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„Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter Chinas“

Dr. Karin Kneissel auf der IK Hamburg
Emerging Markets

Öl ist nach wie vor der wichtigste Energierohstoff der Weltwirtschaft, und der größte Teil davon wird in einer Region gefördert, die weitgehend instabil ist. FR sprach mit Energieanalystin und Nahostexpertin Dr. Karin Kneissl über das schwarze Gold und die Geopolitik im Nahen Osten.

02.05.2017 | 13:48 Uhr von «Thomas Gräf»

FR: Frau Dr. Kneissl, verstehen Sie den Ölpreis?

 Kneissl: (lacht) Die meisten Preisveränderungen beim Erdöl lassen sich erst im Nachhinein erklären. Zur Zeit befinden wir uns in einer Phase niedriger Ölpreise, was neben dem Angebotsüberhang zudem auf einen Einbruch der Nachfrage zurückzuführen ist. Historisch sind solche Phasen keine Besonderheit. Auch in den 1980er Jahren kam es zu einem starken Einbruch der Nachfrage: Eigentlich hätte damals der Iran-Irak-Krieg für eine Verknappung und damit für eine weitere Verteuerung des Öls sorgen müssen. Tatsächlich aber ist der Preis bis Mitte der achtziger von über 80 auf knapp 30 US$ pro Barrel gefallen, weil damals die einsetzende Förderung von Öl in der Nordsee die Produktionsausfälle im Iran und Irak kompensieren konnte. Zudem sorgten die effizienteren Motoren der japanischen Automobilhersteller für sparsamere Fahrzeuge. Ähnliches spielt sich auch heute ab.

FR: Nach den Rekordständen zu Anfang des jetzigen Jahrzehnts ist der Ölpreis rapide gesunken. Man sagt, die Saudis halten den Ölpreis künstlich niedrig.

Kneissl: Saudi Arabien ist zwar der größte Produzent innerhalb der OPEC, aber die OPEC kontrolliert nur 40 Prozent der Weltproduktion. Der Einfluss der Saudis auf den Ölpreis ist also überschaubar. Außerdem schmerzt das niedrige Preisniveau die Saudis mehr als viele andere Produzenten. Zwar liegen die Produktionskosten in Saudi Arabien bei 10 US$ pro Barrel – bei der Offshore-Förderung sind es beispielsweise 40 US$ und beim Fracking 50 US$. Aber die Saudis verfügen über keinerlei Steuereinnahmen, um ihren üppigen Staatshaushalt zu finanzieren: Allein der Krieg im Jemen kostet das Königreich zwischen fünf bis acht Milliarden US$ im Monat. Bei einem Preis unter 90 US$ zehren die Saudis von den Devisenreserven.

FR: Momentan sind wir aber bei 50 US$ pro Barrel …

Kneissl: Für die Verbraucher mag der niedrige Ölpreis vielleicht angenehm sein, aber in der Ölindustrie sieht man das anders: Für viele Produzenten rechnen sich Investitionen erst, wenn der Preis nachhaltig über 60 bis 75 US$ liegt. Denn Förderprojekte haben eine Vorlaufzeit von fünf bis sieben Jahren, bis das erste Öl fließt. Wenn aber heute Investitionen in die Erdöl-Infrastruktur ausbleiben, kann es zukünftig wieder zu Engpässen kommen. Außerdem drohen dann Personalengpässe, wenn nämlich in Zukunft die Facharbeiter fehlen, während wieder vermehrt gefördert wird.
Und die niedrigen Preise lassen in vielen Förderstaaten die Einnahmen wegbrechen. Das kann zu Unruhen führen und den Migrationsdruck erhöhen. Außerdem sorgen Entlassungen asiatischer Arbeiter in der Ölindustrie dafür, dass in deren Heimatländern die Auslandsüberweisungen wegfallen.

FR: Bis vor einigen Jahren prägte der Begriff “Peak Oil” – dass die Welt auf ein Fördermaximum zusteuert und und uns danach das Erdöl ausgeht – die Diskussionen. Heute redet niemand mehr davon. Was hat sich verändert?

Kneissl: Es wird wohl zu einem Peak kommen, aber es wird nicht zu einem Förder- sondern zu einem Nachfrage-Maximum kommen. Die Rolle des Öls für den Transport könnte abnehmen, wenn auch nicht so schnell, wie viele meinen. Noch immer werden rund zwei Drittel des geförderten Öls im Transport verbraucht. Wie lange wir Erdöl noch für die Automobilindustrie benötigen, hängt vor allem davon ab, wie sich die Antriebstechnik weiter entwickelt, also weg vom Verbrennungsmotor; wobei ich der Brennstoffzelle mehr Zukunft gebe als der e-Mobilität. Der “Peak Demand” wird wohl erst zwischen 2030 und 2035 erreicht sein. Danach könnte die weltweite Nachfrage nach Erdöl schrumpfen.

FR: Der Nahe Osten bleibt eine der wichtigsten Förderregionen weltweit. Aber die politische Lage dort ist alles andere als stabil. Wie kann Europa dort Einfluss nehmen

Kneissl: Europa ist derzeit viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich fürchte, die Zeiten sind vorbei, als die USA und Europa den Gang der Geschichte noch geprägt haben. Die Welt orientiert sich nach Osten. China ist einer der mächtigsten Akteure in der Region, agiert diskret hinter den Kulissen. Wenn wir über China reden, müssen wir uns vor Augen halten, dass es sich hier um den ältesten Staat der Welt handelt. In dieser Position denkt man in ganz anderen Zeithorizonten als wir.

FR: Welche Interessen hat China im Nahen Osten?

Kneissl: Was sich seit 2014 vollzieht, ist der Wiederaufbau der Seidenstraße, bekannt als "One-Belt-One-Road": China will seine Waren bis nach Europa transportieren. Der Landweg endet in der Türkei und auf europäischer Seite in Athen – die chinesische Reederei Cosco hält bereits 67 Prozent der Anteile am Hafen von Piräus. Deshalb hat China großes Interesse an Stabilität im gesamten östlichen Mittelmeer, und daher wird die chinesische Führung auch nicht zulassen, dass der türkische Präsident sein Land ins Verderben führt. Auch in Syrien wird der Wiederaufbau wohl mit chinesischem Zement erfolgen, während Europa auf den Folgen der Misere sitzen bleibt.
Selbst Saudi Arabien gehört mittlerweile zur chinesischen Einflusssphäre. Die Situation ist hochgradig instabil. Das Königshaus steht auf tönernen Füßen, ein hoher Prozentsatz junger Saudis identifiziert sich mit dem Gedankengut des IS. Es besteht die Gefahr einer Palastrevolte. China ist aber größter Nettoimporteur von saudischem Öl – noch vor den USA. Da hat man wenig Interesse an einem Kollaps.

"One Belt One Road”, die neue chinesische Seidenstraße

FR: Erleben wir momentan so etwas wie einen Führungswechsel in der Geopolitik?

Kneissl: Tatsächlich kann man es mit “Changing of the Guards” ganz treffend beschreiben. Während Trump den Rückzug der USA aus der internationalen Politik verkündet, rückt China nach. Früher wurden in der Region Verwaltungen installiert, die die Interessen der britischen, später der US-amerikanischen Schutzmacht vertreten haben, heute sind es die Interessen der Chinesen. Aber Europa zahlt die Zeche.

FR: Das klingt wenig optimistisch …

Kneissl: Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter Europas, das 20. Jahrhundert war das transatlantische, aber das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter Chinas.

 

(TG)

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