Der Einmarsch Russlands ist eine Tragödie für das ukrainische Volk. Er wird auch weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft haben und sich dadurch unweigerlich auf die europäischen Banken auswirken. Unserer Ansicht nach könnten sich jedoch durch einen Ausverkauf der Anleihen europäischer Banken Chancen ergeben.
08.04.2022 | 07:16 Uhr
Die Banken haben die COVID-19-Pandemie in guter finanzieller Verfassung überwunden und weisen die stärksten Bilanzen seit der globalen Finanzkrise aus. Das direkte Engagement der Banken in Russland ist in absoluten Zahlen und im Verhältnis zu den Zahlungsströmen internationaler Banken insgesamt, d. h. als prozentualer Anteil ihrer gesamten Auslandsforderungen (AF), meistens gering. (Abbildung oben.)
Die Risiken sind auf einige wenige Länder konzentriert: Rund 21% der
ausstehenden Kredite an Russland entfallen auf Italien, was 2,5% aller
Auslandsforderungen der italienischen Banken entspricht. Auf Österreich
entfallen rund 14% der ausstehenden Kredite, was 3,7% aller AF der
österreichischen Banken entspricht. Auf Frankreich entfallen ebenfalls
rund 21%, dies entspricht aber nur 0,7% der gesamten Auslandsforderungen
der französischen Banken. In keiner anderen europäischen
Volkswirtschaft übersteigt der Anteil der russischen AF 0,4% des
Gesamtvolumens.
Folgende Banken weisen das höchste relative Risiko im Verhältnis zu den
Umsatzerlösen auf: RBIAV (Österreich) mit 20% sowie UCGIM (Italien) und
SocGen (Frankreich) mit jeweils 4%. Europas Forderungen gegenüber der
Ukraine sind sogar noch geringer (13,5 Mrd. USD verglichen mehr als 120
Mrd. USD gegenüber Russland). Österreich und Frankreich sind am
stärksten in der Ukraine engagiert (RBIAV mit 6% und BNP Paribas mit
0,4% der Umsatzerlöse).
Im schlimmsten Fall könnten Banken mit lokalen Tochtergesellschaften
gezwungen sein, ihre direkten Kapitalbeteiligungen abzuschreiben, was
jedoch relativ begrenzte Auswirkungen auf ihre Kernkapitalquoten (CET1) haben würde, und das selbst bei der am stärksten exponierten RBIAV.
Aufgrund ihrer Nähe zum Konflikt und ihrer Funktion als Bindeglied
sind europäische Banken anfällig für Risiken in Verbindung mit
Negativschlagzeilen und könnten von Ausverkäufen betroffen sein. Wir
sind jedoch der Meinung, dass die direkten Auswirkungen ihres
Russland-Exposures auf ihre Bilanzen (hauptsächlich über russische
Banken und Exporteure) relativ gering sein werden. Größere Auswirkungen
werden wahrscheinlich krisenbedingte Wirtschaftseinbrüche in Europa
haben: steigender (durch die Energiepreise bedingter) Inflationsdruck
und ein hinter den Erwartungen zurückbleibendes BIP-Wachstum.
Ihr Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT stellt für
die russischen Banken bisher die größte Belastung dar. Die USA, das
Vereinigte Königreich, Kanada und die EU haben sieben russische Banken
ausgeschlossen – nicht aber jene, die mit der Energieversorgung die
wichtigsten Transaktionen abwickeln. Dennoch werden die russischen
Banken den Schock für die russische Wirtschaft eines Tages zu spüren
bekommen.
Die Krise birgt auch das Risiko verstärkter russischer Cyberangriffe,
die weiterhin eine ernste Bedrohung für Banken weltweit darstellen. Die
erheblichen Investitionen der Banken in das Management von Cyberrisiken
könnten in den kommenden Monaten auf den Prüfstand gestellt werden, und
im Extremfall könnte eine angeschlagene Bank staatliche Unterstützung
benötigen.
Wenngleich sich die Spreads von Bankenanleihen durch die Krise
wahrscheinlich ausweiten werden, bleiben wir aufgrund der soliden
Fundamentaldaten positiv gestimmt. Insbesondere könnten sich bei
weiteren Kursrückgängen Chancen zum Kauf von AT1-Anleihen ergeben, die
von stärkeren europäischen Banken emittiert wurden.
Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Recherchen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider. Die Einschätzungen können sich im Laufe der Zeit ändern.
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