DPAM: EU-Klimapolitik vor holprigen Jahren

Gerrit Dubois, Responsible Investment Specialist bei DPAM
Kommentar

Die kommenden Jahre dürften für die EU-Klimapolitik holprig werden, urteilt Gerrit Dubois, Responsible Investment Specialist bei DPAM.

16.05.2024 | 09:13 Uhr

Geopolitik und Protektionismus der Mitgliedstaaten könnten Vereinbarungen und neue Regeln bremsen und konkreten Maßnahmen zur Dekarbonisierung sowie ihrer steuerlichen Unterstützung im Wege stehen. Ein Beispiel ist die Energiebesteuerungsrichtlinie: Deren Überarbeitung wurde 2021 vorgelegt, dann aufgrund des Widerstands mehrerer Mitgliedstaaten verschoben; der zweite Versuch steckt in Verhandlungen fest. Die anstehenden Wahlen bzw. deren Ergebnisse dürften weitere regulatorische Entwicklungen beeinträchtigen.

Hoffnung durch gemeinsame Interessen

Hoffnung machen die übereinstimmenden Interessen zur Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit der EU, letztere eine Priorität der größten Gruppe im EU-Parlament, der Europäischen Volkspartei. Entscheidend für den Übergang ist der Net Zero Industry Act (NZIA). Dessen weitere Umsetzung müsste bald beschlossen werden, um dem Inflation Reduction Act der USA und dem chinesischen Subventionsschub zu begegnen. Dies sollte die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken und das Ziel erreichbar machen, bis 2030 40 % der sauberen Technologien in Europa zu produzieren. Die (subventionierten) inländischen Produktionskapazitäten sollen rasch erweitert werden, indem die Skalierbarkeit von EU-Firmen in Sektoren wie Batterien, Wärmepumpen, Elektrofahrzeugen oder Biomethan ermöglicht wird. Gleichzeitig soll die (chinesische) Subventionierung von Importen neuer Technologien geprüft werden, ohne deren Einfuhren vollständig zu beschränken.

Die Mitgliedsstaaten müssten dafür ihre nationalen Subventions-, Beschaffungs- und Ausgabenprogramme überarbeiten. Nicht-preisliche Kriterien müssten in die Versteigerung von erneuerbaren Energien einbezogen werden, um inländische Anbieter wettbewerbsfähig zu machen. Aber auch beim öffentlichen Beschaffungswesen muss sich einiges tun, wie Draghi in seinem Bericht über die Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU betont.

Nächste Phase des Green Deal

Diese Schritte markieren den Beginn der nächsten Phase des Green Deal. Diese soll eine Dekarbonisierung der EU-Industrie gewährleisten und gleichzeitig die Deindustrialisierung Europas verhindern. Mit anderen Worten: Die Industrie muss auf wettbewerbsfähige Weise dekarbonisiert werden. Die Phase muss daher noch umfassender und flexibler werden und sich nicht nur auf die Industrie und die Verbraucher, sondern auch auf Diplomatie, Handel und Finanzen beziehen. Die Position innerhalb der strategischen Agenda 2024-2029 des Europäischen Rates, die im Juni 2024 verabschiedet werden soll, ist daher von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass der grüne Übergang genutzt wird, um die industrielle Positionierung der EU zu stärken und eine ausreichende Unterstützung durch das EU-Parlament zu gewinnen.

Darüber hinaus hat der Europäische Rat auf der Grundlage des Draghi-Berichts über die Wettbewerbsfähigkeit der EU und des Letta-Berichts über die Entwicklung des EU-Binnenmarkts vier Bereiche hervorgehoben, um den grünen und digitalen Wandel im Binnenmarkt voranzutreiben: verbesserter Zugang zu Kapital für EU-Unternehmen, Senkung der Energiekosten, verbesserte Qualifikationen der Arbeitskräfte und Stärkung des Handels mit dem Rest der Welt.

Finanzierung – ein Politikum

Insbesondere die Finanzierungsherausforderung ist enorm. Während Möglichkeiten durch den Emissionshandelsfonds (ETS) und den Fonds der Plattform für strategische Technologien für Europa (STEP) geprüft werden, dürften zusätzliche Mittel bei den bevorstehenden Wahlen und weiteren Verhandlungen zentrale Streitpunkte sein.

Eine weitere große Herausforderung ist die Akzeptanz der EU-Bürger: Soziale Unruhen werden die Debatten weiter anheizen und Spielwiese der Populisten sein, wenn der Übergang nicht auf eine integrative, aber dennoch mutige und durchdachte Weise gehandhabt wird. Aus Verkehr und Landwirtschaft stammen ca. 25 % bzw. 11 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU ausmachen, während die Auswirkungen des Klimawandels die Kosten weiter in die Höhe treiben.

Werden der neue Rat, das Parlament und die Kommission zu Zuckerbrot oder Peitsche greifen, um ihre Treibhausgas-Reduktionsziele zu erreichen, sowohl kurz- als auch langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und die Akzeptanz der Wählerschaft zu sichern? In jedem Fall werden sich die Risiken des Klimawandels und die Bemühungen um dessen Eindämmung weiterhin auf den Markt auswirken, und zwar unabhängig von der Anlageklasse. Die kommenden Jahre dürften für Politiker, Bürger, Unternehmen und Finanzinstitute holprig werden.


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