Larissa Joubert, Buy-Side Fixed-Income ESG Analyst, und Michaël Oblin Fixed Income Analyst, beide bei DPAM, untersuchen am konkreten Beispiel, wie der Markt mit nachhaltigkeitsorientierten Anleihen umgeht, die ihre Ziele verfehlen:
22.05.2024 | 09:31 Uhr
Nachhaltigkeitsorientierte Anleihen (oder Sustainability-linked Bonds) sind Anleihen, deren Kupons ans Erreichen von Nachhaltigkeitszielen gebunden sind. Ob diese Ziele erreicht werden, wird anhand von Performance-Indikatoren gemessen.
Hier ein konkretes Beispiel: Enel ist ein weltweit tätiger italienischer Energieversorger und der größte Emittent derartiger Anleihen. Zehn dieser Anleihen haben Ende 2023 ihren ersten Beobachtungstermin erreicht. Wurden die gesetzten Nachhaltigkeitsziele erreicht? Und was lässt sich aus ihren Kursen und Renditeaufschlägen ablesen?
Kohlenstoffintensitätsziele für 2023 verfehlt
Aus dem Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens für 2023 geht hervor, dass
Enel die Scope-1-CO2-Intensität seiner Stromerzeugung um über 30 % senken
konnte, von 229g CO2/kwh 2022 auf 160g. Das für die nachhaltigkeitsorientierten
Anleihen gesteckte Ziel von 148g CO2/kwh wurde indes verfehlt. Enel verweist
auf die Aufforderung der italienischen Regierung, angesichts der Energiekrise
im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine die Nutzung der
Kohlekraftwerke bis Ende September 2023 zu maximieren. Wäre dies nicht
geschehen, hätte Enel nach eigenen Angaben eine Emissionsintensität deutlich
unter dem angestrebten Wert erzielt.
Welche finanziellen Folgen hat das Verfehlen dieses
Ziels?
Enel bestätigte, dass die Kupons der zehn Anleihen, deren Kuponhöhe an das
verfehlte Emissionsintensitätsziel gebunden sind, wie vertraglich vorgesehen um
0,25 %-punkte steigen werden. Ein solcher Aufschlag ist marktüblich und
für das Unternehmen finanziell nicht erheblich (0,1% des EBITDA für 2023).
Gibt es Folgen für den Ruf?
Das Nichterreichen von Dekarbonisierungszielen kann Auswirkungen darauf
haben, wie nachhaltig Investoren ein Unternehmen einschätzen. Verfehlt ein
Unternehmen seine Ziele, kann das die klimabezogenen Kreditrisiken erhöhen.
Infolgedessen können sich die Renditeaufschläge (Spreads) der Anleihen
ausweiten und die Gesamtkapitalkosten erhöhen. Allerdings ist diese
Spread-Ausweitung weniger wahrscheinlich, wenn das Unternehmen erstens von
Ereignissen betroffen ist, die sich seiner Kontrolle entziehen, zweitens ein
klares Bekenntnis zu seinen Zielen aufrechterhält und drittens gegenüber den
Anlegern transparent ist.
Im Fall Enel und seinen besonderen Umständen blieb die Emissionsintensität im Jahr 2023 im Einklang mit ihrem 1,5°C-Zielpfad, wie er von der Science Based Targets Initiative bestätigt wurde, die einen Schwellenwert festlegt, der weit über dem erreichten Wert liegt. Mit anderen Worten: Enel bleibt im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel und übertrifft es sogar. Darüber hinaus wird das Engagement von Enel für die Dekarbonisierung bestätigt: Für 2026 wurde ein neues, niedrigeres Ziel für die CO2-Intensität festlegt: 125g CO2/kwh.
Sollte ein Emittent dagegen sein Ziel verfehlen, weil er offensichtlich vom Weg der grünen oder sozialen Verbesserung abweicht, würde die Anlegergemeinschaft dies deutlich weniger wohlwollend aufnehmen. Eine Ausweitung der Kreditspreads wäre die Folge, da ESG-orientierte Anleger zum Verkauf gezwungen sein könnten.
Wie haben sich die nachhaltigkeitsorientierten Anleihen
von Enel verhalten?
Interessant ist der Vergleich der Kreditspreads der zehn Enel-Anleihen, die
ihr Nachhaltigkeitsziel verfehlt haben, mit nicht-nachhaltigkeitsgebundenen
Anleihen desselben Emittenten (ähnliche Laufzeiten):
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