Durch strenge Überwachung und gut kommuniziertes Tapering dürfte die Fed Ausfälle bei Kurzfristfinanzierungen vermeiden – trotz wachsender Risiken.
04.03.2024 | 07:34 Uhr
Angesichts rückläufiger Cash-Reserven innerhalb des US-Finanzsystems sagen einige Marktbeobachter eine Liquiditätsverknappung an den Finanzierungsmärkten voraus. Das sehen wir anders. Um den Grund dafür zu verstehen, muss man nachvollziehen, wie sich das aktuelle Umfeld herausgebildet hat.
Im Jahr 2020 erwarb die Federal Reserve als Reaktion auf die
Corona-Krise Treasuries und hypothekenbesicherte Wertpapiere
(Mortgage-Backed Securities, MBS) in umfangreichem Ausmaß, um die
Liquidität innerhalb des Wirtschaftssystems sicherzustellen. Infolge
dieser quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) wurde die
Bilanz der Fed aufgebläht und das Finanzsystem wurde mit Liquidität
geflutet, wodurch die Wirtschaft angekurbelt wurde.
Allerdings führte diese QE zu überschüssiger Liquidität an den
kurzfristigen Finanzierungsmärkten – d. h. zu viele Barmittel und zu
wenige Investitionsmöglichkeiten. Seit 2022 baut die Fed diese
überschüssige Liquidität im Rahmen einer quantitativen Straffung
(Quantitative Tightening, QT) wieder ab. Um ihre Bilanz zu verkleinern,
trat die Fed von ihrer Rolle aus bedeutender Käufer von Schuldtiteln
zurück, und bei den Schuldtiteln in ihrer Bilanz wurden die Erlöse nach
Fälligkeit nicht wieder reinvestiert.
Dies ist die Ausgangslage für die aktuelle Entwicklung, bei der die QT
allmählich in ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in
Bezug auf Cash und Wertpapiere mündet. Einige Marktbeobachter fühlen
sich an September 2019 erinnert, als die damalige QT aus dem Ruder lief
und die kurzfristigen Finanzierungsmärkte zum Erliegen brachte.
2019 hatte die Fed die Höhe der zur Aufrechterhaltung der Liquidität
innerhalb des Systems erforderlichen Bankreserven falsch eingeschätzt
und die QT zu lange aufrechterhalten, obwohl es zu einem spürbaren
Anstieg von Treasury-Emissionen und erheblichen Abflüssen aus
Geldmarktfonds gekommen war. Mit einfachen Worten: Es war nicht mehr
genug Cash vorhanden, um das Wertpapierangebot abzudecken. Die
Refinanzierungssätze stiegen auf 10%, und die Fed musste die QT abrupt
beenden und Notfall-Kreditfazilitäten bereitstellen, um wieder für
ausreichend Liquidität zu sorgen.
Unseres Erachtens zeigt sich aktuell jedoch ein anderes Bild. Die Fed
ist derzeit sehr bemüht, ein Gleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage herzustellen. Die Pläne zum Tapering der QT werden frühzeitig
kommuniziert. Zudem werden die Kennzahlen für die Liquidität an den
Finanzierungsmärkten durch die Notenbank genau beobachtet, um einen
reibungslosen Übergang sicherzustellen. So dürfte sie eine Wiederholung
von 2019 verhindern und die Anlegersorgen zerstreuen können.
Ein Maßstab für die überschüssige Liquidität ist die Reverse Repo (RRP)-Fazilität der Fed,
die von Geldmarktfonds und anderen Nicht-Bank-Finanzinstitutionen
genutzt wird, um überschüssige Barmittel einzusetzen – d.h. sie gewähren
der Fed Übernachtkredite zu einem festen Zinssatz (Repo-Geschäft). Die
Reverse Repo (RRP)-Fazilität bietet als ein wirksames Instrument einen
letzten Ausweg, falls kurzfristige Finanzierungsalternativen knapp
werden. Vor einem Jahr erreichten die RRP-Reserven ein immenses Volumen
von rund 2,5 Billionen USD.
Zuletzt wurden Reverse Repos jedoch weniger genutzt; zum einen, da die
Fed ihre Bilanz verkleinert, und zum anderen, da es für Geldmarktfonds
attraktivere Alternativen gibt, um ihre Barmittel anzulegen. Setzt sich
diese Entwicklung fort, könnte die RRP-Fazilität laut Konsensschätzung
bis zum Jahresende erschöpft sein und unter das Niveau von 100-200
Milliarden USD sinken, was das Ende der Überschussliquidität bedeuten
würde. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Derzeit werden Reverse
Repos in Höhe von über 500 Milliarden USD (Abbildung) in Anspruch genommen, was durch die Fed als ein umfangreiches Niveau erachtet wird.
Während Reverse Repos die überschüssige Liquidität abbilden, handelt es
sich bei der Standing Repo Facility (SRF) um ein Maß für unzureichende Liquidität.
Die Standing Repo-Fazilität stellt eine dauerhafte Version der 2019
ergriffenen Notfallmaßnahmen dar. Sie bietet Händlern, die eine
Finanzierung benötigen, die Möglichkeit, Kredite zu vordefinierten
Zinssätzen aufzunehmen, indem sie Treasuries und andere erstklassige
Wertpapiere als Sicherheiten hinterlegen. Dies dient als Absicherung für
einen unerwartet starken Anstieg der Tagesgeldzinsen.
Anders ausgedrückt: Es ist keine längere Nutzung der Standing
Repo-Fazilität zu erwarten, sofern der SOFR (Secured Overnight Financing
Rate) nicht die Obergrenze von 5,5% erreicht oder übersteigt. Das würde
dann auf eine unzureichende Liquidität des Finanzierungsmarktes bei dem
jeweiligen aktuellen Leitzins hindeuten. Im Umkehrschluss lässt ein
SOFR unterhalb der derzeitigen Untergrenze von 5,3% – der
Mindestzinssatz, zu dem Geldmarktfonds aktuell Übernachtgeschäfte am
Markt für Reverse Repos durchführen können – auf überschüssige
Liquidität schließen (Abbildung).
Solange sich der SOFR innerhalb dieser Spanne bewegt – was derzeit der Fall ist – befinden sich Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht. Bei einer rückläufigen Inanspruchnahme von Reverse Repos wird der SOFR allmählich in Richtung der Obergrenze von 5,5% steigen, was darauf hindeutet, dass die Fed die Drosselung ihrer QT beschleunigen oder die QT vollständig stoppen sollte – insbesondere, wenn die Standing Repo-Fazilität dauerhaft genutzt wird.
Die Fed behält jene Faktoren, die eine Liquiditätsknappheit
begünstigen könnten, genau im Auge. Zum einen verzeichneten
Geldmarktfonds massive Zuflüsse, als die Fed die Zinsen erhöhte.
Angesichts der bevorstehenden Zinslockerung dürften sich die
Liquiditätsflüsse jetzt wieder zugunsten der Anleihenmärkte verlagern.
Der damit verbundene Rückgang der Vermögenswerte der Geldmarktfonds dürfte den Abwärtstrend bei der Nutzung von Reverse Repos beschleunigen.
Das potenzielle Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird
zusätzlich dadurch gesteigert, dass das US-Treasury voraussichtlich
Netto-Neuemissionen im Volumen von 2,0 bis 2,5 Billionen USD begeben
wird, um seine Defizitausgaben 2024 zu finanzieren. Üblicherweise
springen die Großbanken ein und füllen diese Lücke am Markt für
kurzfristige Finanzierungen, indem sie als Market-Marker für das
US-Treasury fungieren, was zur Wiederherstellung der Marktliquidität
beitragen kann. Jedoch wurden die Banken im Rahmen der Reformen, die nach der globalen Finanzkrise in Kraft traten, dazu
verpflichtet, für ihre Vermögenswerte – darunter auch US-Staatsanleihen
– ein Mindestmaß an Kapital zurückzulegen. Diese Regulierung
beeinträchtigt die großen Banken in ihrer Vermittlerrolle und schränkt
ihre Fähigkeit ein, zusätzliche Risiken aufzunehmen.
Positiv anzumerken ist allerdings, dass die Fed diese
Liquiditätsrisiken erkannt und offenbar aus den Fehlern von 2019 gelernt
hat. So hat die Notenbank bereits ihre Absicht erklärt, die
quantitative Straffung zu drosseln. Dabei dient die Standing
Repo-Fazilität als Rücklage für etwaige erneute Herausforderungen beim
Management der Liquiditätsreserven. Die Inanspruchnahme der Standing
Repo-Fazilität ist ein mögliches frühes Warnzeichen dafür, dass sich
Angebot und Nachfrage auseinander bewegen.
In der Zwischenzeit beobachten wir die kurzfristigen
Finanzierungsmärkte und verfolgen auch die Entwicklung der Bankreserven
genau. Wir schließen uns dem Marktkonsens an, dass die Reserven zwischen
2,0 und 2,5 Billionen USD liegen sollten, damit ausreichend Liquidität
zur Verfügung steht, um ein reibungsloses Funktionieren des
Finanzsystems zu gewährleisten. Derzeit belaufen sich die Reserven auf
3,5 Billionen USD (Abbildung), was durch Fed-Vertreter als „mehr als umfangreich“ bezeichnet wurde.
Da die Fed die Situation sehr aufmerksam verfolgt, halten wir einen Liquiditätsengpass an den kurzfristigen Finanzierungsmärkten für unwahrscheinlich. Dennoch sollten Anleger jene Risiken, die einen Liquiditätsengpass begünstigen und Ausfälle an den Finanzierungsmärkten verursachten könnten, genau im Blick behalten. Die Anleger sollten selbst stets gut informiert bleiben und mit ebenso aufmerksamen und aktiven Managern zusammenarbeiten, um ihre Strategien an die sich verändernden Bedingungen anzupassen.
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