In diesem Monat beschäftigen wir uns mit Quantencomputing. Auf den ersten Blick klingt das nach Science-Fiction. Ist es aber nicht. Im Gegenteil:
06.12.2024 | 10:45 Uhr
Diese Technologie befindet sich zwar noch in einem frühen Stadium, lässt aber schon jetzt phänomenale Rechenleistungen erwarten. Vor allem aber weist der Quantencomputer interessante Verbindungen zur Künstlichen Intelligenz auf. Daher halten wir es für gerechtfertigt, die Aufmerksamkeit unserer Leser auf dieses Thema zu lenken ... und sie an den Physikunterricht in der Schule zu erinnern!
QUANTENCOMPUTING: WAS IST DAS?
Die elektronischen Schaltkreise der Computer, die wir täglich benutzen, verarbeiten Informationen in binärer Form, d. h. durch Darstellung als „0“ oder „1“. Diese beiden Zahlen, auch „Bits“ genannt, entsprechen einem elektrischen Signal: „1“ = ein elektrischer Strom fließt und „schaltet“ einen Schaltkreis ein, ähnlich wie man eine Glühbirne anschalten würde, „0“ = kein elektrischer Strom, also ist der Schaltkreis „ausgeschaltet“. Transistoren und andere elektronische Bauteile im Inneren des Computers übersetzen diese Ströme in Befehle, die schließlich zu einem Ergebnis für den Benutzer führen (z. B. „Dieses Zeichen wird auf dem Bildschirm angezeigt“). Auf die Leiterplatten herkömmlicher Chips können Milliarden von Transistoren geätzt werden (z. B. ca. 512 Milliarden für den Prozessor im Herzen eines mittelgroßen iPhones). Diese enorme Menge an Schaltkreisen führt zu leistungsstarken Computern. Eine solche technologische Architektur ist jedoch mit einigen Einschränkungen verbunden. Insbesondere zwingt sie dazu, Informationen sequentiell zu verarbeiten: Die Transistoren müssen nacheinander „eingeschaltet“ werden.
Die Architektur des Quantencomputings hingegen beruht auf Elementen, die sehr viel kleiner sind als ein elektronischer Schaltkreis: Das können einfache Atome, Elektronen, gefangene Ionen (= Atome, denen einige ihrer Elektronen fehlen), ein Photon (= ein Lichtteilchen) usw. sein. Diese Informationsträger in der Quanteninformatik werden als „Qubits“ bezeichnet. Auf dieser Skala werden die Teilchen von der Quantenphysik und nicht mehr von der traditionellen Physik beherrscht. Sie weisen daher besondere Eigenschaften auf, die so weit gehen, dass sie kontraintuitiv sind. Insbesondere befinden sich Qubits in einer Überlagerung von mehreren Zuständen gleichzeitig. Im Gegensatz zu ihren herkömmlichen Gegenstücken, die entweder 0 oder 1 sind, sind Qubits sowohl 0 als auch 1! Diese Eigenschaft ist zwar verwirrend, bietet aber einen unbestreitbaren Vorteil in der Informatik, da Berechnungen parallel (und nicht sequentiell wie bei herkömmlichen Computern) durchgeführt werden können. Daher ist der Quantencomputer für bestimmte Arten von Problemen, die sehr rechenintensiv sind, eine mit keiner anderen Technologie vergleichbare Alternative.
QUANTENCOMPUTING: WIE WEIT SIND WIR?
Quantencomputer befinden sich bereits in der Entwicklung. Einige wenige sind einsatzbereit. Richtiger ist es, von einer vielversprechenden Technologie zu sprechen, die in den Kinderschuhen steckt und sich erst noch bewähren muss. Verschiedene technische Entscheidungen liegen diesen Computern zugrunde. Die gängigste basiert auf supraleitenden Schaltkreisen und erfordert die Abkühlung von Atomen auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 °C!), um die Qubits zu erzeugen. Bei diesem Kältegrad offenbart sich die Quantennatur der Atome durch den Supraleitungseffekt: Die Schaltkreise ermöglichen praktisch widerstandsfrei elektrischen Stromfluss. Bei der Technologie der eingeschlossenen Ionen werden anstelle von Supraleitern Magnetfelder verwendet. Bei anderen Verfahren werden Laser eingesetzt usw. Alle diese Technologien haben unterschiedliche Vor-und Nachteile, z. B. in Bezug auf die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, die Fehlerrate, die Fähigkeit, Qubits zu „stapeln“ usw.
Einige große Unternehmen, die sich dem Quantencomputing verschrieben haben sind wohlbekannt, darunter IBM (dessen Osprey-Maschine 433 Qubits hat und in 10 Jahren 100.000 Qubits anstrebt), Google (das bis 2030 einen Computer mit einer Million Qubits anstrebt) und Amazon (das mit dem „Amazon Quantum Solutions Lab“ ein eigenes Forschungslabor auf diesem Gebiet eingerichtet hat und innerhalb seiner Abteilung für Datenhosting bereits das Quantenangebot „Amazon Bracket“ anbietet). Parallel dazu existieren mehr oder weniger ausgereifte Startups, die unterschiedliche technologische Wege erforschen.
Dazu gehören Oxford Quantum Circuits, IonQ (börsennotiert mit einer Kapitalisierung von heute 3 Mrd. $), PasQal (ein französisches Unternehmen), Quantinuum (in seiner letzten Finanzierungsrunde vor kurzem mit 5 Mrd. $ bewertet, steht das Unternehmen vor einem möglichen Börsengang im nächsten Jahr, der es mit 10 Mrd. $ bewerten könnte), PsiQuantum (das im Mai dieses Jahres fast 600 Mio. $ aufgebracht hat), Infleqtion, etc.
Insgesamt ist klar, dass Quantencomputer heute Spitzentechnologien erfordern und daher teuer sind: Der Quanten-PC für die breite Öffentlichkeit ist in seiner jetzigen Form nicht einmal in ferner Zukunft denkbar. Es versteht sich von selbst, dass das Ökosystem des Quantencomputings sich angesichts der Vielfalt der Akteure, der vielen möglichen technologischen Optionen und offenbar auch der verfügbaren Finanzmittel sehr dynamisch entwickelt.
QUANTENCOMPUTER: WOZU?
Der Quantencomputer ist trotz seiner Leistungsfähigkeit kein Allheilmittel. Seine technische Architektur ermöglicht es ihm, Algorithmen wesentlich effizienter auszuführen (indem er insbesondere die von herkömmlichen Computern vorgeschriebene Reihenfolge der Aufgaben vermeidet). Paradoxerweise erledigen herkömmliche Computer zwar jede einzelne Aufgabe schneller, müssen aber mehr Aufgaben erledigen als Quantencomputer. Es gibt hier also ein „Hase-gegen-Schildkröte“-Dilemma: Ist ein höheres Tempo mit vielen Schritten oder eine langsamere Geschwindigkeit mit erheblich weniger Schritten besser?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie komplex die zu lösenden Probleme sind. Aus diesem Grund sollten sich die Hauptanwendungsfälle des Quantencomputings logischerweise auf Branchen konzentrieren, die zu komplexen Optimierungsproblemen neigen die eine außergewöhnliche Rechenleistung erfordern :
QUANTENCOMPUTING: WAS HAT ES MIT KÜNSTLICHER INTELLIGENZ ZU TUN?
In der Zukunft ist eine Quantentechnologie für maschinelles Lernen denkbar. Sie wird es ermöglichen, große Sprachmodelle auf riesige Datenmengen zu trainieren, wodurch sie leistungsfähiger und ihre Antworten relevanter werden. Hier entsteht eine erste Verbindung zwischen Quantencomputern und Künstlicher Intelligenz, auch wenn es viel zu früh für eine konkrete Umsetzung ist, da Quantencomputer weder weit genug verbreitet noch leistungsstark genug sind.
Der andere wichtige Zusammenhang zwischen diesen beiden Technologien ist vielleicht weniger bekannt, kann sich aber als entscheidend erweisen. Er betrifft den Energieverbrauch. Ein herkömmlicher Supercomputer benötigt heute eine elektrische Leistung zwischen 20 und 40 MW. Das entspricht dem Strombedarf von 15.000 Haushalten. Im Vergleich dazu benötigt sein Quanten-Pendant so viel Strom wie ein Dutzend haushaltsüblicher! Mit der erwarteten Einrichtung riesiger Rechenzentren, in denen die Daten gespeichert werden, die die KI zunehmend benötigt und ohne die sie sich nicht entwickeln kann, wird dieses Thema von entscheidender Bedeutung sein. Denn Rechenzentren basieren auf Computerservern die besonders viel Strom verbrauchen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Computern haben Quantencomputer den großen Vorteil, dass ihr Stromverbrauch nicht im gleichen Maße wie ihre Rechenleistung steigt.
Dennoch sollten die beiden Formen des Computings im Bereich der KI nicht gegeneinander ausgespielt werden: Es ist eine Kombination möglich, bei der Quantencomputer in Rechenzentren integriert und mit herkömmlichen Computern vernetzt werden. Dies wäre ein akzeptabler Kompromiss in Bezug auf die Kosten und ideal in Bezug auf den Energieverbrauch. Letzteres ist eine der größten Herausforderungen für die Zukunft der KI.
Keines der vorstehend genannten Unternehmen stellt eine Anlageempfehlung dar. Eine Wertentwicklung in der Vergangenheit darf nicht als Hinweis oder Garantie für die zukünftige Wertentwicklung angesehen werden. Sie unterliegt im Zeitverlauf Schwankungen.
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