wenn sich der Green-Bond-Markt in den letzten Jahren dynamisch entwickelt hat, handelt es sich um ein noch kleines und relativ illiquides Marktsegment mit einer wenig diversifizierten Emittentenbasis. Mit Blick auf die Greenwashing-Problematik entfallen zum Beispiel im ICE BoFA Global Green Bond Index 72 % der Emissionen auf die drei Sektoren Banken, Versorger und Immobilien1, die grundsätzlich mit geringeren Umweltherausforderungen konfrontiert sind. In puncto Diversifikation ist dies jedoch ein Nachteil, was man 2022 erleben konnte. Ähnliches gilt hinsichtlich der sehr hohen Gewichtung europäischer Titel im genannten Index von mehr als 60 %1. Wegen der aktuellen Angebots-Nachfragesituation werden Green-Bonds zudem zu einem Aufschlag gehandelt, obwohl sie sich technisch nicht von vergleichbaren klassischen Anleihen unterscheiden.
All dies unterminiert das Risikomanagement und zwingt sowohl aktiv verwaltete wie passive Green-Bonds-Fonds dazu, in einen Großteil der ausstehenden Anleihen zu investieren. Für Anleger heißt dies: Sie haben sich mit weniger Diversifizierung, niedrigeren Renditen, einer schlechteren Liquidität und insgesamt einer schlechteren risikoadjustierten Rendite zufriedenzugeben.
Was ist also zu tun? Wer mit einer Nachhaltigkeitsstrategie in Bonds anlegen möchte, sollte sich nicht allein auf Green Bonds beschränken. Stattdessen ist ein Portfolio mit einer Mischung aus grünen und konventionellen Anleihen am besten geeignet, um positive Renditen zu erzielen und Kohlenstoffemissionen zu reduzieren.
Konventionelle Anleihen können die gleichen Mechanismen wie grüne Anleihen haben, bieten aber eine weitaus größere Auswahl, die es Anlegern ermöglicht, selektiver und diversifizierter vorzugehen und gleichzeitig höhere risikobereinigte Erträge zu erzielen. Für Emittenten aus Sektoren mit hohen Emissionen, die die Transformation zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft finanzieren wollen, sind die klassischen Bond-Märkte zudem leichter zugänglich.
Trotz der vielen Herausforderungen sind Green Bonds dennoch eine zu begrüßende Innovation, die der Welt nachhaltiger Bonds für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat. Green-Bond-Anleger setzen sich leidenschaftlich und lautstark für Umweltthemen ein und helfen so der gesamten Finanzbranche, klimabewusster zu werden.
Vita
Annika Milz
Europa-Co-Head Institutionellen Kunden
Annika Milz ist seit Dezember 2021 Co-Head für das Europageschäft mit institutionellen Kunden von Fidelity International und Leiterin für institutionelle Kunden in Deutschland. Zudem ist sie Mitglied des Senior Leadership Teams bei Fidelity. Annika Milz wechselte 2015 zu Fidelity, wo sie zunächst für die Beratung von Finanzinstituten in Deutschland verantwortlich war. In dieser Funktion hat sie mehrere Versicherungsinitiativen vorangetrieben. Zwei Jahre später hat Annika Milz die Leitung des deutschen institutionellen Teams übernommen, das die Beratung von Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen und Unternehmen umfasst. Zuvor war sie seit 2003 bei Sal. Oppenheim in Köln für das Relationship-Management mit regulierten Kunden wie Versicherungen und Sparkassen sowie Anlageberatern, zuletzt als Managing Director, verantwortlich.
Pitfalls of Green Labelling
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