Schwellenländeraktien senden Lebenszeichen aus, die Unternehmensgewinne steigen. Wo sollten Anleger suchen?
07.10.2024 | 14:02 Uhr
Schwellenländeraktien (Emerging Markets, EM) hinkten in den letzten zehn Jahren den Aktien der Industrieländer (Developed Markets, DM) hinterher. Doch einige Trends sehen vielversprechender aus, als die Schlagzeilen vermuten lassen. Die Unternehmensgewinne steigen endlich wieder, insbesondere in den Sektoren Technologie und zyklische Konsumgüter. Wir glauben, dass eine verbesserte Gewinnsituation auf langfristige Chancen für Aktienanleger in Schwellenländern in fünf Schlüsselbereichen hindeuten könnte.
Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und größter Schwellenmarkt
ist China ein entscheidendes Glied im globalen Wirtschaftsmotor. Nach
einem starken Jahresbeginn ist Chinas Konjunktur zuletzt ins Stocken
geraten, belastet durch die Schwäche des Immobiliensektors und die
schleppenden Konsumausgaben. Die akkommodierende Geldpolitik und
langfristige Strukturreformen könnten jedoch für Abhilfe sorgen.
Ende September kündigte die chinesische Zentralbank Pläne an, ihren
Mindestreservesatz um 50 Basispunkte und ihren Leitzins um 20
Basispunkte zu senken, wobei im Laufe des Jahres weitere Senkungen
folgen sollen. Wir sehen das als Beweis dafür, dass die politischen
Entscheidungsträger es mit dem 5-prozentigen Wachstumsziel Chinas für
2024 ernst meinen. Dennoch glauben wir, dass die Begeisterung des
Marktes über diese Maßnahmen nur von kurzer Dauer sein wird, wenn sie
nicht durch grundlegende Verbesserungen untermauert werden.
China treibt auch Regulierungsreformen voran, die darauf abzielen, mehr
Kapital anzuziehen und die Aktienkurse anzukurbeln. Die
Neun-Punkte-Leitlinien Chinas ermutigen Unternehmen, Gewinne an die
Aktionäre auszuschütten, während ein sich änderndes makroökonomisches
Umfeld es chinesischen Unternehmen erleichtert, Dividenden zu zahlen.
Zu Beginn des chinesischen Wachstumskurses verfolgten viele Unternehmen
ein Modell der aggressiven Expansion, indem sie große Mengen an Aktien
ausgaben, ohne nennenswerte Dividenden auszuschütten. Gut geführte
chinesische Unternehmen sind nun in der Lage, Erträge zu erzielen und
diese an die Aktionäre auszuschütten, was in einem langsameren
makroökonomischen Umfeld wichtig ist.
Das könnte zwar ein Katalysator für Dividendenerträge sein, aber wir
glauben, dass es auch eine gute Ausgangsbasis für Exporteure und
Marktanteilsgewinner ist – insbesondere angesichts des schwachen
Konjunkturumfelds in China. Da der Markt dazu neigt, China über einen
Kamm zu scheren, glauben wir, dass Anleger in allen drei Segmenten
ausgewählte Unternehmen finden können, die zu attraktiven Bewertungen
gehandelt werden.
Da die Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI) an Fahrt gewinnt,
sollte man darauf achten, dass Taiwan an vorderster Front steht.
Schließlich produziert Taiwan mehr als die Hälfte der Halbleiter
weltweit. Außerdem befinden sich hier sage und schreibe 90 % der
weltweiten Produktionskapazitäten für die Hochleistungschips, die das
maschinelle Lernen antreiben. Als asiatisches Pendant zum Silicon Valley
bietet Taiwan Anlegern einen Zugang zur Künstlichen Intelligenz zu
relativ attraktiven Bewertungen.
Natürlich geht es bei Künstlicher Intelligenz um mehr als nur Chips.
Einige der größten Akteure in der globalen Lieferkette für KI haben
ihren Sitz in Taiwan, darunter Prüf- und Messunternehmen sowie
Hersteller von Substraten, mit denen fortschrittliche Chips auf
Leiterplatten befestigt werden können. Wir glauben, dass der KI-Ausbau
noch viel Potenzial hat. Die Ausgaben für KI haben sich von Software zu
Hardware verlagert, was KI-Zulieferern in den Entwicklungsländern
zugutekommen dürfte.
Das bevölkerungsreichste Land der Welt unternimmt konzertierte Anstrengungen, um auf globaler Ebene wettbewerbsfähiger zu werden. Zu den jüngsten Initiativen aus Neu-Delhi gehören die Verbesserung des Reiseverkehrs zwischen den Städten, die Straffung der notorisch schwerfälligen Bürokratie des Landes, die Verbesserung der physischen Infrastruktur und die Entwicklung einer immer moderneren digitalen Infrastruktur. Wir glauben, dass sich die Verbesserungen der Infrastruktur und die Steigerung der Unternehmenseffizienz mit der Zeit auf die gesamte indische Wirtschaft auswirken und neue Chancen für Anleger schaffen werden. Zudem haben robuste Konsumausgaben das starke BIP-Wachstum in Indien gestützt. Aktuell liegt das indische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf auf einem ähnlichen Niveau wie zu dem Zeitpunkt, als das Wachstum in China nach oben ausschlug (siehe Abbildung).
Südkorea ist seit Langem ein EM-Kraftpaket, von seinen Tagen als
einer der vier asiatischen Tigerstaaten bis zu seinem aktuellen Status
als globaler Produktionsführer mit einer gut diversifizierten
Wirtschaft. Jetzt wollen die politischen Entscheidungsträger in Seoul
noch mehr Investitionen anziehen, indem sie die Aktionärserfahrung für
die börsennotierten Unternehmen Südkoreas verbessern. Das „Corporate
Value-Up“-Programm der Regierung zielt darauf ab, die Aktienkurse zu
steigern, indem es die Offenlegung der Unternehmensfinanzen verbessert
und gleichzeitig Aktienrückkäufe und höhere Dividenden fördert.
Diese Vorschläge mögen vernünftig erscheinen, aber sie lassen sich in
einem Land, das von familiengeführten Konglomeraten (Chaebols) dominiert
wird, nur schwer durchsetzen – ein wesentlicher Grund dafür, dass
südkoreanische Unternehmen so anhaltend günstig bewertet werden. Diese
Reformen werden Zeit brauchen, aber wir glauben, dass die Anleger
letztendlich Vorteile in Form eines höheren Aktionärswerts sehen werden –
insbesondere in den Bereichen Automobil, Finanzen und Industrie.
Aufstrebende Märkte machen zusammen etwa die Hälfte des globalen BIP und fast 90 % der Weltbevölkerung aus. Und trotz uneinheitlicher Wertentwicklung wachsen viele Schwellenländer weiterhin schneller als die der Industrieländer, während die Gewinne tendenziell steigen (siehe Abbildung).
Überzeugende Anlagechancen finden sich in zahlreichen Schwellenländern.
Märkte außerhalb von China, Indien, Taiwan und Südkorea machen mehr als
25 % des MSCI EM Index aus und sollten unserer Meinung nach von Anlegern
stärker beachtet werden. Dazu gehört auch der Nahe Osten, wo
Saudi-Arabien aggressiv versucht, seine Wirtschaft weg von der Energie
zu diversifizieren, und die Vereinigten Arabischen Emirate ihren Status
als neutraler Standort stärken. Auch in anderen Regionen sehen wir
Potenzial – vom sanierten Bankensektor in Griechenland über Fintech in
Kasachstan bis hin zum E-Commerce in Lateinamerika.
Wir sind der Meinung, dass sich Chancen bei Schwellenländeraktien am
besten durch einen aktiven Ansatz nutzen lassen, der sowohl fundamentale
als auch quantitative Analysen einbezieht. Erfahrene Investmentmanager
können sowohl in wachstumsstarken Sektoren als auch in angeschlagenen
Branchen und schwachen Konjunkturumfeldern Qualitätsunternehmen
entdecken. Da sich die Gewinne in den Schwellenländern erholen und die
Bewertungen immer noch attraktiv sind, glauben wir, dass aktuell ein
günstiger Zeitpunkt für Anleger sein könnte, sich Schwellenländeraktien
genauer anzusehen.
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