Drastische Maßnahmen sind erforderlich, um die globale Erwärmung auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Gerrit Dubois, Responsible Investment Specialist DPAM, beschäftigt sich mit den wichtigsten Ereignissen, die darüber mitentscheiden werden, ob dieses Ziel erreicht wird.
10.04.2024 | 09:55 Uhr
Auf der COP28 in Dubai wurde viel darüber diskutiert, ob das 1,5°C-Ziel erreicht werden kann. Einige Aktivisten und Wissenschaftler fordern, unser kollektives Scheitern anzuerkennen, da eine drastische Reduzierung der Emissionen erforderlich ist. Es ist jedoch immer noch möglich. Die nächsten zwei Jahre werden entscheidend sein. Auf der COP29 in Aserbaidschan müssen die Vertragsparteien neue Finanzierungsziele festlegen, während sich die COP30 in Brasilien auf die Aktualisierung der national festgelegten Beiträge konzentrieren wird, die die gesamte Wirtschaft umfassen und alle Treibhausgase abdecken.
Hier einige der Ereignisse im Zusammenhang mit der Klimafinanzierung, die es in den Jahren 2024-2025 zu beobachten gilt:
1. Wahlen rund um die Welt: In diesem und dem nächsten Jahr ist fast die Hälfte der Weltbevölkerung zur Wahl aufgerufen – von den USA, dem Vereinigten Königreich und der EU bis hin zu Indonesien und Südafrika. Diese Wahlen finden zu einer Zeit statt, in der Bewegungen gegen Klimaschutzmaßnahmen und der (Energie-)Protektionismus zunimmt. Für die Befürworter der Klimapolitik wird es von entscheidender Bedeutung sein, über die Auswirkungen der Klimaschutzvorschläge auf Emissionen und individuelle Kosten bzw. Gewinne/Verluste zu informieren. Auf jeden Fall dürften die Wahlergebnisse erhebliche Auswirkungen auf klimabezogene Investitionen haben.
2. Globale Konflikte: Der Russland-Ukraine-Krieg, der Israel-Palästina-Konflikt und der Handelskrieg zwischen den USA und China wirken sich auf die klimabezogenen Lieferketten, die Inflation sowie auf die globalen Rohstoff- und Energiepreise aus und werden dies auch weiter machen.
3. Entwicklungen auf EU-Ebene: Die Europäische Kommission hat vor kurzem ihren Vorschlag für eine Verpflichtung zur Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 um 90 % gegenüber dem Stand von 1990 bekanntgegeben. Die Zustimmung des EU-Parlaments hängt vom Ergebnis der Europawahl im Juni ab. Das Gesetz über die Net-Zero-Industrie macht Fortschritte; es sieht erhebliche Vorteile für die Solarindustrie vor, darunter eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren für große Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien. Darüber hinaus erleichtert die Europäische Windcharta den Prozess, und WindEurope berichtet von einer Zunahme der Genehmigungen und Investitionen. Die Finanzierungsentscheidungen des EU-Innovationsfonds, die den Zugang zu €4,8 Mrd für die Einführung von Net-Zero-Technologien ermöglichen, werden sich ebenso auswirken wie die Einführung von 166 grenzüberschreitenden Energieprojekten, die den europäischen Green Deal vorantreiben sollen. Mehrere Überarbeitungen des EU-Emissionshandelssystems in Kombination mit Markteffekten haben zu einem starken Rückgang des Preises für Emissionszertifikate geführt, der im Februar 2024 auf ein 23-Monats-Tief sank.
4. Entwicklungen in Asien: Dazu gehören ein erwartetes Top an Emissionen in China, Japan als erster Emittent von Staatsanleihen in Höhe von 11 Mrd. USD für die Transformation sowie Veränderungen in Indiens Ausbaugeschwindigkeit von Kohle gegenüber erneuerbaren Energien.
5. US-Entwicklungen: Die Präsidentschaftswahl, die Umsetzung des US-Inflationsbekämpfungsgesetzes und die Offenlegungsvorschriften der Börsenaufsichtsbehörde, die für Mitte 2024 erwartet werden, machen die Lage ungewiss. Fraglich ist auch, ob die enormen Gewinne der zehn größten US-amerikanischen Öl- und Gasunternehmen in der bisherigen Amtszeit Joe Bidens ihm im Wahlkampf positiv angerechnet werden, während seine Regierung eine ehrgeizige Klima-Agenda verfolgt.
6. US-China-Klimagespräche: Nach dem Abgang der Klimadiplomaten John Kerry und Xie Zhenhua, die den Weg für bahnbrechende Abkommen geebnet haben, ist unklar, ob es zu einer weiteren Zusammenarbeit oder einem Wettbewerb zwischen den beiden Treibhausgas-Giganten kommen wird. Wie werden sich die Lieferkettengespräche in den kommenden Monaten auswirken?
7. El Nino und anderen Klimaereignisse: Diese werden möglicherweise die Inflation anheizen. Für die Unternehmen könnten sich physische Ereignisse betrieblich auswirken oder Lieferketten unterbrechen, während für Staaten das Bonitätsrisiko steigen könnte. Folglich müssen die Zentralbanken das Bewusstsein für physische Risiken, den Zugang zu schneller Finanzierung und die Möglichkeit zur Aufnahme zusätzlicher Schulden im Auge behalten.
8. Offenlegungspflichten für Klimaübergangspläne von Unternehmen: Was sich in verschiedenen Regionen auf diesem Gebiet tut, wird sich über die Nachfrage- und Angebotsdynamik auf Unternehmen auswirken. Entsprechend wird sich die Wahrnehmung und Bewertung durch die Investoren anpassen.
9. Klima-Überprüfung von Finanz-Vorschriften: Klimastresstests und Kapitalanforderungen der EZB, der Bank of England und der Fed sowie das Greening-Programm der EZB und die Versicherungsaufsicht werden eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie die Weiterverfolgung der Pilot-Klimaszenarioanalyse der Fed. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission die europäischen Finanz-Aufsichtsbehörden gebeten, die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors während des Übergangs zu den Klimazielen der Europäischen Kommission für 2030 zu testen. Das US-Finanzministerium hat Grundsätze für Net-Zero-Finanzierungen und -Investitionen veröffentlicht.
10. Preisdynamik bei erneuerbaren Energien, EV-Wettbewerb und technische Entwicklungen: Fortschritte bei der Kohlenstoffabscheidung, bei Kernenergie, Wasserstoff und Klimatechnologie sowie KI-Lösungen zur Dekarbonisierung sollten Anlegern nicht entgehen. Bis zum Jahr 2030 besteht ein erheblicher Finanzierungsbedarf von schätzungsweise bis zu USD 4,5 Billionen jährlich; die Investitionsmöglichkeiten nehmen zu. Darüber hinaus könnte die EZB ihren geldpolitischen Ansatz anpassen, um den Übergang zu einer grünen Wirtschaft zu unterstützen. Allerdings könnten die Jahre 2024 und 2025 aufgrund der (geo)politischen Unsicherheit, des Protektionismus und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaft für Finanzinstitute holprig werden.
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