Ende 2023 hatten die Marktteilnehmer für das Jahr 2024
mehrheitlich sechs und mehr Zinsschritte in den USA erwartet. Jetzt sehen sie
im Mittel nur noch 1,4 Senkungen. Die Lockerung der Geldpolitik wird
voraussichtlich später, langsamer und deutlich weniger stark geschehen als
erwartet.
Das bestätigt unsere Überzeugung, die wir seit einiger Zeit
vertreten: Die Fed wird die Leitzinsen von ihrer aktuellen Spanne von 5,25
Prozent bis 5,5 Prozent dieses Jahr voraussichtlich nur geringfügig senken.
Gerade in den USA werden wir für längere Zeit höhere Geldmarksätze und, in der
Konsequenz, relativ hohe Anleiherenditen sehen.
Auf was für Zins- und Renditeniveaus müssen wir uns also
längerfristig einstellen? Wir gehen davon aus, dass die Null- und
Negativzinssätze auf absehbare Zeit nicht wiederkehren werden. Aber in welcher
Größenordnung werden sich die Leitzinssätze künftig bewegen?
Unter Ökonomen wird eine Debatte geführt, wo der „neutrale“
oder konzeptionell eng verwandte „natürliche“ Zinssatz im aktuellen Umfeld
liegen könnte. Der neutrale Zins ist jener reale (inflationsbereinigte)
Zinssatz, zu dem das Produktionspotenzial voll ausgelastet ist und gleichzeitig
Preisstabilität herrscht. Geht eine Notenbank über diesen Zins hinaus, so
betreibt sie eine restriktive Geldpolitik, bei der sie versucht, das Wachstum
der Wirtschaft und die Inflation zu bremsen.
In der Praxis lässt sich kaum bestimmen, wo dieser neutrale
Zins genau liegt. Mit einiger Gewissheit lässt sich jedoch sagen: Aktuell haben
die Fed und die EZB die Leitzinsen über diesen Zinssatz angehoben. Schließlich
wollen beide die Inflation dämpfen.
Obwohl die Fed in den vergangenen zwei Jahren ihre
Leitzinsen elf Mal in Folge angehoben hat, lag die Inflationsrate in den USA im
März 2024 immer noch bei 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die
Kerninflationsrate, bei der die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel
ausgeklammert werden, betrug 3,8 Prozent. Diese Werte liegen nicht nur deutlich
über dem Ziel von 2 Prozent, das sich die Fed – wie auch die EZB –
mittelfristig gesetzt hat. Es zeigt sich auch, dass die Inflation in den USA
zwar nicht dramatisch hoch ist, sie sich aber doch hartnäckiger hält als
gedacht. Die Hoffnung, die durch Corona und den Ukraine-Krieg ausgelösten
Preisschocks könnten rasch überwunden werden, hat sich jedenfalls nicht
bewahrheitet.
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