Für den Ausbau ihres ESG-Prozesses hat sich die Capital Group viel Zeit genommen. Das behutsame Vorgehen war kein Zufall. „Homework before Headlines“ – das ist ein wichtiges Prinzip des globalen Investmenthauses, bei dem ohnehin manches anders läuft als bei typischen Asset-Managern
27.10.2022 | 07:30 Uhr von «Matthias von Arnim»
Matthias Mohr kann sich noch gut erinnern, wie er zur Capital Group kam. Nach intensivem Austausch mit einem Headhunter, der im Auftrag des globalen Investmenthauses Personal für die Expansion in Deutschland suchte, kam Mohr zunächst in die engere Wahl für den verantwortungsvollen Posten als Managing Director Financial Intermediaries.
„Dann habe ich etwa 15 bis 16 Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitern der Capital Group geführt und dabei sehr viele Menschen kennengelernt“, erzählt der Sales-Profi und gesteht: „Solch einen intensiven Auswahlprozess habe ich zuvor bei keinem anderen Unternehmen erlebt.“
Das Prozedere war Teil dessen, was Mohr heute als ein wichtiges Stück Unternehmenskultur der Capital Group beschreibt. „Bei der Einstellung neuer Kolleginnen und Kollegen achten wir sehr darauf, dass sie ins Team passen – und zwar nicht nur von ihren fachlichen Fähigkeiten her, sondern vor allem auch in Bezug auf Mentalität und Teamgeist. Wir haben hier keine Ellbogenmentalität“, erklärt Mohr.
Aus Überzeugung stark
Ein ganz wesentliches Element sei, dass bei Entscheidungsprozessen alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einbezogen werden. „Alle sollen aus innerer Überzeugung an einem Strang ziehen“, begründet Mohr, der heute in Frankfurt ein sechsköpfiges Team leitet.
Innere Überzeugung ist ein wichtiger Begriff bei der Capital Group. Das Prinzip, von etwas überzeugt zu sein und entsprechend engagiert zu handeln, ist tief in die DNA des US-Unternehmens geschrieben. Viele Mitarbeiter sind gleichzeitig Partner des Investmenthauses. Entscheidungen werden aufgrund langfristig angelegter Strategien gefällt, deren Basis das sogenannte Capital System ist.
Der geschützte Begriff repräsentiert einen einzigartigen Investmentansatz und funktioniert folgendermaßen: Jeder Fonds erwächst aus den Überzeugungen und Research-Ergebnissen von derzeit rund 112 Portfoliomanagern und 242 Branchenanalysten, die die Wertpapiere, von denen sie am meisten überzeugt sind, selbst kaufen und zusätzlich als Empfehlung an die Portfoliomanager der Capital Group weitergeben.
Die Portfoliomanager wiederum sind Generalisten mit unterschiedlichen Investmentansätzen und -stilen. Jeder Portfoliomanager steuert einen Teil des Gesamtportfolios nach eigenen Überzeugungen. Jeder wählt frei aus der Vielzahl der Analystenempfehlungen diejenigen Titel aus, die aus seiner Sicht am besten zu dem Teil des verwalteten Vermögens passen.
Die Portfoliomanager sind dabei gleichberechtigt, jeder hat seinen eigenen Anlagestil. Im Ergebnis bestehen die einzelnen Portfolios der Capital Group jeweils aus einer Vielzahl der stärksten Überzeugungen von Spezialisten und Generalisten. Maßgabe für Entscheidungen ist jeweils nur die generelle Zielrichtung des einzelnen Fonds.
Mehrwert wird belohnt
Gleichberechtigte Portfoliomanager, innere Überzeugung, finanzielle Partnerschaft der Mitarbeiter und viel Mitsprache: Mohr beschwört vor allem den außerordentlichen Teamgeist des US-Vermögensverwalters. In dieses Bild passt, dass sich das Gehalt der Fondsmanager nicht am Volumen ihrer Fonds orientiert, sondern an ihrem langfristigen Anlageerfolg.
Die Vergütung hängt von den Ein-, Drei-, Fünf- und Achtjahresergebnissen der Manager ab. Wobei die Ergebnisse umso stärker gewichtet werden, je länger der Zeitraum ist. „Der Ansatz, langfristig gute Ergebnisse zu erzielen, wird so gefördert. Wir belohnen nicht den Verkaufserfolg unserer Fonds, sondern den Mehrwert, den wir für die Anleger erzielen“, erklärt Mohr. Analysten und Portfoliomanager werden aktiv dazu aufgefordert, in ihre eigenen Empfehlungen zu investieren.
Das gehört zum Capital System: Es geht darum, langfristig Gewinne zu erzielen – für die Anleger, Mitarbeiter und das Unternehmen. „Wir sitzen mit unseren Kunden im selben Boot. Die Portfoliomanager sind häufig auch an der Seite unserer Kunden in den Strategien investiert“, berichtet Mohr.
Nachhaltigkeit als neue Richtschnur
Aus innerer Überzeugung heraus kommuniziert die Capital Group auch ihre ESG-Strategie. Das Prinzip, auf breiter Front mit großer Überzeugung langfristige Strategien zu entwickeln, ist vielleicht ein Grund dafür, dass die Capital Group nun erst Artikel-8-Fonds ins Schaufenster stellt.
„Manche in der Branche haben uns das als Zögerlichkeit ausgelegt. Wir sind jedoch froh darüber, dass wir in Ruhe die Marktentwicklungen beobachten und ein sattelfestes Konzept erarbeiten konnten, das zu unserer Philosophie passt“, so Mohr. Und dieses Konzept sieht so aus: Ziel der Capital Group sei es, das Leben der Menschen durch erfolgreiches Investieren zu verbessern. ESG sei seit über 90 Jahren ein Teil dieser Mission.
„Unsere Investitionen beruhen auf der gründlichen Analyse der Geschäftsindikatoren von Unternehmen, einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Themen (ESG). Wir sind davon überzeugt, dass es für das Verständnis von Risiken und Chancen von grundlegender Bedeutung ist, zu wissen, wie sich ein Unternehmen auf seine Gemeinschaft, seine Kunden, seine Lieferanten und seine Mitarbeiter auswirkt“, so Mohr.
ESG-Strategie mit eigenen Ratings
Der Nachhaltigkeitsansatz der Capital Group besteht aus vier Elementen: intensives Research, Kontrolle, Engagement und Stimmrechtsausübung sowie eine verbesserte externe Berichterstattung für Kunden und Aufsichtsbehörden. Die Investmentexperten nutzen eigenes, fundamentales Research, um die ESG-Risiken und -Chancen von Unternehmen zu bewerten.
Die Capital Group beschäftigt 41 ESG-Analysten, die die Unternehmen im Anlageuniversum der Fonds eingehend auf Herz und Nieren prüfen. Im vergangenen Jahr führten über 400 Investmentexperten mehr als 20 000 Gespräche mit Managementteams, Lieferanten, Aufsichtsbehörden und Kunden, um mehr Transparenz zu schaffen und fundierte Anlageentscheidungen zu treffen.
Neue Artikel-8-Fonds
Seit Kurzem gelten die Anleihefonds Capital Group Global High Income Opportunities und The New Economy Fund als Artikel-8-Fonds. Andere werden sukzessive folgen. Zudem sind neue Fonds mit dezidierten Nachhaltigkeitszielen geplant.
In den bestehenden Strategien bleibt das Research weiterhin das Herzstück des Investmentprozesses. So sollen wichtige Trends und Marktentwicklungen frühzeitig erkannt werden und zu langfristiger Positionierung führen. Metatrends wie die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit erschließen sich dadurch manchmal sogar von selbst, ohne dass eine Portfolio-Neuausrichtung nötig wird.
Das beste Beispiel dafür sei die vor fast 50 Jahren aufgelegte Capital Group New Perspective Strategy, erläutert Mohr. Die Strategie nimmt immer wieder neue, wegweisende Investmenttrends in das Portfolio auf, bleibt einzelnen überzeugenden Titeln aber vergleichsweise lange treu. Microsoft-Aktien etwa wurden vor 25 Jahren erstmals gekauft und sind nach wie vor im Portfolio. Microsoft gehört heute zu den Unternehmen mit den besten Nachhaltigkeits-Ratings.
Das Beispiel der New-Perspective-Strategie zeige, dass Geschwindigkeit kein Selbstzweck sei, betont Mohr. Vielmehr zahle sich eine solide Basis für Entscheidungsfindungen und ein langer Atem langfristig aus. „Homework before Headlines“ sei ein Prinzip, das in der Capital Group gelebt werde. Nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit, aber eben auch dort.
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