Threadneedle: Auswirkungen des Ölpreisverfalls

"Für Verbraucher zahlt sich der Einbruch des Ölpreises aus. Dies verheißt Gutes für die Weltwirtschaft und mittelfristig auch für die Nachfrage nach Rohstoffen", sagt David Donora, Head of Commodities bei Threadneedle.

11.02.2015 | 15:35 Uhr

Dass die OPEC ihre Rolle zur Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Ölmarktes aufgegeben hat, ist das seit vielen Jahren bedeutendste Ereignis für den Ölsektor. Es hat sowohl auf Industrieländer als auch auf Schwellenländer große Auswirkungen.

Was die Weltwirtschaft betrifft, so wirken sich die fallenden Ölpreise am meisten auf die Verbraucher aus, die seit einem Jahrzehnt keinen Zugang zu günstiger Energie auf Erdölbasis hatten und nun erheblich profitieren. Tatsächlich kommt der aktuelle Ölpreisrückgang einem möglichen Anreiz in Höhe von 1,7 Billionen USDollar gleich. Etwa 70 % davon werden voraussichtlich auf Endverbraucher entfallen. Für 2015 und 2016 prognostiziert der IWF den Nettozuwachs des globalen BIP auf 0,5 % bzw. 0,6 %.
Die Vermögen der Verbraucher werden weiterhin zu früherer Stärke zurückfinden, da sich in den Industrienationen ein Lohnwachstum bemerkbar macht. Das nachhaltige und langfristige globale Wachstum wird durch steigende Löhne, die Verbesserung der Produktivität und eine moderate Inflation gestützt. Ein derartiges Umfeld begünstigt auch eine stärkere Nachfrage nach Rohstoffen.

Derzeit sind die Rohstoffpreise relativ niedrig. Der Bloomberg Commodity Index ist auf Niveaus zurückgegangen, wie sie zuletzt im Jahr 2002 verzeichnet wurden.
In den letzten zwei Jahren sahen sich Bergbauunternehmen durch die schwachen Basismetallpreise veranlasst, die Investitionsausgaben zu reduzieren. Und der jüngste starke Einbruch des Ölpreises – der erste Rückgang seit 2009 – bringt Ölproduzenten dazu, ihre Ausgaben ebenfalls zu kürzen. Für 2015 erwarten wir, dass die Ausgaben für Exploration und Produktion in Nordamerika um mindestens 25 % zurückgehen und dass sie in der restlichen Welt (OPEC ausgenommen) um 15 % gesenkt werden. Daher stehen Anleger vor einer Phase, in der die Titel- und Rohstoffauswahl in den Vordergrund rücken wird, obwohl die aktuellen Rohstoffaussichten für Verbraucher günstig erscheinen. 

Globale Angebot-Nachfrage-Bilanz keine Rechtfertigung für starken Rückgang der Ölpreise

Die globale Nachfrage nach Öl beläuft sich derzeit auf etwa 92 Millionen Barrel pro Tag (Mio. b/Tag), und die aktuelle Überproduktion liegt Schätzungen zufolge zwischen 1,0 und 1,5 Mio. b/Tag. Gemessen an der weltweiten Summe von Angebot und Nachfrage ist dies eine geringe Spanne und liefert keine Rechtfertigung für den Ölpreisrückgang um 60 %. Das Absacken der Preise hat eher etwas mit der drastischen Entscheidung der OPEC zu tun, nach deren Meinung der Preis für ein Gleichgewicht am Markt sorgen soll, zumal diese Entscheidung nach einer Phase getroffen wurde, in der relative Stabilität herrschte und die OPEC regelmäßig zusicherte, dass sie die Märkte im Gleichgewicht halten würde. Meiner Ansicht nach ist ein Preisniveau von 40 bis 50 US-Dollar pro Barrel nicht von Dauer, weil der Umfang von Investitionsausgabenkürzungen über einen beträchtlichen Zeitraum zu einem Rückgang der realen Produktion führen würde. Dies wird den Markt zunächst wieder ins Gleichgewicht bringen. Wenn aber dem daraus resultierenden Angebotsrückgang kein Nachfragerückgang gegenüber steht, würde es anschließend bald zu einer Verknappung kommen, denn die weltweiten Kapazitätsreserven belaufen sich bestenfalls auf 3 Mio. b/Tag.

Niedrige Ölpreise erhöhen Druck auf einige Schwellenländer

Wir halten eine erhebliche Destabilisierung in einer Reihe von Ländern für möglich, deren Staatseinnahmen stark von der Ölproduktion abhängen und deren Volkswirtschaften nach der durch hohe Ölpreise begünstigten Phase nicht reformiert und diversifiziert werden. Venezuela, Nigeria, Südsudan, Iran, Libyen und der Irak führen die Liste an.

Der niedrige Ölpreis stellt vor allem Russland vor besondere Herausforderungen, weil der Preis von Gasexporten – eine weitere wichtige Quelle für Deviseneinnahmen – immer noch ein Stück weit an die Preise für Brent-Rohöl gekoppelt ist. Die dortige Wirtschaft war bereits durch die Auswirkungen der Sanktionen ins Wanken geraten, die als Folge der Intervention Moskaus auf der Krim verhängt wurden. Von offizieller Seite wurde vorhergesagt, dass die Wirtschaft Russlands 2015 um etwa 5 % schrumpfen wird. Gleichzeitig heizt auch der Zusammenbruch des Rubels die Inflation an. Unterdessen werden einige russische Unternehmen ihre in US-Dollar notierten Anleihen in den nächsten 15 Monaten refinanzieren müssen. Dadurch könnte Präsident Putins Stellung in Russland unter Druck geraten. Angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage besteht die Gefahr, dass er im Ausland Unruhe stiftet, um seine Popularität im eigenen Land zu stützen, anstatt Verhandlungen mit der EU aufzunehmen, um die Situation zu entschärfen.

Der vollständige Ausblick im pdf-Dokument

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