Große geldpolitische Umschwünge machen ausgewählte lokale Frontier-Märkte für Anleger attraktiv. Dieser Ansicht ist Peter Becker, Investment Director bei Capital Group:
02.10.2024 | 07:35 Uhr
„Einige Frontier-Märkte, darunter die Türkei, Ägypten und Nigeria, sind zuletzt zu einer strafferen Geldpolitik übergegangen und haben ihre Wechselkurse angepasst, was eine erhebliche wirtschaftliche Stabilisierung ermöglicht hat.“
In der Türkei hätten unhaltbare politische Entscheidungen und zahlreiche Währungskrisen in den letzten Jahren das ausländische Engagement auf den inländischen Anleihemärkten verringert, sodass sich türkische Anleihen inzwischen eher wie Grenzmärkte verhalten würden, die durch Wechselkursmanagement und hohe Carrys gekennzeichnet seien. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai 2023 hätten jedoch eine neue wirtschaftliche Führung hervorgebracht, welche die Straffung der Geldpolitik vorangetrieben habe, um die Vertrauenskrise zu überwinden. „Angetrieben durch den anhaltend starken Konsum und die Importe ist der Inflationsdruck in der Türkei nach wie vor hoch, hat aber aufgrund der strafferen Geldpolitik nachgelassen“, so Becker. Die jüngsten Reformen dürften auch die Nachfrage der Bevölkerung nach der Landeswährung und die makroökonomische Neuausrichtung der Wirtschaft (langsameres Kreditwachstum, geringeres Leistungsbilanzdefizit) stärken. „Jetzt, wo die Wahlen hinter uns liegen, besteht eine begründete Chance, dass der derzeit verfolgte traditionellere wirtschaftspolitische Kurs fortgesetzt werden kann“, so Becker.
Auch in Nigeria habe es nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2023 erhebliche Änderungen in der Geld- und Wechselkurspolitik gegeben. „Die nigerianische Zentralbank hat nicht nur die Leitzinsen und die Barreserveanforderungen für Banken erhöht, sondern auch die Währung zweimal abgewertet“, erläutert Becker. „Obwohl die Währung seitdem wieder etwas an Wert gewonnen hat, ist sie auf der Grundlage vieler Messgrößen für den realen effektiven Wechselkurs weiterhin deutlich unterbewertet. Wir sehen hier deshalb Potenzial für eine nominale Aufwertung.“ Die Kombination aus geld- und fiskalpolitischen Änderungen dürfte neue Kapitalzuflüsse anlocken, zumal die Realzinsen jetzt im positiven Bereich lägen, so der Experte. In der Zwischenzeit steige die Ölproduktion in Nigeria von einem zuvor sehr niedrigen Niveau aus an, was zum Wiederaufstocken der Devisenreserven beitragen dürfte.
In Ägypten hätten die umfangreichen ausländischen Direktinvestitionen und die Finanzierung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) die Aussichten für das Land verändert. „Ägypten hat das ägyptische Pfund um rund 50 Prozent abgewertet und den Leitzins im März um 600 Basispunkte angehoben, was den realen Leitzins in den positiven Bereich gedrückt hat“, erklärt Becker. Das strategische Abkommen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten über die Entwicklung der ägyptischen Nordküstenregion habe ebenfalls zu bedeutenden Investitionen geführt, die Ägypten einen großen Betrag an Devisen eingebracht hätten. Dies habe die Risiken der Auslandsfinanzierung und die Abhängigkeit von Portfoliozuflüssen verringert.
Weitere unterstützende Faktoren für lokale Frontier-Märkte
Darüber hinaus gibt es aus Sicht Beckers drei Faktoren, die für
Frontier-Märkte sprechen. Erstens: Frontier-Märkte würden in der Regel
nur eine geringe Korrelation mit entwickelten und Schwellenländermärkten
sowie mit anderen Frontier-Märkten aufweisen. Ein Grund dafür sei, dass
sie überwiegend im Besitz einheimischer, also nicht globaler Anleger
seien und zudem meist nicht passiv gehalten würden. Zudem seien
Frontier-Staaten weniger verschuldet, was eine geringere Korrelation mit
globalen Währungs- und Zinsschwankungen zur Folge hätte. Zusätzlich
seien diese Länder generell weniger am globalen Handel beteiligt.
Zweitens: Viele Frontier-Märkte hätten in den letzten Monaten ihre Reserven in ausländischen Währungen aufgestockt, dank besserer Leistungsbilanzen, die zum Teil durch die Rohstoffpreise begünstigt worden seien, aber auch dank eines verbesserten Zugangs zu Auslandsfinanzierungen, sowohl kommerzieller als auch öffentlicher Art.
Drittens: Frontier-Märkte würden derzeit von relativ hohen Renditen profitieren, da die politischen Entscheidungsträger die Zinssätze erhöht hätten, um ausländisches Kapital anzuziehen und die Inflation zu kontrollieren. „Zwar sind die Zinssätze in vielen Frontier-Märkten auf realer Basis nach wie vor niedrig oder negativ“, erklärt Becker. „Doch dürften sie sich angesichts des in vielen Ländern laufenden Desinflationsprozesses in Zukunft positiv entwickeln. Darüber hinaus sollten sie im Vergleich zu den Zinssätzen in den Schwellenländern und den Industrienationen noch attraktiver werden, sobald die globalen Zentralbanken mit ihren Zinssenkungszyklen vorankommen.“
Viele Frontier-Währungen seien während der Corona-Pandemie wenig attraktiv gewesen, da die verwalteten Wechselkurse nicht an den höheren Inflationsdruck angepasst worden seien. Seitdem hätte eine Reihe von Ländern ihre Währungen jedoch abgewertet und die Leitzinsen angehoben, was die Währungen stützen dürfte.
Fazit:
„Die Frontier-Märkte waren in den letzten Jahren mit einer Reihe von
Schocks konfrontiert, die viele von ihnen in eine Finanzmarktkrise
gestürzt haben“, resümiert Becker. „Mittlerweile sehen wir jedoch
Chancen in einigen ausgewählten lokalen Märkten, in denen die jüngsten
politischen Veränderungen zu einer Verbesserung des grundlegenden
makroökonomischen Umfelds geführt haben. Die Aussichten für die
Assetklasse sind positiv. Sie bietet Diversifizierung, unkorrelierten
Renditen, bessere Fremdwährungspolster und steigende Bewertungen.
Allerdings ist es wichtig, jedes Land sorgfältig und detailliert zu
analysieren, da es immer noch große Unterschiede gibt.“
Diesen Beitrag teilen: