Investitionen in erneuerbare Energien werden stark ansteigen.
04.07.2022 | 08:01 Uhr
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) in ihrer Studie zur Klimaneutralität „Net Zero by 2050“ verfügte die Welt bereits vor der Invasion über genügend operative Öl- und Gasfelder sowie Kohleminen, um die erwartete Nachfrage auf ihrem Weg bis 2050 zu decken. Der Zuwachs bei erneuerbarer Energie und Energieeffizienz blieb jedoch trotz beeindruckender Wachstumsraten hinter dem Ziel zurück (Abbildung).
Auch die Verbraucher passen sich schnell an. In einem allgemein schwachen Markt für Fahrzeugverkäufe ist der weltweite Absatz von E-Fahrzeugen im Jahr 2022 mit zwei Millionen verkauften Fahrzeugen im ersten Quartal weiter stark gestiegen – ein Plus von 75 % gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021 (laut Global EV Outlook).
Europäische und andere Regierungen haben umgehend gehandelt, um ihre Dekarbonisierungsziele voranzutreiben und neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und Energiesparmaßnahmen anzukündigen, wobei der REPowerEU-Plan der Europäischen Union (EU) ein bemerkenswertes Beispiel ist. Diese ehrgeizigen Programme stoßen jedoch auf praktische Hindernisse.
Theoretisch sollte es möglich sein, die Kapazität von Solar- und Onshore-Windkraftanlagen relativ schnell auszubauen und eine größere Rolle für Wasserstoff zu schaffen. In der Praxis führen jedoch Arbeitskräfte-, Lieferketten- und Planungsprobleme zu Engpässen. Und um wirklich sauber zu sein, muss Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Möglicherweise wird die Welt erst in den 2030er-Jahren über genügend überschüssige saubere Energie verfügen, damit Wasserstoff einen wesentlichen Beitrag zum Anteil der erneuerbaren Energien leisten kann. Ein weiteres Hindernis sind die Kosten, da die Preise für Metalle und Komponenten steigen.
Derzeit verfügt die Welt über weniger als 2 % freie Ölkapazitäten (nach Angaben von Saudi Aramco), die durch eine Normalisierung der Nachfrage in der Luftfahrtindustrie und/oder das Ende der COVID-19-Abschaltungen in China schnell absorbiert werden könnten. Die Krise in der Ukraine verschärft die bereits angespannte Versorgungslage weiter. Die Umverteilung der bestehenden Öl- und Gaslieferungen weltweit ist problematisch – so ist beispielsweise die Schaffung der Infrastruktur für den Transfer von mehr amerikanischem und asiatischem Flüssigerdgas nach Europa ein mehrjähriges Projekt.
Daher müssen im Interesse der Energiesicherheit weiterhin neue Öl- und Gasvorkommen erschlossen und gefördert werden. Ohne staatliche Unterstützung ist es unwahrscheinlich, dass die Öl- und Gasunternehmen die erforderlichen Anlagen entwickeln. Die Politiker müssen auch schwierige Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, die Kosten der Umstellung auf die Verbraucher umzulegen.
Die Aversion der Anleger gegenüber Öl- und Gasunternehmen hat die Bereitschaft dieser Unternehmen, in die vorgelagerte Öl- und Gasförderung zu investieren, gedämpft. Infolgedessen wird das neue Öl- und Gasangebot wahrscheinlich begrenzt sein und die Preise werden länger hoch bleiben. Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, insbesondere in den Schwellenländern, werden von diesen Kosten am stärksten betroffen sein. Angesichts mangelnder Energiesicherheit, Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit werden vor allem die Schwellenländer einfach mehr Kohle verbrennen, was die Umweltbelastung weiter erhöht.
Anleger, die bereit sind, sich mit den Managementteams von Öl- und Gasunternehmen auseinanderzusetzen, um sie zum Handeln zu bewegen – anstatt sie zu meiden und sich von ihnen zu trennen –, können dazu beitragen, dass diese Unternehmen solide Pläne für die Energiewende entwickeln.
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