Die US Federal Reserve (Fed) hat die Zielspanne für ihre Federal Funds Rate um 25 Basispunkte auf 0,25% bis 0,50% angehoben und damit einen vermutlich kräftigen Zinserhöhungszyklus eingeleitet.
01.04.2022 | 15:56 Uhr
Die Zentralbank steht vor der Herausforderung, die Inflation im Zaum zu halten, obgleich sich die Aussichten für die Weltkonjunktur aufgrund eines Rohstoffpreisschocks nach der Invasion Russlands in die Ukraine eingetrübt haben.
Fed-Chef Jerome Powell hat in seinen Aussagen bekräftigt, dass die Zentralbank in erster Linie die Inflation dämpfen will – die derzeit so hoch ist wie zuletzt vor 40 Jahren – und alles Mögliche tun will, um sie wieder dem Zielwert anzunähern. Außerdem verwies er auf das recht gute Wachstum und die gute Lage am Arbeitsmarkt. „Alles spricht dafür, dass die Wirtschaft sehr stark ist“, sagte Powell. „Tatsächlich dürfte das Wachstum steigen … wenn die Geldpolitik straffer wird.“
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Inflation hoch bleiben wird und die Geldpolitik zu spät dran ist. Die Marktteilnehmer rechnen für 2022 mit etwa sieben Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte. Powell scheint zuversichtlich, dass die US-Wirtschaft höhere Zinsen vertragen kann. Und wenn es nicht zu einem fundamentalen Schock kommt, dürfte die Fed ihren Zinserhöhungszyklus in diesem Jahr fortsetzen. Ihr Vorsitzender schloss auch die Möglichkeit einer Anhebung um 50 Basispunkte nicht aus, äußerte sich aber nicht dazu, was eine solche Entscheidung auslösen könnte.
Powell unterstrich, dass er einen Rückgang der Inflation zum Vormonat sehen wolle. Die Fed ist zunehmend besorgt, dass die Inflation nicht mehr zu bändigen ist, und nach ihren letzten Prognosen könnte sie die Zinsen bis 2023 auch über ihren geschätzten langfristigen neutralen Satz von 2,4% hinaus anheben. Der neutrale Satz ist eine theoretische Federal Funds Rate, bei der die Geldpolitik weder expansiv noch restriktiv ist.
Auf Grundlage unserer Einschätzung haben wir unsere Anleihenportfolios auf die straffere Geldpolitik vorbereitet. Wir setzen auf eine kurze Duration und investieren vorwiegend in Zweijahresanleihen. Wir erwarten eine weitere Verflachung der Treasury-Kurve. Papiere mit kürzeren Laufzeiten dürften steigen, während die langfristigen Anleihen vermutlich recht stabil bleiben.
Außerdem gehen wir davon aus, dass die Fed im Mai ein Quantitative Tightening ab Juni ankündigt und ihren Leitzins im Mai erneut anhebt. Vermutlich wird die Zentralbank ihre Bilanzsumme verringern, indem sie auslaufende Anleihen nicht durch neue ersetzt. Auch aktive Verkäufe sind eine Möglichkeit, aber nicht die von der Fed bevorzugte Maßnahme.
Obgleich sich die Wachstumsaussichten wegen des Krieges in der Ukraine eingetrübt haben, konzentriert sich die Fed auf die Bekämpfung der Inflation. Im Februar ist die Teuerung stark gestiegen. Gesamt- und Kerninflation legten auf 7,9% und 6,4% zum Vorjahr zu. Wir gehen noch immer von einem allgemeinen Preisdruck in vielen Branchen aus und beziffern die Wahrscheinlichkeit einer steigenden Kerninflation in den nächsten Monaten mit 50%. Die Wohnkosten, die größte Komponente des dem Verbraucherpreisindex zugrunde liegenden Warenkorbs, sind um 4,8% zum Vorjahr gestiegen, so stark wie zuletzt in den frühen 1990er-Jahren. Aber selbst unter Ausschluss der Wohnkosten und anderer Kategorien mit einer starken Teuerung ist der Verbraucherpreisindex hoch und steigt weiter.
Auch der starke Anstieg der Rohstoffpreise (Energie, Metalle, sonstige Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte) treibt die Inflation nach oben. In den letzten zwei Jahren hat sich der Bloomberg Commodity Index verdoppelt und damit so stark angezogen wie zuletzt zu Beginn der 1980er-Jahre. Am meisten betroffen von der hohen Inflation sind vermutlich Verbraucher mit niedrigen Einkommen, weil Nahrungsmittel und Gas einen großen Anteil an ihren Ausgaben ausmachen.
Da die Lieferkettenstörungen vermutlich noch eine Weile anhalten werden und das Risiko noch höherer Nahrungsmittel- und Energiepreise durch den Krieg noch gestiegen ist, rechnen die Akteure am Anleihenmarkt mit einem Anstieg der Inflationsrisikoprämie (ein Maß für die Prämie, die Investoren fordern, weil sie mit einer unerwartet starken Inflationsänderung während der Laufzeit der von ihnen gehaltenen Anleihen rechnen). Die Break-even-Inflation fünfjähriger Treasury Inflation-Protected Securities (TIPS) ist in diesem Jahr von 3,0% auf etwa 3,5% gestiegen. Das ist der Höchststand seit Einführung dieser Assetklasse.
Steigende Löhne und eine Vielzahl anderer Indikatoren signalisieren anhaltenden Druck am Arbeitsmarkt, den Powell am Mittwoch als „ungesund“ eng bezeichnete. Im Februar sind in den USA 678.000 neue Stellen entstanden, und die Arbeitslosenquote ging auf 3,8% zurück. Ebenfalls im Februar erholte sich die Partizipationsquote auf 62,3%, ihren höchsten Stand seit März 2020 – ein Zeichen dafür, dass immer weniger Menschen nicht am Arbeitsleben teilnehmen. Außerdem ist die Zahl der Kündigungen seitens der Arbeitnehmer so hoch wie selten. Offenbar sind sich immer mehr Beschäftigte sicher, dass sie eine neue, häufig besser bezahlte, Stelle finden können. Die durchschnittlichen Stundenlöhne haben sich im Februar gegenüber Januar nicht verändert, sind aber in den letzten zwölf Monaten um 5,1% gestiegen.
Wir halten es für am wahrscheinlichsten, dass die Fed ihre Geldpolitik stetig straffen will, mit mehreren aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte – so lange, bis die Leitzinsen bei oder leicht über dem neutralen Wert liegen. Wir schließen aber auch nicht aus, dass die Fed das Tempo anzieht, also eher wie Paul Volcker vorgeht. 1981 hat der damalige Fed-Chef Volcker die Zinsen kräftig erhöht, um die galoppierende Inflation zu stoppen.
Die sozialen Folgen stellen die Zentralbank vor eine schwierige Wahl. Wenn ihre Geldpolitik locker bleibt, sodass die Inflation außer Kontrolle gerät, würden die Nahrungsmittel- und Energiepreise vermutlich mit am stärksten steigen. Bei einer starken Straffung mit Folgen für das Wachstum würde wohl die Arbeitslosenquote steigen, sodass die Löhne nicht mehr angehoben würden.
Mit ihren Plänen ist die Fed nicht allein. Auch in Europa haben wichtige Zentralbanken in den letzten Wochen geldpolitische Straffungen in Aussicht gestellt, weil auch hier die Inflation weiter über den Zielwerten liegt.
Nach ihrer Märzsitzung erklärte die Europäische Zentralbank (EZB), einen restriktiveren Weg einzuschlagen. Sie plant, ihr Wertpapierkaufprogramm bis zum 3. Quartal dieses Jahres zu beenden und zugleich eine mögliche Zinserhöhung vorzubereiten.
Trotz der Wachstumsrisiken infolge des Krieges in der Ukraine sprach EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor allem über die Inflationsrisiken und betonte, dass die Position des EZB-Rates darauf beruhe, „flexibel zu bleiben und sich Optionen offenzuhalten“. Kurz laufende Anleihen spiegeln Zinserhöhungen um etwa 30 Basispunkte bis Ende 2022 wider.
Die Bank of England dürfte dagegen heute (17. März) ihre Zinsen erneut anheben, vermutlich auf 0,75%. Im Februar hatte sie den Leitzins bereits um 25 Basispunkte erhöht und ein passives Quantitative Tightening angekündigt. Alles in allem dürften sich durch all diese Entscheidungen die Finanzbedingungen in den meisten Industrieländern verschlechtern.
Ritchie Tuazon ist Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 20 Jahren Branchenerfahrung. Er hat einen MBA vom MIT sowie einen Master in öffentlicher Verwaltung von Harvard und einen Bachelor-Abschluss von der University of California, Berkeley.
Tim Ng ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 15 Jahren Branchenerfahrung. Er erwarb einen Bachelor-Abschluss mit Auszeichnung in Informatik an der University of Waterloo, Ontario.
Thomas Hollenberg ist ein Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere mit 15 Jahren Branchenerfahrung. Er hat einen MBA in Finanzen von der MIT Sloan School of Management und einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften vom Boston College.
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